Ein erdähnlicher stellarer Wind für Proxima Centauri c

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter https://www.cfa.harvard.edu)

Eine optische Aufnahme des Sternfeldes um Proxima Cen. Die beiden hellen Sterne sind (links) Alpha und (rechts) Beta Centauri. Proxima Centauri, der zur Sonne nächstgelegene Stern, ist der lichtschwache rote Punkt innerhalb des roten Kreises. Ein zweiter Planet, Proxima c, wurde kürzlich entdeckt und umkreist Proxima Cen alle 5.3 Jahre. Astronomen, welche die voraussichtlichen Folgen des Sternwinds auf den Planeten berechnen, kommen zu dem Ergebnis, daß eine mögliche Atmosphäre erdähnliche Bedingungen erfahren würde.
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Proxima Centauri ist der zur Sonne am nächsten gelegene Stern, und sein Planet, Proxima Cen b („Proxima b”) liegt in dessen lebensfreundlicher Zone (der Abstandsbereich, in dem Wasser an der Oberfläche flüssig sein kann) und macht den Planeten zu einem Hauptziel für Exoplaneten-Charakterisierung. Der Stern ist ein M-Zwerg mit einer Masse von nur 0.12 Sonnenmassen und einer effektiven Oberflächentemperatur von ungefähr 3000 Kelvin. Die vergleichsweise niedrige Oberflächentemperatur bedeutet, daß seine lebensfreundlichen Zone sehr dicht am Stern liegt und Proxima b, mit seiner Masse von ungefähr 1.2 Erdmassen, ungefähr zwanzig Mal näher am Stern ist als die Erde an der Sonne, und ihn in nur 11.2 Tagen umkreist. So nah an seinem Stern ist Proxima b (wie alle Exoplaneten in habitablen Zonen um M-Zwerge) anfällig für stellare Ausbrüche, Winde, Röntgenstrahlung und andere Arten von Aktivität, die seine Atmosphäre und Möglichkeiten für Leben stören könnten. Diese Aktivitäten sind an die starken Magnetfelder der M-Zwerge gebunden und bleiben bei Zwergsternen über viel längere Zeiträume aktiv als bei Sternen höherer Masse wie die Sonne, so daß die Gesamtbelastungen ungleich größer sind. All diese Fragen sind für Proxima b eingehend erforscht worden; eine Folgerung ist beispielsweise, daß er vermutlich Winddrücken unterliegt, die zehntausend Mal größer sind als der Winddruck, den die Sonne auf die Erde ausübt.

Vor kurzem ist ein neuer Planet im System Proxima Cen entdeckt worden, Proxima c, nachdem Astronomen geringe Änderungen in der Bahngeschwindigkeit von Proxima b feststellten (da er sich nicht vor dem Stern vorbeibewegt, gelang die Entdeckung mit der Radialgeschwindigkeitsmethode und nicht durch die Lichtkurve des Sterns). Sich an die Entdeckung von Proxima c anschließende Untersuchungen zeigten, daß er ein Planet von ~ sechs Erdmassen ist und den Stern bei 1.44 AU alle 5.3 Jahre umkreist – und somit viel weiter von dem Stern entfernt ist als Proxima b. (Es gibt sogar Hinweise auf die Anwesenheit eines dritten Planeten.) Die Astronomen Jeremy Drake und Cecilia Garraffo vom CfA und ihre Kollegen untersuchten die Folgen, welche die Sternaktivität auf die Atmosphäre von Proxima c haben könnte.

Die Wissenschaftler stellten die umfangreichste numerische Simulation der Weltraumumgebung des Systems Proxima Cen auf, die bis heute durchgeführt worden ist, darunter Modelle für die Sternkorona und realistische Anordnungen der Magnetfelder an der Oberfläche während der aktiven Zustände im Minimum und Maximum des Sterns. Ihre Resultate weisen darauf hin, daß Proxima c erdähnliche Bedingungen hat, zumindest bezogen auf die Auswirkungen des stellaren Winds. Es ist nicht bekannt, ob Proxima c tatsächlich eine Atmosphäre besitzt oder nicht, aber die neuen Modelle zeigen, daß die Bedingungen nicht übermäßig zerstörerisch sind und günstig für das Fortbestehen jeglicher Atmosphäre, die dort vorkommt.

Literatur:

„An Earth-like Stellar Wind Environment for Proxima Centauri c“

Julián D. Alvarado-Gómez, Jeremy J. Drake, Cecilia Garraffo, Ofer Cohen, Rakesh K. Yadav, Katja Poppenhaeger, and Sofia P. Moschou

The Astrophysical Journal Letters 902, L9, 2020

oder

arXiv:2009.07266v1 [astro-ph.SR] 15 Sep 2020