Von Bernd Scharbert und Christian Roßberg
Wann haben sie zuletzt einen langen Kometenschweif am Himmel gesehen?
Mit bloßem Auge? Ja, das ist wirklich schon lange her und die jüngeren unter uns werden noch gar keinen gesehen haben. Hale-Bopp zeigte sich 1997 beeindruckend am Himmel, Hyakutake ein Jahr vorher.
Von daher verwundert es nicht dass viele Menschen Anfang Juli früh aus dem Bett stiegen um endlich gegen 3:30 Uhr einen „Schweifstern“ knapp über dem Nord-Ost Horizont zu sehen. Neowise befand sich zu dieser Zeit unterhalb des Winter-Sternbildes Fuhrmann und zog auf seiner Bahn weiter in Richtung Nord-Westen durch die Sternbilder Luchs und Große Bärin (Großer Wagen). Er wurde in unseren Breiten zunächst zirkumpolar, so dass man ihn bei freier Horizont-Sicht die ganze Nacht und später nur noch nach Sonnenuntergang mit dem bloßen Augen beobachten konnte. Allerdings kam er nie allzu hoch über den Horizont. Das geschah erst nachdem er die Sonne passiert hatte und schnell an Helligkeit verlor. Ab Ende Juli zog er durch das Frühjahrs-Sternbilder Haar der Berenike und im August weitere in Richtung Jungfrau. Jetzt ließ er sich nur noch mit dem Fernglas oder im Teleskop beobachten.
Wie kam der „Neu-Weise“ zu seinem Namen?
Kometen werden nach ihrem Entdecker benannt. WISE ist ein Weltraumteleskop, das den Himmel im infraroten Bereich des Spektrums durchmustert hat. 2011 ging dem Satelliten das Kühlmittel aus und er wurde in Tiefschlaf versetzt. 2013 wurde er reaktiviert um mit den zwei noch einsatzfähigen Detektoren nach Kometen und Asteroiden zu suchen. Dabei geht es besonders um Objekte die der Erde nahe kommen. Diese werden im englischen als „Near Earth Objects“ bezeichnet. Oder kurz als „NEO“. Und so wurde aus WISE eine neue Mission mit dem Namen NEOWISE.
Nun kam der Komet NEOWISE der Erde nicht wirklich nahe, am 23. Juli waren es 104 Millionen Kilometer. Von einer Bedrohung kann man da nicht reden, doch war es sicherlich die auffälligste Entdeckung des Satelliten.
Der offizielle Name des Kometen ist übrigens C/2020 F3. Das ist nicht übermäßig romantisch, aber eindeutig. Es gibt nämlich mehrere Kometen, die der Satellit entdeckt hat und die seinen Namen tragen. „2020“ steht für das Jahr der Entdeckung. Der Buchstabe „F“ steht für den sechsten Halbmonat des Jahres (A = erste Januarhälfte, B = zweite Januarhälfte, usw.) also die zweite Märzhälfte. Und die Zahl gibt an, dass es der dritte Komet ist, der in diesem Zeitraum entdeckt wurde. Das ist die allgemeine Benennung von Kometen, egal wer sie entdeckt.
Das vorangestellte „C“ bedeutet „langperiodisch“. Bei einer Umlaufzeit von mehreren tausend Jahren ist die Kennzeichnung wohl auch angemessen…
Was sind Kometen und woher kommen Sie?
Bevor NEOWISE ins innere Sonnensystem kam, hatte er eine Umlaufzeit von ca. 4420 Jahren. Die großen Planeten Jupiter und Saturn veränderten seine Bahn jedoch stark. So geht man davon aus, dass eine Wiederkehr erst im Jahr 8709 (+/- 25 Jahre) ansteht. Das braucht sich wohl keiner von uns in den Kalender zu schreiben…
Im Jahre 5365 erreicht er in 106 Milliarden Kilometer Entfernung seinen sonnenfernsten Punkt. Dann ist er 710 mal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde.
