Ganz heißes Thema: Infrarotstrahlung

Dr. Ilka Petermann

Jenseits des roten Bereichs des sichtbaren Spektrums heizt uns die Infrarotstrahlung ordentlich ein: als Wärmestrahlung können wir sie nicht nur fühlen – mit geeigneten Instrumenten erlaubt uns die Infrarotastronomie auch einen Blick auf staubige Gebiete und kalte Objekte im Weltall, die unserer Sicht sonst verborgen blieben.

Abb.1: Gesamthimmelkarte im Infrarotlicht, aufgenommen vom europäisch-japanischen Satelliten Akari, mit eingearbeiteten Sternbildern und staubigen Sternentstehungsgebieten
Credit: JAXA

Was genau es vor rund einer Million Jahre in der Wonderwerk-Höhle (südafrikanische Provinz Nordkap) zum Mittagessen gab, ist zwar nicht bekannt – aber der Fund von verbrannten Knochen- und Pflanzenteilen weit im Innern der Höhle lässt darauf schließen, dass unsere Vorfahren schon zu dieser Zeit das Feuer beherrschten (die elterliche Ermahnung ‚auch das Gemüse!‘ lässt sich so zwar nicht nachweisen, aber stark vermuten).

Beim Versammeln um das Feuer oder dem anschließenden Mittagsschläfchen in der Sonne merkte man jene Strahlung, die sich zwar nicht sehen, aber über die Haut registrieren lässt: Wärmestrahlung. Ein paar Mittagessen mussten aber noch ins Land gehen, bis sich die ersten Wissenshungrigen dem Phänomen dann wissenschaftlich und physikalisch näherten.

Unter ihnen war der deutsch-britische Physiker Friedrich Wilhelm (William) Herschel, der im Jahr 1800 das Sonnenlicht mit Prismen und verschiedenen Filtern untersuchte und dabei feststellte, dass unterschiedliche Lichtfarben mehr oder weniger Hitze erzeugen. In zahlreichen Messreihen platzierte er Thermometer in den Prismenspektren und erkannte, dass ‚unter-halb‘ des sichtbaren roten Lichts die Temperatur deutlich anstieg. Er schlussfolgerte, dass es eine unsichtbare Form von Licht jenseits des sichtbaren Spektrums geben müsse – jenen Spektralbereich den wir heute als Infrarot (lat. ‚infra‘: unter-halb) oder Wärmestrahlung bezeichnen und der im Wellenlängenbereich von 780 nm bis 1 mm liegt (sichtbarer Bereich: ca. 400 bis 780 nm*).

Heute wissen wir, dass jedes – feste, flüssige, gasförmige – Objekt ‚Wärmestrahlung‘ bzw. ‚thermische Strahlung‘ emittiert: eine Strahlung, die am Ort ihrer Entstehung im thermischen Gleichgewicht mit Materie ist, das ‚heiße Eisen‘ also genauso wie der ‚kalte Kaffee‘ (im Alltag liegt das Strahlungsmaximum von ‚heißen Dingen‘ dabei im fühlbaren Infrarot, sodass der Begriff der ‚Wärmestrahlung‘ hier meist nur auf den Infraroten Bereich beschränkt wird).

Dass wir auf der Erde einen für uns lebensfreundlichen Anteil an elektromagnetischer Strahlung abbekommen, hängt sowohl von unserem Zentralgestirn, der Sonne, als auch von der irdischen Atmosphäre ab.

Mit einer Oberflächentemperatur von knapp 5.800 Kelvin bestrahlt uns die Sonne seit rund 4,5 Milliarden Jahren schön konstant mit einem ihrer Temperatur entsprechenden ‚Strahlungsmix‘ oder Spektrum (Abb. 2): das Maximum der Strahlung erreicht uns dabei in Form von sichtbarem Licht, Ultraviolett- und Infrarotstrahlung. Hätte die Sonne eine rund doppelt so hohe Oberflächentemperatur, würde das Maximum weit in den Ultraviolettbereich verschoben sein (was für die Entwicklung von Leben als eher ungünstig gilt) – bei niedrigeren Temperaturen verschiebt sich das Maximum in Richtung Infrarot-bereich (was dann auch schon wieder nachteilig sein kann: z.B. ist Wasser für Infrarotstrahlung stark absorbierend – bereits in geringer Wassertiefe herrscht demnach völlige Dunkelheit).

