Massereiche junge Sterne in der Frühphase ihrer Entstehung

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter https://pweb.cfa.harvard.edu/news)

Ein Infrarotbild einer Infrarot-Dunkelwolke (IRDC), aufgenommen von der IRAC-Kamera am Spitzer-Weltraum-Teleskop. Das dunkle Filament aus Material ist sehr kalt, reich an Molekülen und ein möglicher Geburtsort für neue Sterne. Eine Untersuchung sehr kalter IRDCs im Bereich der Ferninfrarot- und Millimeterwellen hat Beweise für die frühen Stadien der Sternentstehung erbracht und mehrere theoretische Szenarien gestützt.
S. Carey (SSC/Caltech), JPL-Caltech, NASA

Infrarot-Dunkelwolken (infrared dark clouds = IRDCs) sind dunkle Flecken aus kaltem Staub und Gas am Himmel, die sich von dem hellen, diffusen Infrarotglühen des warmen Staubs in unserer Galaxis abheben. IRDCs sind massereich, kalt und reich an den Molekülen, die benötigt werden, um den Gravitationskollaps von Gas zu Sternen zu erleichtern, und daher sind IRDCs natürliche Orte zur Untersuchung der Entstehung von Sternen. Die genauen Prozesse, die bei der Entstehung massereicher Sterne (mit mehr als einigen Sonnenmassen) ablaufen, sind auch nach jahrzehntelangen Untersuchungen noch immer unklar, auch weil diese Sterne in der Regel relativ schnell entstehen und von einer besonders intensiven Strahlung begleitet werden. Eines der theoretischen Szenarien besagt, daß Turbulenzen im Gas das Material vor einem Kollaps bewahren, bis der Kern massereich genug ist, um diese Turbulenzen zu überwinden; ein anderes Szenario geht davon aus, daß Sterne mit geringer Masse zuerst entstehen und durch Akkretion zu massereicheren Sternen heranwachsen.

Das Herschel-Weltraum-Teleskop durchmusterte weite Teile des Himmels bei fünf Ferninfrarot-Wellenlängen (die alle mehr als einhundertmal länger sind als die optischen Wellenlängen), wo sehr kalter interstellarer Staub – nur ein paar Dutzend Grad Kelvin – am stärksten strahlt. Viele IRDCs haben Regionen, die so kalt sind, daß die Herschel-Detektoren nicht empfindlich genug waren, um sie in der kürzesten dieser Banden, 70 Mikrometer, zu sehen. CfA-Astronom Qizhou Zhang war Mitglied eines Teams, das mit dem ALMA-Millimeter-Array dunkle 70-Mikrometer-Regionen untersuchte, in denen junge, massereiche Klumpen zu sehen waren. Die Studie untersuchte ein Dutzend IRDCs, und die ersten Ergebnisse zeigten, daß etwa die Hälfte der Kerne kleiner als eine Sonnenmasse war – und keine Kerne mit mehr als 30 Sonnenmassen gefunden wurden.

Die IRDC G023.477+0.114, eine der zwölf Wolken der Durchmusterung, liegt rund sechzehntausend Lichtjahre entfernt. Sie enthält etwa eintausend Sonnenmassen an Material und wurde ausgewählt, da sie als massereiche, sternlose Wolke mit dem Potenzial zur Bildung massereicher Sterne angesehen wurde. Spektroskopische Messungen ergaben, daß das dichte Gas nicht turbulent war, was darauf hindeutet, daß Turbulenz (zumindest in diesem Fall) kein Faktor ist, der die Kerne vor dem Kollaps zu Sternen schützt. Eine gründliche Analyse der neuen ALMA-Messungen mit einer räumlichen Auflösung von etwa einem Zehntel eines Lichtjahres ergab in der Struktur elf Kerne, deren Massen zwischen einer und zwanzig Sonnenmassen liegen. Bei den Beobachtungen wurden auch vier gebündelte Abströmungen in den Bildern der Emissionslinien von Molekülen entdeckt, ein Zeichen dafür, daß die Sternentstehung bereits begonnen hat, selbst in diesem frühen Entwicklungsstadium. Somit kann dieser IRDC nicht mehr von prästellarem Charakter angesehen werden. Die Astronomen verglichen die beiden wichtigsten theoretischen Szenarien für die Sternentstehung mit den beobachteten Eigenschaften der elf Kerne und fanden Beispiele, die mit einer oder sogar beiden Alternativen übereinstimmten. Die Wissenschaftler stellen jedoch klar, daß diese Stichprobe noch zu klein ist, um eindeutige Schlußfolgerungen zu ziehen, daß aber die Auswertung der Kerne in der gesamten Stichprobe an IRCDs aus der 70-Mikrometer-Dunkelstudie am Ende ausreichende statistische Daten liefern wird, um die Modelle einzuschränken.

Literatur:

„The ALMA Survey of 70μm Dark High-mass Clumps in Early Stages (ASHES). IV. Star Formation Signatures in G023.477“

Kaho Morii, Patricio Sanhueza, Fumitaka Nakamura, James M. Jackson, Shanghuo Li, Henrik Beuther, Qizhou Zhang, Siyi Feng, Daniel Tafoya, Andrés E. Guzmán, Natsuko Izumi, Takeshi Sakai, Xing Lu, Ken’ichi Tatematsu, Satoshi Ohashi, Andrea Silva, Fernando A. Olguin, and Yanett Contreras

The Astrophysical Journal 923, 147, 2021

oder

arXiv:1909.07985v1 [astro-ph.GA] 17 Sep 2019