Runaway-Doppelsterne

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Eine Hubble-Aufnahme des Doppelsternsystems Sirius A und B. Sirius B, der sehr lichtschwache Begleiter, ist ein Weißer Zwerg, ein Stern, der seinen Kernbrennstoff verbraucht hat. Man kennt ein Doppelsternpaar, bestehend aus zwei Weißen Zwergen, das zugleich ein „Runaway“-Stern* ist, sich also sehr schnell durch die Galaxis bewegt. Eine neue Studie kommt zu dem Schluß, daß dieser Runaway-Stern vermutlich aus einem dichten Sternhaufen herausgeschleudert wurde. NASA / Hubble


CfA-Astronomen machten 2005 eine ebenso bemerkenswerte wie zufällige Entdeckung: ein sich äußerst schnell bewegender Stern, der mit über drei Millionen Kilometer pro Stunde gemessen wurde. Es scheint so, als ob er vor etwa 80 Millionen Jahren aus der Umgebung des supermassereichen Schwarzen Lochs im Zentrum der Galaxis durch gewaltige gravitative Effekte herausgeschleudert worden ist, als er am Schwarzen Loch vorbeizog. Sich schnell aus der Galaxis herausbewegend, verleiht der Stern dem Bild von einem massereichen Schwarzen Loch im galaktischen Zentrum sowie Berechnungen, wie Schwarze Löcher mit ihrer stellaren Umgebung in Wechselwirkung treten könnten, zusätzliche Glaubwürdigkeit.
Weitere, langsamere Runaway-Sterne sind ebenfalls entdeckt worden. Die meisten sind durch einen der beiden anderen gravitativen Mechanismen beschleunigt worden: Ausstoß aus einem dichten Sternhaufen, da Zufallsbewegungen den Stern in eine schleuderähnliche Umlaufbahn bringen oder Ausstoß aus einem Doppelsternsystem, nachdem eine Supernova explodiert ist und den Stern aus seiner Umlaufbahn befreit hat. Ein Doppelstern besteht aus einem Sternpaar, das sich gegenseitig umkreist; viele (vielleicht die meisten) Sterne sind Mitglieder von Doppelsternsystemen. Bisher hat man keine binären Hyperschnellläufer entdeckt. Sie sind allerdings vorausgesagt worden und mindestens eine Theorie schlägt sogar vor, daß die Entdeckung eines binären Hyperschnellläufers darauf deuten könnte, daß das Schwarze Loch im Kern selbst ein Paar ist.
Warren Brown und Scott Kenyon vom CfA und acht weitere Astronomen beschlossen, den Fall des seltsamen Runaway-Doppelsterns LP400-22 zu untersuchen. Es war bekannt, daß das Paar aus zwei Weißen Zwergen besteht, die gegenwärtig ungefähr 1.400 Lichtjahre entfernt sind. Das Objekt ist einzigartig, da es sich um das einzig bekannte Runaway-Paar handelt, das aus Weißen Zwergen besteht und noch dazu ist deren Geschwindigkeit verglichen mit den meisten anderen Runaway-Sternen außerordentlich hoch. Die Astronomen verfolgten über einen Zeitraum von fünf Jahren die Bewegung des Runaway-Sterns am Himmel und folgerten aus seiner Bahn durch die Galaxis, daß er so gut wie sicher nicht aus der Umgebung des galaktischen Zentrums herausgeschleudert wurde. Dazu kommt, so die Forscher, daß der Supernova-Mechanismus ebenfalls sehr unwahrscheinlich ist, da es im Röntgenlicht keinen Hinweis auf die Überreste einer solchen Supernova gibt. Das Team kommt zu dem Schluß, daß dieses Paares wahrscheinlich aus einem dichten Sternhaufen stammt – und sie können mit Einschränkung tatsächlich den Weg zu einem von mehreren möglichen Kugelsternhaufen zurückverfolgen. Das Runaway-Doppel war dort entweder in eine Wechselwirkung mit mehreren Objekten verwickelt oder anfänglich Teil eines Dreifachsternsystems, das durch ein in dem Kugelsternhaufen gelegenes Schwarzes Loch von mittlerer Masse zerrissen wurde. Obwohl das Ergebnis der Untersuchung am Ende nicht die Eigenschaften des Schwarzen Lochs im galaktischen Zentrum thematisierte, liefert das Resultat wichtige Einsichten über Runaway-Sterne, binäre Weiße Zwerge und die komplexen Wechselwirkungen, die in dichten Sternhaufen ablaufen.
* “Runaway”-Stern = „Ausreißer“-Stern
Literatur:
„The Runaway Binary LP 400-22 is leaving the Galaxy“
Mukremin Kilic, A. Gianninas, Warren R. Brown, Hugh C. Harris, Conard C. Dahn, M. A. Agueros, Craig O. Heinke, S. J. Kenyon, J. A. Panei, and Fernando Camilo
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society (2013) 434 (4): 3582-3589