Abb.2: Spektrale Verteilung der Intensität der Strahlung eines Schwarzen Körpers (Planck-Spektrum), in Abhängigkeit von seiner Temperatur. Je niedriger die Temperatur, desto deutlicher verschiebt sich das Maximum in Richtung Infrarotbereich (0,8 μm bis 1000 μm). Und wie wir dann sehen, sehen wir nichts mehr (visueller: Bereich 0,4 – 0,8 μm*). Sonne mit T = 5778 K in Weiß dargestellt.
Credit: https://www.tec-science.com/de/thermodynamik-waermelehre/temperatur/plancksches-strahlungsgesetz/

Erreicht die von der Sonne ausgesandte Strahlung die Erde, sieht sie sich einer 8 bis 18 Kilometer dicken ‚Sonnenbrille‘ gegenüber: der Erdatmosphäre, an den Polen dünner, am Äquator deutlich . Die Stickstoff-Sauerstoff-Argon-und-ein-bisschen-Wasserdampt-Mischung absorbiert Teile des Sonnenspektrums, sodass auf dem Erdboden nur bestimmte Ausschnitte ankommen. Der Massenanteil von Wasserdampf an der Masse der Atmosphäre beträgt nur 0,25% – doch trägt Wasser zu großen Teilen zur Absorption von Sonnenstrahlung bei. So erreicht uns (abhängig von Höhe, Klimazone, Witterung…) kein ‚glattes‘ Spektrum, sondern ein reichlich ‚angeknabberter‘ Ausschnitt – der allerdings noch genug Strahlungsleistung enthält, sodass wir sehen, schwitzen  – und natürlich messen können (Abb. 3).

Abb.3: Die von der Sonne ausgesandte Strahlung wird von der Erdatmosphäre solcherart gefiltert, dass nur ein Teil des ultravioletten, sichtbaren und infraroten Lichts auf der Erde ankommt (terrestrische Sonnenstrahlung auf der Höhe Mitteleuropas, Luftmasse AM1,5). Die gelbe Kurve gibt das Strahlungsspektrums eines ‚Schwarzen Körpers‘, einer idealisierten Strahlungsquelle mit einer bestimmten Temperatur (hier in etwa die Oberflächentemperatur der Sonne) an, die orangefarbene Kurve die Strahlungsintensität in den höchsten Atmosphärenschichten der Erde (erdnaher Weltraum, AM0**).
Credit: https://de.wikipedia.org/wiki/Sonnenstrahlung

Und wie in der Astronomie so üblich, schweifen wir nur zu gerne in die Ferne, auch wenn die gute Sonne so nahe 8 Licht-minuten von uns entfernt liegt.

Die Infrarotastronomie ist ein Teilbereich der Astronomie, der die von Objekten ausgesandte Infrarotstrahlung nutzt. Das können neben kühlen und kalten kosmischen Objekten (massearme Sterne, Braune Zwerge, Molekülwolken) auch Gebiete sein, die sonst hinter Gas und Staub verborgen sind. Da die Wellenlänge des sichtbaren Lichts ungefähr die Größe von Staubpartikeln hat, wird es leicht von Staubteilchen ‚blockiert‘, bzw. gestreut. (Diese Staubpartikel haben nicht etwa die Größe, wie man sie im Kinderzimmer findet, vielmehr die Größe wie im Tabakrauch.) Die längerwellige Infrarotstrahlung kann dagegen die Staubansammlung ungestört passieren: sie erscheint IR-transparent und die Strahlung der dahinter-liegenden Objekte erreicht unsere Instrumente ganz ungehindert.

Die Instrumente ähneln dabei jenen der visuellen Astronomie (mit angepasstem Material: Infrarotlinsen bestehen z.B. aus Lithiumfluorid oder Bariumfluorid), nur müssen alle Komponenten stark gekühlt werden – da sie sonst selbst zu viel detektierbare, störende Wärmestrahlung aussenden würden.

Unter den Infrarotteleskopen gibt es dabei die ganz ‚Bodenständigen‘ wie auch die ‚Überflieger‘: erdgebundene Teleskope an möglichst hochgelegenen, trockenen Orten, hochfliegende Forschungsflugzeuge – und natürlich Weltraumteleskope, die sich um die absorbierende Erdatmosphäre gar keine Sorgen mehr machen müssen.

Unter den erdgebundenen Teleskopen hat es das Pärchen der beiden 1,3-Meter-Teleskope am Fred-Lawrence-Whipple-Observatorium (Arizona, USA) und am Cerro Tololo Inter-American Observatorium in Chile zu großer Bekanntheit gebracht, bzw. die Früchte ihrer Arbeit, der ‚Two Micron All Sky Survey‘ (2MASS). Die Durchmusterung des gesamten Himmels im Nah-Infrarotbereich lieferte sehr große, homogene Datensätze (Positionen, Helligkeiten) für rund 470 Millionen Punktquellen, 1,6 Millionen ausgedehnte Objekte wie Galaxien und einen digitalen Atlas des Himmels. Und ein Sahne-häubchen gab es noch obendrauf, oder besser: einen neuen, richtig nahen Nachbarn, die Canis-Major-Zwerggalaxie. Die irreguläre Galaxie mit gut einer Milliarde Sterne liegt direkt in der galaktischen Ebene und war somit gut verdeckt von interstellarer Materie – erst der Infrarot-Durchblick konnte hinter die Gas- und Staubmassen blicken und unseren neuen, alten Begleiter ’sichtbar‘ machen.

