Originalveröffentlichung am 01.05.2023 zu finden unter: https://webbtelescope.org/news/news-releases
Zusammenfassung: Weitere Beobachtungen sind erforderlich, um festzustellen, ob der Exoplanet GJ 486 b eine Atmosphäre hat
GJ 486 b ist etwa 30 % größer als die Erde und dreimal so massereich, d. h. es handelt sich um eine felsige Welt mit stärkerer Schwerkraft als die Erde. Er umkreist einen Roten Zwerg in knapp 1,5 Erdtagen. Mit einer Oberflächentemperatur von etwa 430 Grad Celsius ist er zu nahe an seinem Stern, um in der bewohnbaren Zone zu liegen. Und doch zeigen die Webb-Beobachtungen Hinweise auf Wasserdampf.
Der Wasserdampf könnte von einer Atmosphäre stammen, die den Planeten umgibt. In diesem Fall müßte der Wasser-dampf wegen der Verluste durch die Strahlung des Sterns ständig nachgeliefert werden. Eine ebenso wahrscheinliche Möglichkeit ist jedoch, daß der Wasserdampf tatsächlich aus der äußeren Schicht des kühlen Heimatsterns des Planeten stammt. Weitere Webb-Beobachtungen werden helfen, die Frage zu beantworten: Kann ein Gesteinsplanet in der rauen Umgebung eines Roten Zwergs eine Atmosphäre aufrechterhalten bzw. wiederherstellen?
Die häufigsten Sterne im Universum sind rote Zwergsterne, was bedeutet, daß felsige Exoplaneten am ehesten in der Umlaufbahn eines solchen Sterns zu finden sind. Rote Zwerge sind kühl, so daß sich ein Planet in einer engen Umlauf-bahn befinden muß, um warm genug zu bleiben, um möglicherweise flüssiges Wasser zu besitzen (was bedeutet, daß er in der bewohnbaren Zone liegt). Solche Sterne sind auch aktiv, insbesondere wenn sie jung sind, und setzen Ultraviolett- und Röntgenstrahlung frei, die Planetenatmosphären zerstören könnte. Eine wichtige offene Frage in der Astronomie ist daher, ob ein Gesteinsplanet in einer solch rauen Umgebung eine Atmosphäre aufrechterhalten oder wiederherstellen kann.
Um diese Frage zu beantworten, untersuchten Astronomen mit dem James-Webb-Weltraumteleskop der NASA einen Exoplaneten aus Gestein namens GJ 486 b. Mit einer Oberflächentemperatur von etwa 430 Grad Celsius liegt er zu nahe an seinem Stern, um in der bewohnbaren Zone zu sein. Dennoch zeigen ihre Beobachtungen mit dem Nahinfrarotspektro-graphen (NIRSpec) von Webb Anzeichen von Wasserdampf. Wenn der Wasserdampf mit dem Planeten in Verbindung steht, würde dies darauf hindeuten, daß er trotz seiner glühend heißen Temperatur und der Nähe zu seinem Stern eine Atmosphäre besitzt. Wasserdampf wurde schon früher auf gasförmigen Exoplaneten beobachtet, aber bis heute wurde noch keine Atmosphäre um einen Exoplaneten aus Gestein definitiv nachgewiesen. Das Team weist jedoch darauf hin, daß der Wasserdampf vom Stern selbst stammen könnte – insbesondere von kühlen Sternflecken – und nicht vom Planeten selbst.
“Wir sehen ein Signal, und es ist nahezu sicher auf Wasser zurückzuführen. Aber wir können noch nicht sagen, ob dieses Wasser Teil der Planetenatmosphäre ist, was bedeutet, daß der Planet eine Atmosphäre hat, oder ob wir nur eine Wasser-signatur sehen, die vom Stern kommt”, sagte Sarah Moran von der University of Arizona in Tucson, Hauptautorin der Studie.
“Wasserdampf in einer Atmosphäre auf einem heißen Gesteinsplaneten wäre ein großer Durchbruch für die Exoplaneten-forschung. Aber wir müssen vorsichtig sein und sicherstellen, daß der Stern nicht der Übeltäter ist”, fügte Kevin Stevenson vom Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory in Laurel, Maryland, hinzu, der das Programm leitete.
GJ 486 b ist etwa 30 % größer als die Erde und dreimal so massereich, d. h. es handelt sich um eine felsige Welt mit stärkerer Schwerkraft als die Erde. Er umkreist einen Roten Zwerg in knapp 1,5 Erdtagen. Es wird erwartet, daß er gebunden rotiert, mit einer permanenten Tagseite und einer permanenten Nachtseite.
GJ 486 b zieht vor seinem Stern vorbei, kreuzt also aus unserer Sicht vor dem Stern. Wenn er eine Atmosphäre hat, dann würde das Sternenlicht beim Transit durch diese Gase gefiltert und Fingerabdrücke im Licht hinterlassen, die es den Astronomen erlauben, seine Zusammensetzung mit einer Technik namens Transmissionsspektroskopie zu entschlüsseln.
Das Team beobachtete zwei Transits, die jeweils etwa eine Stunde dauerten. Anschließend analysierten sie die Daten mit drei verschiedenen Methoden. Die Ergebnisse aller drei Methoden stimmen insofern überein, als sie ein weitgehend flaches Spektrum mit einem faszinierenden Anstieg bei den kürzesten Infrarotwellenlängen zeigen. Das Team führte Computermodelle durch, die eine Reihe verschiedener Moleküle berücksichtigten, und kam zu dem Schluß, daß die wahrscheinlichste Quelle des Signals Wasserdampf ist.
