NASA’s Webb entdeckt wirbelnde, sandhaltige Wolken auf einem fernen Planeten

Originalveröffentlichung am 22.03.2023 zu finden unter: https://webbtelescope.org/news/news-releases

Zusammenfassung: Wetterbericht: Es sind auf dem Planeten VHS 1256 b vereinzelte, lückenhafte Wolken aus Silikaten zu erwarten

Peitschte Ihnen schon einmal heißer Sand ins Gesicht? Das ist eine wohltuende Erfahrung im Vergleich zu den unbeständigen Bedingungen, die hoch in der Atmosphäre des Planeten VHS 1256 b entdeckt wurden. Forscher, die das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA benutzten, bewiesen, daß seine Wolken aus Silikatpartikeln bestehen, die von feinen Körnchen bis zu kleinen Körnern reichen. Außerdem ist seine nahezu konstante Wolkendecke in Bewegung! Das Team geht davon aus, daß die Silikate, die in diesen Wolken aufgewirbelt werden, periodisch zu schwer werden und in die Tiefen der Planetenatmosphäre abregnen. Die Webb-Beobachtungen zeigen auch klare Signaturen von Wasser, Methan sowie Kohlenmonoxid und liefern Hinweise auf Kohlendioxid. Dies ist erst der Anfang der Forschungsarbeiten des Teams – viele weitere Erkenntnisse werden erwartet, wenn sie sich weiter mit der Datenflut von Webb befassen.

Forscher, die mit dem James-Webb-Weltraumteleskop der NASA beobachteten, haben Silikatwolken in der Atmosphäre eines fernen Planeten ausfindig gemacht. Die Atmosphäre steigt während ihres 22-Stunden-Tages ständig auf, vermischt sich und bewegt sich, wodurch heißeres Material nach oben und kälteres Material nach unten geschoben wird. Die daraus resultierenden Helligkeitsschwankungen sind so dramatisch, daß es sich um das variabelste Objekt mit Planetenmasse handelt, das bisher bekannt ist. Das Team unter der Leitung von Brittany Miles von der University of Arizona konnte mit den Daten von Webb auch Wasser, Methan und Kohlenmonoxid außerordentlich klar nachweisen und fand auch Belege für Kohlendioxid. Dies ist die größte Anzahl von Molekülen, die jemals auf einem Planeten außerhalb unseres Sonnensystems auf einmal nachgewiesen wurde.

Der als VHS 1256 b katalogisierte Planet ist etwa 40 Lichtjahre entfernt und umkreist in einem Zeitraum von 10.000 Jahren nicht nur einen, sondern zwei Sterne. „VHS 1256 b ist etwa viermal weiter von seinen Sternen entfernt als Pluto von unserer Sonne, was ihn zu einem ausgezeichneten Ziel für Webb macht“, so Miles. „Das bedeutet, daß sich das Licht des Planeten nicht mit dem Licht seiner Sterne vermischt.“ Weiter oben in seiner Atmosphäre, wo die Silikatwolken aufgewühlt sind, erreichen die Temperaturen glühende 830 Grad Celsius.

Innerhalb dieser Wolken entdeckte Webb sowohl größere als auch kleinere Silikatstaubkörner, die in einem Spektrum dargestellt sind. „Die feineren Silikatkörner in seiner Atmosphäre könnten eher mit winzigen Rauchpartikeln vergleichbar sein“, so Co-Autorin Beth Biller von der University of Edinburgh in Schottland. „Die größeren Körner könnten eher mit sehr heißen, sehr kleinen Sandpartikeln vergleichbar sein.“

VHS 1256 b hat gegenüber massereicheren Braunen Zwergen eine geringe Schwerkraft, was bedeutet, daß seine Silikatwolken in dessen Atmosphäre höher auftreten und verbleiben können, wo Webb sie entdecken kann. Ein weiterer Grund, warum sein Himmel so turbulent ist, ist das Alter des Planeten. Für astronomische Verhältnisse ist er recht jung. Seit seiner Entstehung sind erst 150 Millionen Jahre vergangen – und er wird sich über Milliarden von Jahren weiter verändern und abkühlen.

In vielerlei Weise betrachtet das Team diese Ergebnisse als die ersten „Dukaten“, die aus einem Spektrum gezogen wurden, das die Forscher als eine Schatztruhe von Daten betrachten. In mancherlei Hinsicht haben sie erst begonnen, den Inhalt zu bestimmen. „Wir haben Silikate identifiziert, aber um besser zu verstehen, welche Korngrößen und Kornformen zu bestimmten Wolkentypen passen, ist noch viel zusätzliche Arbeit nötig“, so Miles. „Dies ist nicht das letzte Wort über diesen Planeten – es ist der Beginn einer groß angelegten Modellierungsarbeit, um die komplexen Daten von Webb anzupassen.

