Messung der Struktur eines gewaltigen solaren Flares

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)

Eine ultraviolette Aufnahme eines gewaltigen solaren Flares vom 10.09.2017, gesehen vom SDO, dem Solar Dynamics Observatory. Weiße Konturlinien zeigen aus Modellen abgeleitete Magnetfeldlinien; roten Regionen zeigen hochaufgelöste Mikrowellenaufnahmen vom Expanded Owens Valley Solar Array (EOVSA), das das schnell aufsteigende, ballonförmige, ausbrechende heiße Gas (der Maßstab zeigt die beobachteten Frequenzen) verrät. Diese räumlich hochaufgelösten Aufnahmen haben es Astronomen ermöglicht, ausgezeichnet zu bestätigen, daß diese Regionen die vorrangigen Stellen zur Beschleunigung und Kanalisierung der sich in den interplanetaren Raum schnell bewegenden Elektronen sind.
NSF, NASA, and Chen et al. 2020

Die Korona der Sonne, ihre heiße äußerste Schicht, hat eine Temperatur von über eine Million Kelvin und erzeugt einen Wind aus geladenen Teilchen, die jedes Jahr annähernd ein Millionstel der Masse des Mondes davontragen. Es ist bekannt, daß kurzlebige Ereignisse große Ausbrüche an hochenergetischen geladenen Teilchen in den Weltraum verursachen, von denen einige die Erde beschießen, Polarlichter hervorrufen und gelegentlich sogar die globale Kommunikation unterbrechen. Eine Frage, die Astronomen schon lange hat rätseln lassen, ist, wie die Sonne diese hochenergetischen Teilchen produziert.

Flares oder andere Arten dynamischer Ereignisse sollen Schlüsselmechanismen sein. Das heiße Gas ist ionisiert und erzeugt eine tieferliegende Schicht an zirkulierendem Strom, der gewaltige Magnetfeldschleifen erzeugt. Wenn diese Schleifen verdrillen und aufbrechen, können sie abrupt wiederholt und stoßartig geladene Teilchen auswerfen. Im üblichen Bild solarer Flares treiben großräumige Bewegungen diese Aktivität an, aber wo und wie die Energie lokal freigesetzt wird und wie die Teilchen beschleunigt werden, blieb unklar, da die magnetischen Eigenschaften der großräumigen Stromschicht nicht auf Größenordnungen gemessen wurde, die klein genug sind, um den Bereichen der Flare-Aktivität zu entsprechen.

Die CfA-Astronomen Chengcai Shen und Katharine Reeves sowie ein Team ihrer Mitarbeiter berichten über Beobachtungen der räumlich aufgelösten Region eines Magnetfeldes und durch Flares ausgestoßene Elektronen. Das Team nutzte die dreizehn Antennen des Expanded Owens Valley Solar Array (EOVSA) und seiner Mikrowellen-Abbildungstechnik, um den gewaltigen solaren Flare vom 10. September 2017 zu beobachten. Während sich das Geschehen entwickelte, sahen sie einen schnell aufsteigenden, ballonförmigen dunklen Hohlraum in Übereinstimmung mit verdrillten Magnetfeldlinien, die aufsteigen, aufbrechen und Elektronen ausstoßen; dies war im Wesentlichen entlang der Achse der Feldlinien zu beobachten. Die Wissenschaftler konnten die Einzelheiten dieser Struktur modellieren und durch Abschätzen der Magnetfeldstärke und Geschwindigkeit des Plasmastroms bestimmten sie, daß dieser eine große Flare alleine während des wenige Minuten andauernden Maximums ungefähr 0.02% der Energie der gesamten Sonne freisetzte. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, daß diese Art räumlicher Strukturen in dem Feld die wichtigsten Stellen zur Beschleunigung und Kanalisierung der sich schnell bewegenden Elektronen in den interplanetaren Raum sind und belegen die Leistungsfähigkeit dieser neuen, räumlich auflösenden Abbildungstechnik.

Literatur:

„Measurement of Magnetic Field and Relativistic Electrons Along a Solar Flare Current Sheet“

Bin Chen, Chengcai Shen, Dale E. Gary, Katharine K. Reeves, Gregory D. Fleishman, Sijie Yu, Fan Guo, Sam Krucker, Jun Lin, Gelu Nita, and Xiangliang Kong

Nature Astronomy (in press) 2020

oder

arXiv:2005.12757v1 [astro-ph.SR] 26 May 2020