NASA’s Webb findet Wasser und ein neues Rätsel in einem seltenen Hauptgürtelkometen

Originalveröffentlichung am 15.05.2023 zu finden unter: https://webbtelescope.org/news/news-releases

Zusammenfassung: Die jüngste Entdeckung des James-Webb-Weltraumteleskops ist eine Geschichte von zwei Entdeckungen

Wissenschaftler, für die das Sonnensystem interessant ist, gingen mit dem James-Webb-Weltraumteleskop der NASA auf Schatzsuche im Asteroidengürtel, und was sie nicht fanden, erwies sich als ebenso bedeutsam wie das, was sie fanden. Wenn ein Spektrum möglicher chemischer Verbindungen als Landkarte dafür dient, wonach man suchen muß, dann markierte X den Ort des Wasserdampfs auf dem Kometen Read – ein lange gesuchter Hinweis auf das große Rätsel, wie das flüssige Wasser auf der Erde und damit das Leben entstanden ist. Allerdings fehlte Kohlendioxid auf der Karte, obwohl es in allen anderen Kometen vorhanden ist. Die Wissenschaftler sind also nicht nur weiterhin auf der Suche nach der Geschichte des Urwassers im Sonnensystem, sondern haben auch eine unerwartete neue Aufgabe vor sich, auf der sie in unserem kosmischen Hinterhof nach Antworten suchen werden.

NASA’s James-Webb-Weltraumteleskop hat einen weiteren lang ersehnten wissenschaftlichen Durchbruch ermöglicht, dieses Mal für Wissenschaftler, die sich für das Sonnensystem interessieren und den Ursprung des reichlich vorhandenen Wassers auf der Erde untersuchen. Mit Hilfe des NIRSpec-Instruments (Nahinfrarot-Spektrograph) des Webb-Teleskops haben Astronomen zum ersten Mal Gas – insbesondere Wasserdampf – um einen Kometen im Asteroidengürtel nachge-wiesen, was vermuten läßt, daß in dieser Region Wassereis aus dem ursprünglichen Sonnensystem erhalten sein könnte. Der erfolgreiche Nachweis von Wasser ist jedoch mit einem neuen Rätsel verbunden: Im Gegensatz zu anderen Kometen war beim Kometen 238P/Read kein Kohlendioxid nachweisbar.

„Unsere wasserdurchtränkte Welt, in der es von Leben nur so wimmelt und die, soweit wir wissen, einzigartig im Universum ist, ist so etwas wie ein Rätsel – wir sind nicht sicher, wie all dieses Wasser hierher kam“, sagte Stefanie Milam, stellvertretende Projektwissenschaftlerin für Planetenforschung bei Webb und Mitautorin der Studie, in der die Ergebnisse veröffentlicht wurden. „Das Verständnis der Geschichte der Wasserverteilung im Sonnensystem wird uns helfen, andere Planetensysteme zu verstehen und herauszufinden, ob sie auf dem Weg sind, einen erdähnlichen Planeten zu beherber-gen“, fügte sie hinzu.

Der Komet Read ist ein Hauptgürtelkomet – ein Objekt, das sich im Hauptasteroidengürtel befindet, aber in regelmäßigen Abständen einen Halo oder eine Koma und einen Schweif wie ein Komet aufweist. Hauptgürtelkometen sind eine relativ neue Klassifizierung, und der Komet Read war einer der drei Kometen, die ursprünglich zur Einführung dieser Kategorie verwendet wurden. Zuvor ging man davon aus, daß sich Kometen im Kuipergürtel und in der Oort’schen Wolke jenseits der Neptunbahn befinden, wo ihr Eis in größerer Entfernung von der Sonne erhalten bleiben kann. Gefrorenes Material, das bei der Annäherung an die Sonne verdampft, verleiht Kometen ihre charakteristische Koma und ihren Schweif, wodurch sie sich von Asteroiden unterscheiden. Forscher haben lange darüber spekuliert, daß Wassereis im wärmeren Asteroiden-gürtel innerhalb der Umlaufbahn des Jupiters erhalten bleiben könnte, aber ein endgültiger Beweis war schwer zu erbringen – bis Webb.

„In der Vergangenheit haben wir Objekte im Hauptgürtel gesehen, die alle Merkmale von Kometen aufwiesen, aber nur mit diesen präzisen Spektraldaten von Webb können wir sagen: Ja, es ist definitiv Wassereis, das diesen Effekt erzeugt“, erklärt der Astronom Michael Kelley von der University of Maryland, Hauptautor der Studie.

„Mit den Webb-Beobachtungen des Kometen Read können wir nun zeigen, daß Wassereis aus dem frühen Sonnensystem im Asteroidengürtel erhalten bleiben kann“, sagte Kelley.

