Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
Ungefähr fünfundachtzig Prozent der Materie des Universums liegen in Form Dunkler Materie vor, deren Natur ein Rätsel bleibt. Die restliche Materie im Universum ist von der Art, wie man sie in Atomen findet. Astronomen, die sich mit der Entwicklung von Galaxien im Universum beschäftigen, sehen, daß Dunkle Materie Schwerkraft besitzt und, da überreichlich vorhanden, die Bildung von großräumigen Strukturen im Universum, wie Galaxiencluster, bestimmt. Unnötig zu erwähnen, daß die direkte Beobachtung der Dunklen Materie schwierig ist und sie zeigt keine Zeichen dafür, mit sich selbst oder anderer Materie zu interagieren, außer über die Gravitation. Doch glücklicherweise kann sie durch Modellieren empfindlicher Beobachtungen der Verteilung von Galaxien über eine Reihe von Größenordnungen aufgespürt werden.
Im Allgemeinen finden sich Galaxien in den Zentren gewaltiger Klumpen aus Dunkler Materie, die man Halos nennt, da sie die Galaxiencluster umgeben. Die durch Halos aus Dunkler Materie verursachten Gravitationslinseneffekte auf entferntere Galaxien bieten eine ganz besondere und leistungsstarke Untersuchungsmethode zur genauen Verteilung von Dunkler Materie. Der starke Gravitationslinseneffekt bringt äußerst deformierte, vergrößerte und mitunter mehrere Bilder einer einzelnen Quelle hervor; der sogenannte schwache Linseneffekt liefert mäßige, trotzdem systematisch verzerrte Formen von Hintergrundgalaxien, die noch dazu starke Beschränkungen über die Verteilung von Dunkler Materie innerhalb der Cluster liefern kann.
Die CfA-Astronomen Annalisa Pillepich und Lars Hernquist verglichen mit ihren Kollegen die auf Hubble-Aufnahmen des Galaxienclusters Abell 2744 und zweier weiterer Cluster sichtbaren gravitativen Verzerrungen mit den Befunden aus Computersimulationen von Halos aus Dunkler Materie. Sie stellten in Übereinstimmung mit wichtigen Vorhersagen aus dem herkömmlichen Bild Dunkler Materie fest, daß die genauen galaktischen Substrukturen von der Verteilung der Dunklen Materie im Halo abhängen und daß die Gesamtmasse und das Licht sich gegenseitig wiederspiegeln. Sie fanden aber auch einige Unstimmigkeiten: die vom Mittelpunkt des Clusters ausgehende, radiale Verteilung der Dunklen Materie unterscheidet sich von derjenigen, die von Simulationen vorhergesagt wurden. Zudem sind die Auswirkungen von tidal stripping (Materieentzug durch Gezeiten) und Reibung in Galaxien kleiner als erwartet, aber die Forscher sind der Auffassung, daß diese Probleme mit genaueren Simulationen gelöst werden könnten. Insgesamt jedoch liefert das Standardmodell der Dunklen Materie erstklassige und beruhigende Resultate bei der Beschreibung der Clusterbildung von Galaxien.
Literatur:
“Mapping Substructure in the HST Frontier Fields Cluster Lenses and in Cosmological Simulations”
Priyamvada Natarajan, Urmila Chadayammuri, Mathilde Jauzac, Johan Richard, Jean-Paul Kneib, Harald Ebeling, Fangzhou Jiang, Frank van den Bosch, Marceau Limousin, Eric Jullo, Hakim Atek, Annalisa Pillepich, Cristina Popa, Federico Marinacci, Lars Hernquist, Massimo Meneghetti, and Mark Vogelsberger
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 468, 1962–1980 (2017)