Kalte Molekülwolken als Detektoren der kosmischen Strahlung

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter https://pweb.cfa.harvard.edu/news)

Ein aus sichtbarem und nahinfrarotem Licht zusammengesetztes Bild der interstellaren Dunkelwolke Barnard 68. Das in ihrem Inneren gelegene Gas und der Staub sind sehr kalt, kann aber durch kosmische Strahlung erwärmt werden. Eine neue Untersuchung sagt voraus, daß die im Infraroten gelegenen Emissionslinien von molekularem Wasserstoff in Dunkelwolken wichtige Aussagen zur kosmischen Strahlung im interstellaren Medium liefern.
ESO; VLT/ANTU and FORS 1

Das ionisierte Gas in einer interstellaren Molekülwolke spielt eine wichtige Rolle bei deren Entwicklung, hilft, Erwärmungs- und Abkühlungsprozesse und die Chemie und die Molekülbildung zu regulieren und koppelt das Gas an Magnetfelder. Meist liefert Sternlicht dafür ultraviolette Strahlung, aber diese ist zum größten Teil auf lokale Gebiete nahe massereicher Sterne begrenzt. Ein Großteil des Gases in der Milchstraße wird von kosmischer Strahlung mit niedriger Energie, sich schnell bewegende Protonen oder Atomkerne, ionisiert. Beobachtungen direkt von der Erde aus können wegen der Atmosphäre nur die hochenergetische kosmische Strahlung untersuchen, aber in den letzten Jahrzehnten ist die Gesamtionisationsrate der kosmischen Strahlung indirekt an Hand von Beobachtungen diagnostischer Moleküle und Ionen abgeschätzt worden. Solche Werte stützen sich dabei auf einige ungenaue Schätzungen, wie die Häufigkeiten von Sekundärteilchen, Gasdichten, die Raten chemischer Reaktionen und nicht zuletzt die Menge der vorherrschenden Molekülspezies, dem molekularen Wasserstoff.

Die Masse von Molekülwolken wird von molekularem Wasserstoff bestimmt. Das Gas in diesen Wolken ist sehr kalt, vielleicht nur wenige zehn Grad über dem absoluten Nullpunkt, und die Wasserstoffmoleküle sind in ihrem niedrigsten Anregungszustand. Schockwellen, die sich durch das Gas bewegen, können die Moleküle zeitweilig erwärmen; die Strahlung, die sie während der Abkühlungsphase abgeben können, ist seit Jahrzehnten beobachtet worden. Auch ultraviolettes Licht kann das Gas dazu anregen, zu strahlen. Schockwellen sind jedoch selten und ultraviolette Strahlung kann nicht in die Tiefen dieser kalten Wolken eindringen. Kosmische Strahlung kann die Wolken durchdringen und man erwartet deshalb, daß sie die Ionisierung und Anregung des molekularen Wasserstoffs bestimmt.

CfA-Astronom Shmuel Bialy hat die Emissionslinien von molekularem Wasserstoff in kalten Wolken, angeregt durch kosmische Strahlung, modelliert. Er stellt fest, daß die hellste Strahlung von Linien mit Wellenlängen im nahen Infrarot kommt, die sich aus der Vibration und Rotation der Moleküle ergibt. Unter Verwendung der Verhältnisse der Linienstärken kann er bestimmen, ob die Moleküle durch kosmische Strahlung angeregt wurden und deren Intensität ermitteln. Beobachtungen dieser Linien in Wolken in der gesamten Galaxis könnten aufklären, wie effektiv die kosmische Strahlung die Wolken durchdringt und die Wolkenbildungsprozesse begrenzt und wie stark sich der Fluß der kosmischen Strahlung zwischen Standorten in der Galaxis ändert.

Literatur:

„Cold Clouds as Cosmic-Ray Detectors”

Shmuel Bialy

Communications Physics 3:32, 2020

oder

arXiv:1910.12953v4 [astro-ph.GA] 8 Jan 2020