TESS – der neue Planetenjäger – von Bernd Scharbert

Das Weltraumteleskop Kepler hat mehrere tausend extrasolare Planeten entdeckt. Doch das Teleskop ist in die Jahre gekommen und wird wahrscheinlich im Laufe des Jahres 2018 ausfallen. TESS wird seinen Platz einnehmen. Seine Mission ist die Suche von erdähnlichen Planeten bei Sternen in Erdnähe. 200.000 Sterne sollen überwacht werden und man rechnet mit der Entdeckung von einigen hundert Planeten in Erdgröße. Diese sollen von nachfolgenden Missionen genauer untersucht werden, um z.B. Details über die Zusammensetzung von Atmosphären zu erhalten.
Schon der Start war bemerkenswert: er erfolgte mit einer „Falcon 9“ Rakete der Firma „Space X“. Die Dienste von Space X hatte die NASA schon zuvor in Anspruch genommen, um Versorgungsgüter zur ISS zu bringen. TESS war die erste wissenschaftliche Mission, bei der die NASA „auf die erste komplett im 21. Jahrhundert entwickelte Rakete“ (Zitat von der TESS Webseite) zurückgriff.

Start der Falcon 9 in Cape Canaveral

Das Interessante an der „Falcon 9“ ist, dass die erste Stufe auf einer Plattform vor der Küste Floridas landet. Sie kann also wiederverwendet werden. Wer sich das anschauen möchte, klicke auf diesen Link: https://www.youtube.com/watch?time_continue=1164&v=aY-0uBIYYKk. Hier können Sie den Start sehen, das Abtrennen der ersten Stufe, die Landung derselben und den weiteren Flug der Oberstufe.
Der Start kostete übrigens 71 Mio. Euro – das nur zur Info, falls Sie auch mal was ins All schießen wollen. Für ihr Auto brauchen Sie – wie vor einigen Wochen Space X Chef Elon Musk – allerdings eine „Falcon Heavy“. Das kostet sicherlich ein bisschen mehr…
Zur Beobachtung der Sterne verwendet TESS vier Teleskope, die jeweils 24 x 24 Grad am Himmel abdecken. Die Öffnung beträgt jeweils 105 mm. TESS – was übrigens für „Transiting Exoplanet Survey Satellite“ (etwa „vorbeiziehender Exoplanet Überwachungs-Satellit“) steht – verwendet die gleiche Nachweistechnik wie Kepler: Die Helligkeit des Sterns wird beobachtet. Zieht ein Exoplanet zwischen dem Stern und der Erde vorbei, verringert sich die Helligkeit des Sterns.

Der TESS-Satellit (mit den vier Teleskopen)
Der Helligkeitsabfall eines Sterns beim Transit mit Exoplaneten eines Planeten [1]


Doch bevor die Beobachtungsphase beginnt, gilt es den dafür geplanten Orbit zu erreichen. Kepler befindet sich in einem Orbit um die Sonne (372,5 Tage) und fliegt der Erde gewissermaßen hinterher.
TESS geht in einen besonderen Erdorbit der ebenfalls eine ungestörte Sicht auf das beobachtete Himmelsareal erlaubt. Der Weg dahin wird 60 Tage dauern und bedarf der gravitativen Assistenz des Mondes.
Der Orbit ist recht exzentrisch, er reicht von 108.000 km bis 376.000 km Erdentfernung. Ein Umlauf dauert 13,7 Tage. Mond und TESS werden sich nicht in die Quere kommen, da beide in einer 2:1 Resonanz unterwegs sind. Sprich: Während eines Mondumlaufs führt TESS genau zwei Umläufe aus („P/2“) – so gehen die beiden sich dauerhaft aus dem Weg.

