Staub und Gas in protoplanetaren Scheiben

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter https://pweb.cfa.harvard.edu/news)

Ein Falschfarben-Submillimeter-Bild der protoplanetaren Scheibe um den Stern IM Lup, das Doppelringe aus Gas und Staub zeigt. Astronomen haben erstmals die vertikalen Höhen sowohl der Staub- als auch der Gaskomponenten in dieser und zweier weiterer protostellarer Systeme mittels Multiwellenlängen-Datensätzen bestimmt und aufgezeigt, daß bei großen Abständen vom Stern diese gelegentlich, aber nicht immer, das gleiche fackelartige Profil haben.
K. Oberg et al., CfA; ALMA (NRAO/ESO/NAOJ); B. Saxton (NRAO/AUI/NSF)

Planeten entstehen, wenn die Staubkörner in einer protoplanetaren Scheibe zu Geröll und dann am Ende zu Planeten heranwachsen. Da kleine Staubkörner mit Gas interagieren (über den Zug, den sie vermitteln), beeinflußt das Gas in protoplanetaren Scheiben die Verteilung der kleinen Körner und folglich das Wachstum von Planeten. Astronomen, die versuchen zu enträtseln, wie die Staub-Gas-Wechselwirkungen die Planetenentwicklung beeinflussen, sind besonders an der Untersuchung der Scheibendicke (ihre „vertikale Höhe“) gegenüber der Entfernung zum Stern interessiert; die „Fackeln“ an den Scheiben waren in den meisten Fällen, bei denen der zentrale Stern die Masse des Systems dominiert, nach außen gerichtet. Durch unabhängige Messung der Höhen für das Gas und die kleinen Staubkörner können Astronomen grundlegende Scheibeneigenschaften untersuchen, wie etwa das Masseverhältnis von Gas zu Staub und Turbulenzen in der Scheibe.

Die CfA-Astronomen Richard Teague und David Wilner führten mit einem Kollegenteam den ersten direkten Vergleich der vertikalen Höhen von Gas und Staub durch. Sie modellierten dazu archivierte Beobachtungen von ALMA, Hubble und Gemini bei unterschiedlichen Wellenlängen an drei planetaren Scheiben, die für solche Messungen besonders geeignet sind: die Systeme sind zur Sichtlinie mäßig geneigt, um eine 3-D-Ansicht zu bieten, sie besitzen ausreichend Kohlenmonoxidgas sowie Staub, um diese Komponenten zu messen, und die Scheiben zeigen mehrere Ringe. Die Ringe streuen das Licht und sind zur Abschätzung der vertikalen Höhen der kleinen Körner notwendig (die Herkunft der Ringe ist unsicher, möglicherweise durch Planeten herausgearbeitet oder durch einen Temperaturübergang hervorgerufen, der Eis erzeugt).

Die Astronomen stellen fest, daß in zwei Systemen Gas und Staub bis in Entfernungen von etwa einhundert astronomischen Einheiten vom Stern mit der gleichen Struktur organisiert sind, aber in größerer Entfernung haben die Staubkörner eine geringere vertikale Höhe als das CO-Gas. Im dritten System besitzen die beiden Komponenten über alle Entfernungen hinweg die gleiche Form. Die Wissenschaftler argumentieren, daß ein Masseverhältnis von Gas zu Staub größer als 100 (der typische Wert für das interstellare Medium) das Verhalten der ersten beiden erklären könnte. Das Team folgert zudem, daß die vertikalen Höhen von Gas und Staub nicht einfach nur Funktionen von Masse, Alter oder Spektraltyp des Sterns sind; aber durch ihre künftige Arbeit hoffen sie, die Abhängigkeitsverhältnisse aufzuklären.

Die Wissenschaftler warnen aber, daß es mit nur drei Beispielen verfrüht ist, ihre Folgerungen zu verallgemeinern. Sie merken zudem an, daß die Mechanismen, welche die Ringe erzeugen, nicht klar sind und in diesen Systemen ein nicht erkannter Auswahleffekt gewirkt haben könnte. Beispielsweise sind diese Scheiben relativ groß und kleinere, typischere Scheiben könnten sich anders verhalten. Nicht zuletzt bleiben die Effekte der Turbulenz und das Absetzen von Staub ungeklärt. Jedoch zeigen diese ersten Ergebnisse die Machbarkeit der Methode auf. Zusätzliche Beobachtungen und Modellierung sollten die Scheiben anderer Systeme beschreiben können und mehr Einzelheiten des Planetenbildungsprozesses aufspüren.

Literatur:

„Investigating the Relative Gas and Small Dust Grain Surface Heights in Protoplanetary Disks“

Evan A. Rich, Richard Teague, John D. Monnier, Claire L. Davies, Arthur Bosman, Tim J. Harries, Nuria Calvet, Fred C. Adams, David Wilner, and Zhaohuan Zhu

The Astrophysical Journal 913, 138, 2021

oder

arXiv:2104.07821v1 [astro-ph.EP] 15 Apr 2021