Fütterung des Schwarzen Lochs in einem galaktischen Kern

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter https://www.cfa.harvard.edu)

Eine Aufnahme im nahen Infrarot der leuchtkräftigen Balkenspiralgalaxie ESO 320-G030 durch Hubble. Infrarotbeobachtungen und Modellierungen von mehr als einem Dutzend verschiedener Moleküle in ihrem Zentrum zeigen gewaltige Einströmungen an Gas in eine Kernregion, die einen Ausbruch an Sternentstehung erlebt und von drei Bestandteilen beherrscht wird: einem kleinen, warmen Kern, einer Scheibe und einer äußeren Hülle.
ASA / HST; Alonso-Herrero et al.

Ein galaktischer Balken ist die annähernd gerade Struktur aus Sternen und Gas, die sich durch den inneren Bereich einiger Galaxien zieht. Der Balken reicht von einem inneren Spiralarm über die Kernregion zu einem Arm auf der anderen Seite. In ungefähr der Hälfte der Spiralgalaxien, darunter die Milchstraße, gefunden, sollen Balken große Mengen an Gas in die Kernregionen strömen lassen, mit gewichtigen Folgen für die Region, darunter Ausbrüche an Sternentstehung und ein schnelles Wachstum der supermassereichen Schwarzen Löcher im Zentrum. Beispielsweise sind Quasare als ein Ergebnis dieser Art von Aktivität vorgeschlagen worden. Allerdings begrenzt letztendlich die Rückkopplung mit derart energiereichen Ereignissen (Supernovae zum Beispiel) den Zustrom und verzögert das Wachstum des Schwarzen Lochs. Wie Balken und Gas Zuflüsse formen und entwickeln, ist nicht gut verstanden – Galaxienverschmelzungen sollen eine Rolle spielen – auch nicht die physikalischen Eigenschaften von galaktischen Kernen, die immer noch lebhaft Gas ansammeln. Ein ernsthaftes Problem besteht darin, daß Staub in dem dichten Material um den Kern herum für optische Strahlung undurchlässig ist und, zum Teil von der Geometrie abhängig, Beobachtungen verschleiern kann. Messungen bei infraroten und Submillimeter-Wellenlängen, die durch den Staub hindurchblicken können, bieten den besten Weg an.

Die leuchtkräftige Balkenspiralgalaxie ESO 320-G030 ist ungefähr einhundertsechzig Millionen Lichtjahre entfernt und zeigt keine Anhaltspunkte, in eine Verschmelzung verwickelt gewesen zu sein und trotzdem besitzt diese Galaxie einen fast sechzigtausend Lichtjahre langen Balken, sowie einen zweiten Balken, der ungefähr zehn Mal kleiner ist und senkrecht zum ersten Balken steht. Diese Galaxie zeigt hohe Sternbildungsaktivität in der Kernregion, aber keine klaren Beweise für auf einen aktiven Kern, vielleicht auf Grund der hohen Extinktion. In der Galaxie ist zudem einströmendes Gas (und Hinweise auf gleichzeitige Abströmungen) festzustellen, was sie zu einem nahe gelegenen Prototyp von isolierten, sich schnell entwickelnden Galaxien macht, die durch ihre Balken angetrieben sind.

Die CfA-Astronomen Eduardo Gonzalez-Alfonso, Matt Ashby und Howard Smith leiteten ein Programm mit dem Ziel, dieses Objekt mit Herschel im fernen Infrarot mittels Spektroskopie zu untersuchen und zudem das Gas mit ALMA im Submillimeterbereich zu beobachten. Durch sorgfältiges Modellieren der Gestalt von Absorptionslinien des Wassers und verschiedener seiner Ionen- sowie Isotopenvarianten im Infraroten, dazu fünfzehn weitere Moleküle wie OH, NH und Ammoniak, kommen sie zu dem Ergebnis, daß im Kern ein Sternentstehungsausbruch ungefähr zwanzig Sonnenmassen pro Jahr zu Sternen umsetzt und durch Gaseinströmung von kurzer Dauer (zwanzig Millionen Jahre) aufrecht erhalten wird. Sie finden Indizien für drei Strukturkomponenten: eine von der einen bis zur anderen Seite etwa fünfhundert Lichtjahre messende Hülle, eine dichte zirkumnukleare Scheibe mit einem Radius von ungefähr hundertzwanzig Lichtjahren sowie einen kompakten Kern oder Torus mit einer Größe von vierzig Lichtjahren, der durch seinen sehr warmen Staub gekennzeichnet ist. Diese drei Komponenten sind für circa 70% der Leuchtkraft der Galaxie verantwortlich. Auch wenn ESO 320-G030 ein ausgefallenes Beispiel ist, sowohl hell als auch nah gelegen, legen die Ergebnisse nahe, daß ähnlich komplexe Strukturen, mit Zu- und Abflüssen, in leuchtkräftigen Galaxien im ferneren Universum weit verbreitet sein können, darunter auch solche während ihrer aktivsten Sternentstehungsepoche.

Literatur:

„A Proto-Pseudobulge in ESO 320-G030 Fed by a Massive Molecular Inflow Driven by a Nuclear Bar“

E. González-Alfonso, M. Pereira-Santaella, J. Fischer, S. García-Burillo, C. Yang, A. Alonso-Herrero, L. Colina, M. L. N. Ashby, H. A. Smith, F. Rico-Villas, J. Martín-Pintado, S. Cazzoli, and K. P. Stewart

Astronomy & Astrophysics, 2020 (in press)

oder

arXiv:2011.00347v2 [astro-ph.GA] 4 Nov 2020