Obwohl alle Merkmale, die das Team beobachtet hat, auch von anderen Teleskopen auf anderen Planeten in der Milch-straße entdeckt wurden, haben andere Forschungsteams in der Regel jeweils nur ein Merkmal identifiziert. „Kein anderes Teleskop hat so viele Merkmale auf einmal bei einem einzigen Ziel identifiziert“, sagte Mitautor Andrew Skemer von der University of California, Santa Cruz. „Wir sehen eine Menge Moleküle in einem einzigen Spektrum von Webb, die die dynamischen Wolken- und Wettersysteme des Planeten detailliert darstellen.“

Das Team kam zu diesen Schlußfolgerungen, indem es Daten auswertete, die als Spektren bekannt sind und von zwei Instrumenten an Bord von Webb gesammelt wurden, dem Nah-Infrarot-Spektrographen (NIRSpec) und dem Mittel-Infrarot-Instrument (MIRI). Da der Planet in einer so großen Entfernung von seinen Sternen kreist, konnten die Forscher ihn direkt beobachten, anstatt die Transit-Technik oder einen Koronographen zur Aufnahme dieser Daten zu verwenden.

In den kommenden Monaten und Jahren wird es noch viel mehr über VHS 1256 b zu erfahren geben, wenn dieses Team – und andere – die hochauflösenden Infrarotdaten von Webb weiter durchsuchen. „Für einen sehr bescheidenen Aufwand an Teleskopzeit gibt es einen enormen Ertrag“, fügte Biller hinzu. „Mit nur wenigen Stunden Beobachtungszeit haben wir ein gefühlt unendliches Potenzial für zusätzliche Entdeckungen.“

Was könnte aus diesem Planeten in Milliarden von Jahren werden? Da er so weit von seinen Sternen entfernt ist, wird es im Laufe der Zeit kälter werden, und der Himmel könnte sich von bewölkt in klar verwandeln.

Die Forscher beobachteten VHS 1256 b im Rahmen des Early Release Science Program von Webb, das dazu beitragen soll, die Fähigkeit der Astronomen zur Beschreibung von Planeten und den Scheiben, in denen sie entstehen, zu verbessern.

Am 22. März wird die Arbeit des Teams mit dem Titel „The JWST Early Release Science Program for Direct Observations of Exoplanetary Systems II: A 1 to 20 Micron Spectrum of the Planetary-Mass Companion VHS 1256-1257 b“ in The Astrophysical Journal Letters veröffentlicht.

Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit führende Observatorium für Weltraumforschung. Webb wird Rätsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick auf ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin erforschen. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner ESA (Europäische Weltraumorganisation) und CSA (Kanadische Weltraum-organisation).

Exoplanet VHS 1256 b und seine Sterne (Illustration)

ILUSTRATION: NASA, ESA, CSA, Joseph Olmsted (STScI)
  • Fast Facts
  • Objekt
  • Objektname(n): VHS 1256-1257 b (VHS 1256 B)
  • Objektbeschreibung: Exoplanet
  • Sternbild: Corvus

Über das Bild: Diese Illustration veranschaulicht die wirbelnden Wolken, die vom James-Webb-Weltraumteleskop in der Atmosphäre des Exoplaneten VHS 1256 b identifiziert wurden. Der Planet ist etwa 40 Lichtjahre entfernt und umkreist zwei Sterne, die in ihrer eigenen engen Rotation gefangen sind.

Seine Wolken steigen ständig auf, vermischen und bewegen sich während seines 22-Stunden-Tages. Außerdem sind sie mit Silikatstaub gefüllt. Einige Wolken enthalten Silikatkörner, die so winzig sind wie Rauchpartikel. Andere enthalten etwas größere Flecken, die kleinen Sandkörnern ähneln. Die Forscher entdeckten sowohl hellere als auch dunklere Wolken-flecken, was darauf hindeutet, daß einige Wolken niedriger und heißer bzw. höher und kühler als andere sind.

VHS 1256 b ist etwa viermal so weit von seinen Sternen entfernt wie Pluto von unserer Sonne. Der Planet durchläuft eine volle Umlaufbahn in ungefähr 10.000 Jahren. Seine Wolkendecke weist auf eine weitere Tatsache hin: Er ist für astronomische Verhältnisse recht jung – erst 150 Millionen Jahre sind seit seiner Entstehung vergangen, und er wird sich über Milliarden von Jahren weiter verändern. Im Laufe der Zeit wird der Planet kälter werden, und sein Himmel wird sich möglicherweise von bewölkt zu klar verändern.

Diese Illustration basiert auf Beobachtungen von Webb. Die Kamera, die zur integrierten Feldeinheit des Nahinfrarot-Spektrographen von Webb gehört, hat nicht die Auflösung, um den Planeten in dieser Entfernung im Detail zu erfassen.

Exoplanet VHS 1256 b (NIRSpec and MIRI Emission Spectrum)

NASA, ESA, CSA, Joseph Olmsted (STScI)
  • Fast Facts
  • Objekt
  • Objektname(n): VHS 1256-1257 b (VHS 1256 B)
  • Objektbeschreibung: Exoplanet
  • Sternbild: Corvus

Über das Bild: Bereit für die Suche nach Wolken und Molekülen auf einem fernen Planeten?