Einen atmosphärisch fast völlig ungetrübten Blick hatten seit den 1960ern auch die Piloten von Forschungsflugzeugen. Im Jahr 1968 nahm das ‚Lear Jet Observatory‘ der NASA (Abb. 4) seinen Beobachtungsbetrieb auf: der umgebaute Learjet 24 war für einstündige Beobachtungsflüge in knapp 14 Kilometern konzipiert, wobei das Infrarotteleskop an der Stelle eines herausgenommenen Kabinenfensters montiert war. Das gab dann zwar ein paar Abzüge im Flugkomfort (die Wissenschaftler mussten Atemmasken tragen) – dafür war das An-Bord-Unterhaltungsprogramm spektakulär. So konnten erstmalig Galaxien und staubige Sternentstehungsgebiete weitgehend ungestört beobachtet werden und es stellte sich – reichlich überraschend – heraus, dass Jupiter und Saturn mehr Energie abstrahlen, als sie von der Sonne absorbieren. Auch wenn der Mechanismus noch einige Fragen aufwirft, geht man heute davon aus, dass Jupiter diese Energie hauptsächlich durch die sogenannte Kelvin-Helmholtz-Kontraktion aufbringt, einem Mechanismus durch den gravitative Energie zur Gesamtbilanz von Himmelskörpern beiträgt. Oder anders gesagt: Jupiter schrumpelt ein wenig und die Gravitationsenergie wird in Wärme umgewandelt (heutige Schätzungen gehen von einer jährlichen Schrumpfung von 1 mm aus – bei einem Durchmesser von fast 140.000 km bleibt uns unser Gasnach-bar also noch ein Weilchen erhalten…).

Abb.4: Lear Jet Observatory: von außen und innen
Credit: NASA

Nachfolger des Lear Jet Observatory war das Kuiper Airborne Observatory, ein umgebauter Lockheed C-141A Militärtransporter, das Astronomen und Himmelskörper mit allerhand ‚Schmuckstücken‘ bedachte: so wurden 1977 bei der Bedeckung des Sterns SAO-158687 durch den Planeten Uranus die ersten Uranusringe entdeckt; man beobachtete ein dünne Atmosphäre um Pluto und eine bemerkenswerte Vielfalt an komplexen organischen Molekülen in den Weiten des Weltalls (auch hier gerne mit Ring – in Form von cyclischen Verbindungen bei kohlenstoffhaltigen organischen Molekülen)..

Abb. 5: Vergleich von Flugzeug – Teleskop – Mensch
 Credit: NASA/SOFIA/L. Proudfit

Und mit SOFIA, dem Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie, brachten NASA und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt dann ein Spiegelteleskop an Bord einer Boeing 747 in luftige Höhen. Mit SOFIA gelang Wissenschaftlern des Bonner Max-Planck-Instituts die erste Beobachtung der ‚Nummer 1‘, dem ersten Molekül aus zwei unterschiedlichen Elementen, das schon im frühen Universum entstehen konnte: Heliumhydrid. Diese sehr starke Säure wurde erstmalig 1925 im Labor produziert und in den 1950er Jahren gab es theoretische Berechnungen, dass die sogenannten ‚Vibrationsmoden‘ des Moleküls (Moleküle können durch eine Zufuhr von Energie, z.B. energiereichem Sternenlicht, bestimmte Bewegungen wie Schwingungen oder Vibrationen ausführen) im Infrarotbereich sichtbar sein müssten. Die scheue Supersäure machte es die nächsten Jahrzehnte noch richtig spannend – erst 2019 gab es dann den ersten endgültigen Nachweis von HeH+ im 3.000 Lichtjahre entfernten Nebel NGC 7027.

Und was kann auf einen solchen astronomischen Höhenflug noch folgen? Natürlich ein astronomischer Höherflug – in Form von Satelliten und Weltraumteleskopen!