Während der Wasserdampf möglicherweise auf das Vorhandensein einer Atmosphäre auf GJ 486 b hinweisen könnte, ist eine ebenso plausible Erklärung, daß der Wasserdampf vom Stern stammt. Überraschenderweise kann sogar in unserer eigenen Sonne Wasserdampf in Sonnenflecken vorkommen, da diese Flecken im Vergleich zur umgebenden Oberfläche des Sterns sehr kühl sind. Der Heimatstern von GJ 486 b ist viel kühler als die Sonne, so daß sich noch mehr Wasser-dampf in seinen Sternflecken konzentrieren würde. Daher könnte er ein Signal erzeugen, das eine Planetenatmosphäre imitiert.
“Wir haben keine Anzeichen dafür beobachtet, daß der Planet während der Transits irgendwelche Sternflecken kreuzt. Das heißt aber nicht, daß es nicht auch anderswo auf dem Stern Flecken gibt. Und das ist genau das physikalische Szenario, das dieses Wassersignal in die Daten einprägen würde und am Ende wie eine Planetenatmosphäre aussehen könnte”, sagt Ryan MacDonald von der University of Michigan in Ann Arbor, einer der Koautoren der Studie.
Es ist zu erwarten, daß eine Wasserdampfatmosphäre aufgrund der stellaren Erhitzung und Strahlung allmählich erodiert. Wenn also eine Atmosphäre vorhanden ist, müßte sie wahrscheinlich ständig durch Vulkane, die Dampf aus dem Inneren des Planeten ausstoßen, aufgefüllt werden. Wenn sich das Wasser tatsächlich in der Atmosphäre des Planeten befindet, sind weitere Beobachtungen erforderlich, um die Menge des vorhandenen Wassers einzugrenzen.
Künftige Webb-Beobachtungen könnten über dieses System mehr Aufschluß bringen. Ein bevorstehendes Webb-Programm wird MIRI, das Mittelinfrarot-Instrument einsetzen, um die Tagseite des Planeten zu beobachten. Wenn der Planet keine oder nur eine dünne Atmosphäre hat, ist zu erwarten, daß sich der heißeste Teil der Tagseite direkt unter dem Stern befindet. Wenn der heißeste Punkt jedoch verschoben ist, deutet dies auf eine Atmosphäre hin, die Wärme zirkulieren kann.
Im Ergebnis werden Beobachtungen bei kürzeren Infrarot-Wellenlängen durch ein anderes Webb-Instrument, den Near-Infrared Imager and Slitless Spectrograph (NIRISS), benötigt, um zwischen der Planetenatmosphäre und Sternflecken-Szenarien zu unterscheiden.
“Es ist die Kombination mehrerer Instrumente, die wirklich klären wird, ob dieser Planet eine Atmosphäre hat oder nicht”, sagte Stevenson.
Die Studie wurde zur Veröffentlichung in The Astrophysical Journal Letters angenommen.
Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit führende Observatorium für Weltraumforschung. Webb wird Rätsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick auf ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin erforschen. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner ESA (Europäische Weltraumorganisation) und CSA (Kanadische Weltraumorganisa-tion).
Exoplanet GJ 486 b (Künstlerischer Entwurf)
- Fast Facts
- Objekt
- Objektname(n): GJ 486 b
- Objektbeschreibung: Exoplanet
- Rektaszension: 12:47:57.0
- Deklination: +09:45:05
- Sternbild: Virgo
- Entfernung: 26 Lichtjahre
Über das Bild: Diese künstlerische Konzeption stellt den felsigen Exoplaneten GJ 486 b dar, der einen nur 26 Lichtjahre entfernten Roten Zwerg im Sternbild Jungfrau umkreist. Bei der Beobachtung des Transits von GJ 486 b vor seinem Stern suchten die Astronomen nach Anzeichen für eine Atmosphäre. Sie entdeckten Anzeichen von Wasserdampf. Sie geben jedoch zu bedenken, daß dies zwar ein Anzeichen für eine Planetenatmosphäre sein könnte, das Wasser aber auch vom Stern selbst stammen könnte – genauer gesagt, von kühlen Sternflecken – und nicht vom Planeten selbst.
GJ 486 b ist ungefähr 30 % größer als die Erde und wiegt dreimal so viel. Er umkreist seinen Stern in knapp 1,5 Tagen.
Exoplanet GJ 486 b (Transmissionsspektrum)
- Fast Facts
- Objekt
- Objektname(n): GJ 486 b
- Objektbeschreibung: Exoplanet
- Rektaszension: 12:47:57.0
- Deklination: +09:45:05
- Sternbild: Virgo
- Entfernung: 26 Lichtjahre
Über das Bild: Diese Grafik zeigt das Transmissionsspektrum, das durch Beobachtungen des felsigen Exoplaneten GJ 486 b durch Webb erhalten wurde. Die Analyse des Wissenschaftsteams zeigt Hinweise auf Wasserdampf; Computer-modelle zeigen jedoch, daß das Signal von einer wasserreichen Planetenatmosphäre (angezeigt durch die blaue Linie) oder von Sternflecken des Roten Zwergs stammen könnte (angezeigt durch die gelbe Linie). Die beiden Modelle weichen bei kürzeren Infrarot-Wellenlängen deutlich voneinander ab, ein Hinweis darauf, daß zusätzliche Beobachtungen mit anderen Instrumenten von Webb erforderlich sind, um die Quelle des Wassersignals einzugrenzen.
Die Illustration eines Planeten im Hintergrund ist eine künstlerische Darstellung. Webb hat noch kein Bild des Planeten aufgenommen.