Ein Forscherteam unter der Leitung von Brittany Miles von der University of Arizona verwendete zwei als Spektrographen bekannte Instrumente an Bord des James-Webb-Weltraumteleskops, eines an seinem Nahinfrarot-Spektrographen (NIRSpec) und ein weiteres an seinem Mittelinfrarot-Instrument (MIRI), um einen großen Teil des vom Planeten VHS 1256 b ausgesandten Lichts im nahen bis mittleren Infrarot zu beobachten.

Suchen wir zunächst nach Silikatwolken in den Daten von Webb. Aufgrund von Beobachtungen vieler anderer Exoplaneten mit zahlreichen Teleskopen wissen die Forscher, daß sie in bestimmten Bereichen des Spektrums nach Signaturen von Wolken suchen müssen. Signaturen von Silikaten erscheinen vor und nach 10 Mikrometern, einer bestimmten Wellenlänge des Infrarotlichts.

Höher in der Atmosphäre befinden sich vermutlich Wolken aus einer Schicht sehr kleiner Silikatkörnchen. Diese Silikate sind feiner, ähneln eher Rauchpartikeln und sind für die Entstehung des Plateaus bei 10 Mikrometern verantwortlich. Wolken aus etwas größeren Körnern befinden sich wahrscheinlich etwas tiefer. Einige Partikel in diesen Wolken könnten die Größe von kleinen Schlickkörnern haben.

Die Kombination aus Schwankungen in der Helligkeit des Planeten im Laufe der Zeit und den verschiedenen Wolken-schichten im Spektrum deutet auf turbulentes Wetter auf VHS 1256 b hin. „Diese Entdeckungen spiegeln wider, daß sich die Wolkenmuster des Planeten ziemlich schnell ändern“, erklärt Beth Biller von der University of Edinburgh in Schottland. Wenn die Forscher mehr und längere Beobachtungen des Planeten machen würden, würden sie sehen, daß sich die Form des Spektrums verschiebt, wenn sich die Standorte der Wolken bewegen, was ausdrückt, daß sich die Wolken während der 22-stündigen Rotation des Planeten schnell durch seine Atmosphäre bewegen.

Aber sie sind nicht wie Wolken hoch in der Erdatmosphäre. Diese Wolken sind heiß – vergleichbar mit der Temperatur einer Kerzenflamme. Die obere Atmosphäre der Erde ist dünn und würde sich extrem kalt anfühlen.

Die Forscher konnten mit Webb auch Wasser, Methan und Kohlenmonoxid besonders deutlich nachweisen und fanden Hinweise auf Kohlendioxid. Es ist jedoch noch zu früh, um zu sagen, was diese Kombination von Molekülen bedeuten könnte, da die Daten erst vollständig modelliert werden müssen. „Die hochauflösenden Daten von Webb stellen unsere bestehenden Modelle auf die Probe“, erklärt Polychronis Patapis von der ETH Zürich in der Schweiz. „Bestehende Modelle können ein oder zwei Merkmale verarbeiten, aber nicht so viele, wie Webb uns von diesem Ziel gezeigt hat.“ Dies ist ein außerordentlich spannender Moment für die Forscher – es bedeutet, daß sie bei der Anpassung ihrer Modelle an diese Daten noch unglaublich viel lernen können.

Die Beobachtungen von VHS 1256 b durch Webb unterstreichen viele seiner technischen Stärken. Die Instrumente des Teleskops erfassen nicht nur eine große Bandbreite an Licht im nahen und mittleren Infrarot, sondern die Position des Teleskops im Weltraum bedeutet auch, daß das Teleskop mehr infrarotes Licht beobachten kann, als auf der Erde zugänglich ist – und es fängt die Details in hoher Auflösung ein. (Die Erdatmosphäre filtert einen Teil des nahen und den gesamten mittleren Infrarotbereich heraus). „Webb hat den Wellenlängenbereich, den wir erfassen können, faktisch verdoppelt“, sagt Brittany Miles von der University of Arizona, die Hauptautorin der Studie. „Zudem haben wir nur sieben Stunden gebraucht, um das Spektrum zu erfassen, das praktisch vor Details überläuft.“

VHS 1256 b befindet sich in ungefähr 40 Lichtjahren Entfernung im Sternbild Rabe. Er umkreist nicht nur einen, sondern zwei Sterne, die einander eng umkreisen. Der Planet liegt rund viermal weiter von seinen Sternen entfernt als Pluto von unserer Sonne. Obwohl ein einziger Tag auf diesem Planeten 22 Stunden dauert, benötigt er 10.000 Jahre, um eine einzige Umkreisung oder ein Jahr zu vollenden.

Die Wolken des Planeten wurden durch Daten des Webb-Teleskops bestätigt.

MIRI wurde von der ESA und der NASA beigesteuert, wobei das Instrument von einem Konsortium aus staatlich finanzierten europäischen Instituten (dem MIRI European Consortium) in Zusammenarbeit mit der University of Arizona und dem JPL entwickelt und gebaut wurde.

NIRSpec wurde für die Europäische Weltraumorganisation (ESA) von einem Konsortium europäischer Unternehmen unter der Leitung von Airbus Defence and Space(ADS) gebaut, wobei das Goddard Space Flight Center der NASA die Detektor- und Mikroverschlußsubsysteme lieferte.