Das Fehlen des Kohlendioxids war eine größere Überraschung. Normalerweise macht Kohlendioxid etwa 10 Prozent des flüchtigen Materials in einem Kometen aus, das durch die Hitze der Sonne leicht verdampft werden kann. Das Wissen-schaftsteam nennt zwei mögliche Erklärungen für das Fehlen von Kohlendioxid. Eine Möglichkeit ist, daß der Komet bei seiner Entstehung Kohlendioxid enthielt, dieses aber aufgrund der warmen Temperaturen verloren hat.

„Der lange Aufenthalt im Asteroidengürtel könnte dafür verantwortlich sein – Kohlendioxid verdampft leichter als Wassereis und könnte über Milliarden von Jahren nach außen dringen“, so Kelley. Alternativ, so Kelley, könnte sich der Komet Read in einem besonders warmen Teil des Sonnensystems gebildet haben, in dem kein Kohlendioxid vorhanden war.

Der nächste Schritt besteht darin, die Forschung über den Kometen Read hinaus auszudehnen, um zu sehen, wie andere Kometen des Hauptgürtels im Vergleich dazu aussehen, sagt Astronomin Heidi Hammel von der Association of Universities for Research in Astronomy (AURA), Leiterin der Garantiezeitbeobachtung für Objekte des Sonnensystems mittels Webb und Mitautorin der Studie. „Diese Objekte im Asteroidengürtel sind klein und schwach, und mit Webb können wir endlich sehen, was mit ihnen vor sich geht, und einige Schlußfolgerungen ziehen. Fehlt anderen Kometen im Hauptgürtel eben-falls Kohlendioxid? Auf jeden Fall wird es spannend sein, das herauszufinden“, so Hammel.

Co-Autor Milam stellt sich die Möglichkeiten vor, die Forschung noch näher nach Hause zu bringen. „Jetzt, da Webb bestätigt hat, daß es in der Nähe des Asteroidengürtels Wasser gibt, wäre es faszinierend, diese Entdeckung mit einer Probensammelmission weiterzuverfolgen und zu erfahren, was uns die Kometen des Hauptgürtels sonst noch sagen können.“

Die Studie wurde in der Zeitschrift Nature veröffentlicht.

Künstlerische Darstellung des Kometen 238P/Read

ILLUSTRATION: NASA, ESA

Über das Bild: Diese Abbildung des Kometen 238P/Read zeigt, wie der Hauptgürtelkomet sublimiert – sein Wassereis verdampft, während sich seine Umlaufbahn der Sonne nähert. Dies ist von großer Bedeutung, denn die Sublimation ist das, was Kometen von Asteroiden unterscheidet und ihren charakteristischen Schweif und den dunstigen Halo bzw. die Koma erzeugt. Für den Kometen Read ist dies besonders wichtig, da er einer von 16 identifizierten Hauptgürtelkometen ist, die sich im Asteroidengürtel befinden, im Gegensatz zum kälteren Kuipergürtel oder der Oort’schen Wolke, die weiter von der Sonne entfernt sind. Der Komet Read war einer von drei Kometen, die 2006 zur Definition der Klasse der Hauptgürtelkometen herangezogen wurden.

Die Entdeckung von Wasserdampf beim Kometen Read durch das James-Webb-Weltraumteleskop ist ein wichtiger Meilenstein in der Erforschung von Hauptgürtelkometen und in der breiteren Untersuchung des Ursprungs des reichlich vorhandenen Wassers auf der Erde. Die Tatsache, daß in dem sublimierenden Material kein Kohlendioxid nachgewiesen wurde, war allerdings eine Überraschung, der die Wissenschaftler nachgehen müssen, um ein besseres Verständnis der Rolle der Hauptgürtelkometen in der Geschichte und im gegenwärtigen Zustand unseres Sonnensystems zu erhalten.

Komet 238P/Read (NIRCam Image)

NASA, ESA, CSA, Mike Kelley (UMD)
IMAGE PROCESSING: Henry Hsieh (PSI), Alyssa Pagan (STScI)
  • Fast Facts
  • Objekt
  • Objektname(n): Komet 238P/Read, P/2005 U1
  • Objektbeschreibung: Hauptgürtelkomet
  • Entfernung: Komet Read war zum Zeitpunkt der Beobachtung 2,0897 Au vom JWST entfernt (etwa 300 Millionen Kilometer)
  • Daten
  • Instrument: NIRCam
  • Filter: F200W
  • Bild
  • Farbinformation: Dieses Bild wurde mit dem NIRCam-Instrument am James-Webb-Weltraumteleskop aufgenommen. Die Farbe folgt aus der Zuweisung eines blauen Farbtons zu einem monochromatischen (Graustufen-)Bild

Über das Bild: Dieses Bild des Kometen 238P/Read wurde am 8. September 2022 vom NIRCam-Instrument (Nahinfrarotkamera) am James-Webb-Weltraumteleskop der NASA aufgenommen. Sie zeigt den dunstigen Halo, die sogenannte Koma, und den Schweif, die für Kometen im Gegensatz zu Asteroiden bezeichnend sind. Die staubige Koma und der Schweif entstehen durch die Verdampfung von Eis, wenn die Sonne den Hauptkörper des Kometen erwärmt.