Der Orbit („P/2 Mission Orbit“) von TESS und der Weg dorthin

Spannend ist die Datenübertragung zur Erde: Wenn TESS in Erdnähe ist, wird die Antenne zur Erde ausgerichtet und für 16 Stunden werden die Beobachtungsdaten zur Erde übermittelt. Danach beobachtet TESS weiter…
…aber was? Kepler hat nur einen kleinen Teil des Himmels im Sternbild Schwan untersucht – allerdings bis in 3000 Lichtjahre Entfernung. So ergab sich ein guter Überblick über die Häufigkeit von Planeten: Ca. 1/6 aller Sterne haben Planeten von ungefähr Erdgröße. Und ca. 1/5 aller sonnenähnlichen Sterne haben einen Planeten in der habitablen Zone. Also dem Bereich, in dem Wasser in flüssiger Form vorkommen kann.
Die von Kepler entdeckten Planeten kreisen oft um lichtschwache Sterne. Entweder, weil es rote Zwergsterne sind oder weil die Sterne weit weg sind oder beides. Das macht es schwierig ein Spektrum zu gewinnen, um Aussagen über die Atmosphäre des Planeten machen zu können.
TESS wird sich um 200.000 ausgewählte Sterne in der näheren Umgebung (bis 200 Lichtjahre) kümmern.
Sinn dieser Aktion ist es, einen Katalog von Exoplaneten aufzustellen, die um nahe und helle Sterne kreisen. Nicht um mal schnell vorbeizuschauen, sondern um anschließend mit anderen Teleskopen detaillierte Informationen über die Planeten zu erhalten.
Durch Beobachtung des Transits durch TESS können der Durchmesser des Planeten und Informationen zum Orbit ermittelt werden. Mit erdgestützten Teleskopen – die Exoplaneten mit der Radialgeschwindigkeitsmethode nachweisen – soll für mindestens 50 Planeten kleiner vier Erddurchmesser die Masse des Planeten bestimmte werden [1]. Aus Masse und Durchmesser erhält man die Dichte des Planeten. Ist diese bekannt, kann der Planet „einsortiert“ werden: ist er erdähnlich oder eine Wasserwelt oder ist er ein Gasplanet?
Das Hubble Weltraum-Teleskop und erdgebundene Teleskope sollen dann Spektren der Planeten aufnehmen. Das wird möglich sein weil der Stern hell genug ist. Sobald verfügbar, soll auch der Hubble-Nachfolger – das James-Webb-Space-Telescope (JWST) – genutzt werden. Das JWST soll frühestens im Mai 2020 starten [2], da ist also noch etwas Geduld angesagt…
Informationen über die Zusammensetzung der Atmosphäre sind wichtig, um genauere Aussagen über die Oberflächentemperatur machen zu können. Auch wenn der Planet in der habitablen Zone unterwegs ist, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass Sie dort entspannt am Strand liegen können… Aus der Zusammensetzung der Atmosphäre kann auch die Chance auf Leben abgeschätzt werden: Zeigt die Atmosphäre Spuren von Ozon, so deutet dies auf Sauerstoff hin. Sauerstoff ist ein reaktionsfreudiges Gas, was ständig „nachgeliefert“ werden muss. Auf der Erde machen das die Pflanzen. Somit wäre Ozon ein Indikator für Leben.
Im ersten Abschnitt schrieb ich von einigen hundert Planeten in „Erdgröße“, deren Entdeckung man erwartet. Nun ja – damit kommen wir zum Kleingedruckten: Die gefundenen Planeten werden eher Supererden sein. Man rechnet jedoch mit ca. 70 Planeten, die tatsächlich so groß sind wie die Erde.

Unsere Erde (links) mit der künstlerischen Darstellung einiger bislang entdeckter Supererden

Unter Supererden versteht man grob gesprochen Planeten, die nicht größer als der doppelte Erddurchmesser sind. Und davon gibt es unter den Kepler-Planeten mehr, als es Planeten in Erdgröße gibt. Über Supererden wissen wir bislang wenig. Das wird sich in den nächsten Jahren sicherlich ändern.
In der Grafik finden sich im gelb hinterlegten Bereich die von TESS erhofften Entdeckungen, was Erden und Supererden angeht. Rechts davon die Erwartungen was Mini-Neptune und Gasriesen (Jupitergröße) angeht.

Blau die von Kepler entdeckten Planeten. Rot eine Simulation der von TESS erwarteten Planetenentdeckungen [1]

Auch wenn der Schwerpunkt auf der Suche nach erdähnlichen Planeten liegt, so werden also hunderte größere Planeten entdeckt werden. Und da neben den 200.000 ausgewählten Sternen noch 20.000.000 andere im Gesichtsfeld liegen, rechnet man mit der Entdeckung von 20.000 weiteren Exoplaneten. Die meisten werden aber wohl Gasriesen sein.
Warten wir also gespannt ab – im Juli geht es (hoffentlich) los!
Quelle / Fotos / Grafiken: https://tess.gsfc.nasa.gov/
[1] https://heasarc.gsfc.nasa.gov/docs/tess/
[2] https://www.jwst.nasa.gov/