Tief eingebettete aktive galaktische Kerne

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter https://pweb.cfa.harvard.edu/news)

Ein Hubble-Bild im nahen Infrarot der ultraleuchtkräftigen verschmelzenden Galaxie Arp220. Die Galaxie gehört zur Klasse der eingebetteten galaktischen Kerne, deren innere Kernregionen extrem durch Staub verdeckt und für optisches Licht völlig undurchsichtig sind. Die Astronomen nutzten die ALMA-Anlage, um die Struktur der verborgenen Kernregion zu untersuchen.
R. Thompson (U. Arizona) et al., NICMOS, HST, NASA

Die leuchtkräftigsten Galaxien im Universum sind mehr als tausendmal heller als unsere Milchstraße, aber im optischen Bereich sind sie relativ schwach. Der größte Teil ihrer Strahlung wird im Infraroten von Staub emittiert, der durch massive Starburst-Aktivitäten und/oder Akkretion von Material auf einen galaktischen Kern mit einem supermassereichen Schwarzen Loch (einem AGN, einem aktiven galaktischen Kern) aufgeheizt wurde. Darüber hinaus entsteht der Großteil der enormen Leuchtkraft typischerweise in den zentralen, nur Hunderte von Lichtjahren großen Kerngebieten. Hier ist der Staub besonders dicht, und selbst Röntgenstrahlung wird normalerweise absorbiert, bevor sie entweichen und entdeckt werden kann. All dieses undurchsichtige Material macht es den Astronomen sehr schwer, Antworten auf die wichtigsten Fragen zu diesen Galaxien zu finden, darunter die Details zu den Mechanismen, die die Energie erzeugen, und den Bedingungen, die ihr ultrahelles Verhalten ausgelöst haben.

Zwei leuchtkräftige Galaxien, Arp 220 und NGC 4418, besitzen Kernregionen, die zu den am stärksten verdunkelten gehören, die man kennt, und zu einer Klasse gehören, die als eingebettete galaktische Kerne bezeichnet wird. Radiobeobachtungen hatten zum Vorschein gebracht, daß Arp 220 zwei Kerne hat, was darauf hindeutet, daß sich Arp 220 inmitten einer Verschmelzung zweier Galaxien befand; Verschmelzung soll eine der Hauptursachen für die Entstehung ultraleuchtkräftiger Systeme sein. Die andere Galaxie, NGC4418, weist keine Anzeichen für zwei Kerne auf, könnte sich aber in einem späteren Stadium der Entwicklung befinden, nachdem die beide Galaxien miteinander verschmolzen sind. Man geht davon aus, daß die intensivste Phase der Starburst- und AGN-Aktivität nur 100 Millionen Jahre andauert, aber es kann zu wiederkehrenden Aktivitäten kommen, und diese beiden Galaxien könnten die beiden Situationen verkörpern. Astronomen versuchen nicht nur, den Ursprung ultraleuchtkräftiger Galaxien zu verstehen, sondern wollen auch die extremen physikalischen Prozesse in den Kernen untersuchen, wie den Zufluß von akkretierendem Material und den Ausstoß von Jets aus dem AGN.

CfA-Astronom David Wilner und ein Team von Kollegen nutzten die ALMA-Anlage, um die Kernregionen von Arp 220 und NGC 4418 bei Millimeter-Wellenlängen mit bisher unerreichter Empfindlichkeit und räumlicher Auflösung zu untersuchen. Sie lösten die Kernregionen der Galaxien auf und stellten fest, daß jede ungefähr 60 – 400 Lichtjahre groß ist und eine komplexe, leicht längliche Form aufweist, die darauf schließen läßt, daß eine Rotation des Materials für die Morphologie verantwortlich ist. Außerdem konnten sie die Form einer bipolaren Abströmung aus einem der Kerne sowie die Neigung der drei zirkumnuklearen Scheiben (in allen Fällen etwa 60 Grad) bestimmen; sie konnten darüber hinaus einen Ausdruck ableiten, der die spektrale Form des Millimeter-Kontinuums mit der gesamten Kernverdunkelung in Beziehung setzt, was die Identifizierung weiterer eingebetteter galaktischer Kerne erheblich erleichtern wird. Das Ergebnis unterstreicht den be-trächtlichen Nutzen der Submillimeter- und Millimeterwellen-Kontinuumsstrahlung verdunkelter Kerne bei der Modellierung der Natur und Entwicklung leuchtkräftiger Galaxien. In einer wissenschaftlichen Publikation stellt das Team die spektralen Ergebnisse seiner Beobachtungen vor.

Literatur:

„Deeply Buried Nuclei in the Infrared-luminous Galaxies NGC 4418 and Arp 220. I. ALMA Observations at λ = 1.4–0.4mm and Continuum Analysis“

Kazushi Sakamoto, Eduardo González-Alfonso, Sergio Martín, David J. Wilner, Susanne Aalto, Aaron S. Evans, and Nanase Harada

The Astrophysical Journal 923, 206, 2021

oder

arXiv:2109.06695v1 [astro-ph.GA] 14 Sep 2021