IRAS, der InfraRed Astronomical Satellite, war das erste Weltraumteleskop für das mittlere bis ferne Infrarot, das mit einem Ritchey-Chrétin-Cassegrain-Teleskop mit Beryllium-Spiegel und 62 Infrarotdetektoren (das Ganze auf heliumfrische 2-5 Kelvin gekühlt) eine vollständige Durchmusterung des Himmels bei einer Winkelauflösung von einigen Bogenminuten durchführte. Der ‚IRAS-Catalogue of Point Sources‘ enthält dabei mehr als 300.000 Einträge. Hinzu kommen erste umfassende Beobachtungen von jungen Sternen in dichten Gas- und Staubwolken, von Kometen hinterlassene Staub-streifen, das neu entdeckte ‚Infrarot-Cirrus‘ (interstellarer Staub in Tabakrauch-Größe in der Milchstraße, der ein wölkchen-ähnliches IR-Leuchten erzeugt) sowie die beeindruckenden Infrarot-Galaxien. Letztere strahlen im Infrarotbereich des elektromagnetischen Spektrums mehr Energie ab als in allen anderen Wellenlängenbereichen zusammen. Ursache für die ‚Heizkörpergalaxien‘ sind eine große Anzahl junger Sterne, bei extrem leuchtkräftigen Exemplaren auch der Materieeinfall auf ein zentrales Schwarzes Loch. Eine der bekanntesten Infrarotgalaxien ist Messier 82 (Abb. 6), die ‚Zigarrengalaxie‘, die sich im visuellen Bereich als irreguläre Galaxie zu erkennen gibt – im nahen Infrarot jedoch mit schönen Spiralarmen wedelt und mit ausgeprägter Symmetrie erfreut.

Abb. 6: Heiße Zigarre: Die Spiralgalaxie Messier 82 (auch als ‚Zigarrengalaxie‘ bekannt) im Stern-bild Große Bärin als Infrarotaufnahme mit dem Spitzer Space Telescope. Eine gewaltige Anzahl neuer Sterne lässt M82 zu einer der hellsten bekannten Infrarotgalaxien werden. 
Credit: NASA/JPL-Caltech/C. Engelbracht (University of Arizona)

Wieder ein wenig weiser wurden wir weiterhin mit WISE, dem Wide-Field Infrared Survey Explorer der NASA, das ab Januar 2010 bis Februar 2011 den gesamten Himmel im mittleren Infrarotbereich durchmusterte. Nach Deaktivierung und im September 2013 als NEOWISE reaktiviert, legte man den Schwerpunkt auf Asteroiden des Hauptgürtels sowie auf kühle, leuchtschwache Sterne und Braune Zwerge. Und auf Nemesis.

Nemesis ist der Name eines hypothetischen, sehr leuchtschwachen Objekts (Stern oder Brauner Zwerg), das die Sonne in ein bis drei Lichtjahren umkreisen soll. Nemesis wurde als Ursache für die (mögliche) Periodizität von Kometeneinschlägen auf der Erde und dem damit verbundenen Artensterben herangezogen. Der chaosstiftende Mitreisende könnte den Theorien zufolge bei seinem Weg durch die Oort’sche Wolke die dortigen Objekte solcherart stören, dass sie in Richtung des inneren Sonnensystems abgelenkt werden und in Folge rund alle 27 Millionen Jahre auf die Erde einprasseln. Skeptiker des Ansatzes gaben schon früh zu bedenken, dass ein Himmelskörper mit einem solch ausgedehnten Orbit im Laufe der Jahrmillionen die Gezeitenkräfte anderer Himmelskörper zu spüren bekommen würde, was seine ordentliche Umlaufbahn kräftig ‚aus der Bahn‘ werfen würde. Und noch ein Argument sprach dagegen: man fand einfach keinen Begleiter. Vor der WISE-Durchmusterung konnte argumentiert werden, dass die Auflösung einfach nicht ausreichte, um den finsteren Randalierer zu entdecken. Doch mit WISE konnte man nun bis zu 10 Lichtjahre von der Sonne entfernte Objekte mit weniger als 150 Kelvin Oberflächentemperatur ausfindig machen – und fand nun endgültig: nichts. Keinen dunklen Gegenspieler der hellen Sonne und keinen Erzrivalen mit elliptischer Umlaufbahn.

Solcherart beruhigt können wir uns doch ganz entspannt zurücklehnen und die warmen Strahlen der Sonne genießen – des einzigen, schön zentral gelegenen Sterns in unserem Sonnensystem.

* 1 μm = 1000 nm also z. Bsp. 0,8 μm = 800 nm

** AM = Air Mass (deutsch Luftmasse) ist in der Astronomie ein relatives Maß für die Länge des Weges, den das Licht eines Himmelskörpers durch die Erdatmosphäre bis zum Erdboden bzw. zur beobachtenden Sternwarte zurücklegt. Der Begriff darf nicht mit dem in der Meteorologie verwendeten verwechselt werden (homogene großräumige Luftmassen in der Troposphäre).