Der Komet Read war eines der drei Objekte, die 2006 zur Definition der Kategorie der Hauptgürtelkometen verwendet wurden. Bis dahin ging man davon aus, daß sich Kometen im Kuipergürtel und in der Oort’schen Wolke jenseits der Neptunbahn befinden, wo ihr Eis weiter von der Sonne entfernt konserviert wurde. Seitdem haben Wissenschaftler versucht, das Vorhandensein von sublimierendem Material in den Kometen des Hauptgürtels zu bestätigen und zu beweisen, daß ihre Koma und ihr Schweif auf die gleichen Prozesse zurückzuführen sind, die auch bei anderen Kometen zu beobachten sind. Mit dem Nachweis von Wasserdampf auf dem Kometen Read hat das empfindliche NIRSpec-Instrument (Nahinfrarot-Spektrograph) von Webb dieses Ziel erreicht.

Kometenspektren im Vergleich

ILLUSTRATION: NASA, ESA, CSA, Joseph Olmsted (STScI)

Über das Bild: Diese graphische Darstellung von Spektraldaten hebt eine wichtige Ähnlichkeit und einen wichtigen Unterschied zwischen den Beobachtungen des Kometen 238P/Read durch das NIRSpec-Instrument (Nahinfrarot-Spektrograph) am James-Webb-Weltraumteleskop der NASA im Jahr 2022 und den Beobachtungen des Kometen 103P/Hartley 2 durch die Deep-Impact-Mission der NASA im Jahr 2010 hervor. Beide zeigen eine deutliche Spitze in dem Bereich des Spektrums, der mit Wasser in Verbindung gebracht wird. Die Entdeckung des Gases im Kometen Read war ein bedeutender Erfolg für Webb, da er zu einer anderen Klasse von Kometen gehört als Kometen der Jupiterfamilie wie Hartley 2, und dies ist das erste Mal, dass ein Gas in einem solchen Hauptgürtelkometen nachgewiesen wurde.

Obwohl es sich nur um ein Beispiel handelt, ist der Nachweis von Wasser im Kometen Read ein Beweis dafür, daß Wasser aus dem frühen Sonnensystem im Asteroidengürtel erhalten bleiben kann, wo es viel wärmer ist als in den weiter entfernten Regionen, in denen sich die meisten Kometen befinden.

Der Komet Read hatte jedoch noch mehr für die Wissenschaftler auf Lager, als er weiter unten im Spektrum nicht die charakteristische, erwartete Beule zeigte, die auf das Vorhandensein von Kohlendioxid hinweist. Das Spektrum des Kometen Hartley 2 ist ein Beispiel für das, was man erwartet hatte. Kohlendioxid macht normalerweise 10 Prozent des Materials eines Kometen aus, das in der Nähe der Sonne sublimiert und die charakteristische Koma und den Schweif eines Kometen erzeugt.

Zukünftige Webb-Beobachtungen von Hauptgürtelkometen werden notwendig sein, um zu verstehen, ob der Komet Read einzigartig ist, weil er kein Kohlendioxid enthält, oder ob dies ein bisher unbekanntes Merkmal von Kometen im Asteroidengürtel ist.

Komet 238P/Read (NIRCam Compass Image)

NASA, ESA, CSA, Mike Kelley (UMD)
IMAGE PROCESSING: Henry Hsieh (PSI), Alyssa Pagan (STScI)
  • Fast Facts
  • Objekt
  • Objektname(n): Komet 238P/Read, P/2005 U1
  • Objektbeschreibung: Hauptgürtelkomet
  • Entfernung: Komet Read war zum Zeitpunkt der Beobachtung 2,0897 Au vom JWST entfernt (etwa 300 Millionen Kilometer)
  • Daten
  • Instrument: NIRCam
  • Filter: F200W
  • Bild
  • Farbinformation: Dieses Bild wurde mit dem NIRCam-Instrument am James-Webb-Weltraumteleskop aufgenommen. Die Farbe folgt aus der Zuweisung eines blauen Farbtons zu einem monochromatischen (Graustufen-)Bild

Über das Bild: Bild des Kometen 238P/Read, aufgenommen von der NIRCam (Nahinfrarotkamera) des Webb-Teleskops, mit Kompasspfeilen, Maßstabsleiste sowie Farbschlüssel zur Orientierung.

Die Kompasspfeile nach Norden und Osten zeigen die Ausrichtung des Bildes am Himmel an. Beachten Sie, daß die Beziehung zwischen Norden und Osten am Himmel (von unten gesehen) im Vergleich zu den Richtungspfeilen auf einer Karte des Bodens (von oben gesehen) vertauscht ist. Ein Maßstabsbalken ist mit 3.000 Kilometern und 2.000 Meilen beschriftet.

Dieses Bild zeigt die Wellenlängen des nahen Infrarots, die in die Farben des sichtbaren Lichts umgewandelt wurden. Der Farbschlüssel gibt an, welcher Filter bei der Aufnahme des Lichts verwendet wurde.