Veränderliche Strahlung vom supermassereichen Schwarzen Loch der Milchstraße

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter https://pweb.cfa.harvard.edu/news)

Ein Schaubild von einem Stadium der Akkretion um das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße. Material strömt in eine sphärische Region um das Schwarze Loch mit einem Magnetfeld; nachfolgende Verdichtung und Ausdehnung des heißen Gases erzeugt die Infrarot- und Submillimeter-Strahlung, während Streuung die Röntgenstrahlung hervorbringt. Eine neue Arbeit beleuchtet einen umfassenden Multiwellenlängen- und Multizeitalter-Datensatz und bietet ein recht einfaches physikalisches Modell an, das einen Großteil der sich ändernden Eigenschaften erklären kann.
Witzel et al. 2021

Im Zentrum unserer Milchstraße befindet sich ein supermassereiches Schwarzes Loch (engl. supermassive black hole = SMBH), das man Sagittarius A* (Sgr A*) nennt. Supermassereiche Schwarze Löcher finden sich in den Zentren der meisten Galaxien und wenn sie stürmisch Gas und Staub auf ihre umgebenden heißen Scheiben und Nachbarschaften akkretieren, strahlen sie quer über das elektromagnetische Spektrum. Die Masse von Sgr A* beträgt etwa vier Millionen Sonnenmassen, viel kleiner als die Milliarden Sonnenmassen schweren SMBHs, die in einigen Galaxien zu finden sind. Jedoch ist es relativ nah gelegen, nur ungefähr fünfundzwanzigtausend Lichtjahre entfernt; diese Nähe bietet Astronomen einmalige Gelegenheiten, die Eigenschaften von SMBHs zu untersuchen.

Sgr A* ist seit seiner Entdeckung in den 1950ern im Radiowellenbereich beobachtet worden. Von einer Variabilität im Radiowellenbereich wurde erstmals 1984 berichtet und nachfolgende Infrarot-, Submillimeter- sowie Röntgenbeobachtungen bestätigten Schwankungen und stellten fest, daß Sgr A* oftmals auflodert. Aus Beobachtungsprogrammen hat man den Schluß gezogen, daß Sgr A* im Durchschnitt Material mit sehr geringer Rate, nur wenige Hundertstel einer Erdmasse pro Jahr, akkretiert. Die Faszination über die Schwankungen bei Sgr A* hat auch einen praktischen diagnostischen Hintergrund: Änderungen in der Strahlung sind ein Maß für die Abmessungen der Region, die durch die Zeit gegeben sind, in der sich Licht durch diesen Bereich bewegt. Man hat Ausbrüche gemessen, die sich in ihrer Intensität zum Beispiel in weniger als siebenundvierzig Sekunden verdoppelten, eine Zeitspanne, die einer Strecke entspricht, die etwa dem Schwarzschild-Radius dieses Schwarzen Lochs gleichkommt. Diese Folgerungen stehen mit Rückschlüssen aus der Radio- und Nahinfrarotinterferometrie in Übereinstimmung.

Die Astronomen Steve Willner, Giovanni Fazio, Mark Gurwell, Joe Hora und Howard Smith am CfA haben die Infrarotvariabilität von Sgr A* mit der IRAC-Kamera an Bord von Spitzer in Verbindung mit gleichzeitiger Röntgen- und Submillimetervariabilität mittels Chandra und dem Submillimeter Array untersucht. Sie schlossen sich kürzlich mit Kollegen zusammen, um einen umfassenden Satz an Röntgen-, Nahinfrarot- und Submillimeter-Beobachtungen, die von vielen Gruppen über mehrere Jahrzehnte aufgezeichnet wurden, auszuwerten und zu modellieren. Die statistische Modellierung betrachtet den relativen Zeitverlauf von Ausbrüchen sowie Häufigkeit und Dauer der Schwankungen bei jeder der unterschiedlichen Wellenlängen. Die Astronomen folgern, daß die sich ändernde Strahlung vermutlich hauptsächlich aus einer Region stammt, die ungefähr zweimal so groß ist wie die Abmessung des Ereignishorizonts und daß dieselbe physikalische Aktivität oft die Mehrfach-Ereignisse hervorruft, die bei verschiedenen Wellenlängen zu beobachten sind. Die quantitativen Modelle weisen zudem auf die Anwesenheit eines dichten Plasmas aus Elektronen mitsamt einem nicht allzu starken Magnetfeld hin. Diese Folgerungen sind die ersten, um zu zeigen, daß ein einfaches physikalisches Modell einen Großteil der Eigenschaften von Sgr A*’s Variabilität und die Wechselbeziehung zwischen der Röntgen-, IR- und Submillimeterstrahlung erklären kann, aber viele Rätsel bleiben immer noch bestehen, darunter der Ursprung der stärksten Flares im Infraroten und der Grund für den langen Zeitraum der Schwankungen, die man im Submillimeterbereich sieht.

Literatur:

„Rapid Variability of Sgr A* across the Electromagnetic Spectrum“

G. Witzel, G. Martinez, S. P. Willner, E. E. Becklin, H. Boyce, T. Do, A. Eckart, G. G. Fazio, A. Ghez, M. A. Gurwell, D. Haggard, R. Herrero-Illana, J. L. Hora, Z. Li, J. Liu, N. Marchili, Mark R. Morris, Howard A. Smith, M. Subroweit, and J. A. Zensus

The Astrophysical Journal 917, 73, 2021

oder

arXiv:2011.09582v2 [astro-ph.HE] 7 Jun 2021