Modellierung der Galaxienbildung

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter https://www.cfa.harvard.edu)

Bild einer computersimulierten milchstraßenähnlichen Galaxie. Astronomen haben zu früheren Berechnungsvorschriften Verbesserungen hinzugefügt, so daß sie jetzt Prozesse genauer erfassen können, die Staub, molekularen Wasserstoff und Rückkopplung von Strahlung aus Sternbildung einschließen; dies markiert einen bedeutenden Fortschritt in der Modellierung der Entwicklung von Galaxien.
Kannan et al. 2020

Die Bildung und Entwicklung von Galaxien zu verstehen ist schwierig, da neben der Gravitation viele unterschiedliche physikalische Prozesse beteiligt sind, unter ihnen Prozesse, die mit Sternentstehung und stellarer Strahlung, dem Abkühlen von Gas im interstellaren Medium, Rückkopplung mit akkretierenden Schwarzen Löchern, Magnetfeldern, kosmischer Strahlung und mehr verbunden sind. Astronomen haben Computersimulationen zur Galaxienbildung genutzt, um mit deren Hilfe das Zusammenspiel zwischen diesen Prozessen zu verstehen und Fragen in Angriff zu nehmen, die trotz Beobachtungen nicht beantwortet werden konnten, wie etwa die Frage, wie sich die ersten Galaxien im Universum bildeten. Simulationen der Galaxienbildung erfordern eine gleichzeitige und in sich widerspruchsfreie Modellierung all dieser verschiedenen Vorgänge, aber ein zentrales Problem liegt darin, daß jeder dieser Prozesse bei verschiedenen räumlichen Größenordnungen auftritt und es nahezu unmöglich macht, sie alle zur gleichen Zeit in geeigneter Art und Weise zu simulieren. Beispielsweise läuft das Einströmen von Gas aus dem intergalaktischen Medium in eine Galaxie über Millionen Lichtjahre ab, die Winde von Sternen haben Einfluß über Hunderte Lichtjahre, während die Rückkopplung der Akkretionsscheibe von einem Schwarzen Loch auf Größenordnungen von Tausendstel Lichtjahren auftritt.

Die CfA-Astronomen Rahul Kannan und Lars Hernquist haben mit ihren Kollegen einen neuen mathematischen Rahmen entwickelt, der all die beschriebenen Effekte in sich widerspruchsfrei enthält. Die Berechnungen nutzen einen neuen stellaren Rückkopplungsrahmen, genannt Stars and Multiphase Gas in Galaxies (SMUGGLE), welcher Prozesse einbindet, die Strahlung, Staub und molekulares Wasserstoffgas (die beherrschende Komponente des interstellaren Mediums) umfassen und zusätzlich thermische und chemische Modellierung einschließt. Die Rückkopplung von SMUGGLE ist in das in der Astrophysik bei hydrodynamischen Fragestellungen geläufige Berechnungsprogramm AREPO eingebunden, das die Entwicklung von Strukturen nachstellt und einen zusätzlichen Baustein besitzt, um Strahlungseffekte zu berücksichtigen.

Die Astronomen benutzen eine Simulation der Milchstraße, um ihre Ergebnisse zu testen und geben eine sehr gute Übereinstimmung mit den Beobachtungen bekannt. Sie stellen fest, daß die Rückkopplungseffekte von Strahlung auf Sternentstehungsraten recht maßvoll sind, zumindest bei einem Milchstraßenbeispiel, in dem sich Sterne mit einer Rate von nur zwei bis drei Sonnenmassen pro Jahr bilden. Auf der anderen Seite tut sich auf, daß die Strahlung von Sternen den Aufbau und das Aufheizen des interstellaren Mediums durch Einflussnahme auf die Verteilung von heißem, warmem und kaltem Material drastisch ändert, was von der einfachen Erwartung abweicht. Der Code leistet beim Simulieren der Verteilung der Staubtemperatur gute Arbeit, wonach warmer Staub (wie erwartet) in der Nähe der Sternentstehungsregionen liegt, der kalte Staub, vielleicht zehn Kelvin kalt, jedoch weiter entfernt verteilt ist. Der Erfolg dieser neuen Simulationen motiviert die Autoren, ihre Arbeit auf Simulationen mit noch feinerer räumlicher Auflösung auszuweiten.

Literatur:

„Simulating the Interstellar Medium of Galaxies with Radiative Transfer, Non-equilibrium Thermochemistry, and Dust“

Rahul Kannan, Federico Marinacci, Mark Vogelsberger, Laura V. Sales, Paul Torrey, Volker Springel, and Lars Hernquist

Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 499, 5732, 2020

und

ArXiv: 1910.14041v1 [astro-ph.GA] 30 Oct 2019