Kometen sind wie die Asteroiden Überbleibsel aus der Entstehungszeit des Sonnensystems. Sie bestehen – im Gegensatz zu Asteroiden – aus gefrorenem Gas und Staub. Sie sind relativ klein – der Durchmesser von NEOWISE wird auf ca. 5 Kilometer geschätzt.
Um diese äußerst interessante „Ur-Materie“ genauer zu untersuchen, entsandte z.B. die ESA die Raumsonde „Rosetta“ zum Kometen Tschurjumow-Gerassimenko.
Nähert sich ein Komet der Sonne, so erwärmt er sich und setzt Gas und Staub frei. Beides wird vom Sonnenlicht und dem Sonnenwind von der Sonne weggedrückt. Ein Kometenschweif zeigt also von der Sonne weg – der Komet zieht ihn nicht hinter sich her! Typischerweise erscheint der Schweif, wenn der Komet sich innerhalb der Marsbahn bewegt. Genau genommen gibt es zwei Schweife: einen blauen Plasmaschweif (aus dem Gas) und den gekrümmten Staubschweif.
Und wie haben Mitglieder der Volkssternwarte den Komet erlebt?
Aufgrund der Bewaldung um die Volkssternwarte und durch seinen niedrigen Stand war der Komet vom Observatorium aus nicht zu beobachten. Auch die Beobachtungsmöglichkeiten von der Aussichtsplattform der Ludwigshöhe Richtung Norden war nicht optimal. Insbesondere durch die starke Lichtverschmutzung der Städte des Rhein-Main Gebietes und des Frankfurter Flughafens.
Das erste Kometenfoto gelang unserem Vereinsmitglied Daniel mit seinem Enkel Samuel am 11. Juli kurz vor Mitternacht von der Neunkirchner Höhe aus. Dieser vermeldete seinen Erfolg umgehend in der vereinsinternen Messenger Gruppe. Zur gleichen Zeit befand sich Rainer in der Nähe der Feste Otzberg bei Lengfeld um nächtliche Himmelsaufnahmen zu machen. Von Daniels Ergebnissen motiviert schoss auch er kurz nach Mitternacht seine ersten Kometen-Aufnahmen.
Vanessa folgte Rainers Tipp für den Beobachtungsplatz am Abend des 12. Juli. Sie fotografierte und beobachtete den Kometen mit bloßem Auge gegen Mitternacht . Rainer ließ in dieser Nacht seinen Fotoapparat für eine Timelapse-Aufnahme vom Balkon in Groß-Umstadt aus laufen. Diese zeigt sehr schön die Erdrotation anhand des Nachthimmels.
Ein weitere Beobachtungsausflug zum Otzberg unternahmen Vanessa und Alex am 22. Juli. Zu diesem Zeitpunkt war der Komet schon fast nicht mehr mit bloßem Auge zu erkennen. Am 24. Juli konnte Vanessa den Kometen dann durch Aufhellung in der Umgebung nur noch fotografisch erfassen.
Etwas anders verlief die Kometenjagt bei unserem Vereinsmitglied Christian, der sich zu dieser Zeit in den stark bewölkten Chiemgauer Alpen befand. In einer Wolkenlücke nach Sonnenuntergang gelangen ihm Sichtung und Schnappschüsse am 14. Juli gegen 22:30 Uhr vom Balkon der Ferienwohnung aus. Am 20. Juli folgte die einzige wolkenfreie Nacht des zweiwöchigen Urlaubs: Auf der Winkelmoos-Alm in 1200m Höhe konnte man den Kometen mit bloßem Auge und im Fernglas sehr gut zu erkennen. Während der astronomischen Dämmerung waren Aufnahmen mit längerer Belichtungszeit und Nachführung möglich, bis der Komet hinter den umliegenden Bergen verschwand.
Weitere Beobachtungen erfolgten am 30. und 31. Juli per Fernglas und durch einen 16″ Dobson-Teleskop von einem Feldweg im Modautal aus. Ob es im August nochmal eine letzte Beobachtungsmöglichkeit von C/2020 F3 NEOWISE durch das Teleskop gibt, wird sich zeigen…