(Originalartikel unter https://www.astrochymist.org)
2014 wurde die organische Verbindung Ethylmercaptan (CH3CH2SH), auch als Ethanthiol bekannt, von Kolesniková et al. mit ihren neuen experimentellen Werten für diese Verbindung in Daten vorliegender Durchmusterungen erkannt. Tercero et al. durchsuchten mit dem 30-Meter-Radioteleskop des IRAM einige spektrale Fenster in Orion KL. Über 14.000 Spektrallinien wurden bei der Durchmusterung entdeckt, von denen damals etwa 4.000 keinem bekannten Molekül zugeordnet werden konnten. Neue Messungen im Labor von Molekülen wie Ethylmercaptan haben es ermöglicht, daß viele dieser unbekannten Linien zugewiesen werden können.
Ethylmercaptan besitzt zwei Strukturtypen, die man Rotamere nennt. Wenn die –SH-Thiolgruppe des Moleküls sich um 360 Grad dreht, durchläuft sie drei Energieminima. Am stabilsten sind die Minima zweier gleichwertiger, spiegelbildlicher gauche-Konformere. Das dritte, instabilere Minimum gilt für das trans-Konformer, das auftritt, wenn das H-Atom der SH-Gruppe von der C-C-S-Kette des Moleküls wegsteht (siehe Animation links). Spektrale Signaturen wurden sowohl für die gauche- als auch für das trans-Konformer bei der oben genannten Untersuchung gefunden, doch gibt es belastbarere Hinweise darauf, daß das gauche-Konformer an Stelle des trans-Konformers in Orion KL vorkommt. 77 Linien aus der Durchmusterung decken sich mit dem Spektrum von gauche-Ethylmercaptan.
Das der nächste chemische Verwandte von Ethylmercaptan, Methylmercaptan, im All vorkommt, wurde 1979 erstmals berichtet. Beide Verbindungen werden brennbaren Kohlenwasserstoffen wegen ihres starken und unverwechselbaren Geruchs als Warnstoff bei Undichtigkeiten beigemischt; Ethylmercaptan ist der vorrangige Geruchsstoff, der Propan und Butan zugesetzt wird.