Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)
Die Sonne strahlt mit einer Oberflächentemperatur von etwa 5500 Grad Celsius, aber ihre heiße äußere Schicht, die Korona, hat eine Temperatur von über eine Million Grad. Die Korona stößt einen Wind an geladenen Teilchen ab und 1957 erkannte Eugene Parker, daß dieser Wind, von dem man bereits wußte, daß er für die Richtung der Kometenschweife verantwortlich ist, sich schneller als der Schall bewegen und die Erde problemlos beschießen könnte. Er entwickelte eine Theorie für den Sonnenwind und heute ist der Wind bekannt für die Erzeugung der Polarlichter und sogar der Unterbrechung der globalen Kommunikation.
Es gibt zwei wichtige, seit Jahren bestehende, und zusammenhängende Fragen über den Wind, an deren Beantwortung Astronomen gearbeitet haben: Wie kann die Korona auf Temperaturen so viel heißer als die Oberfläche aufgeheizt werden und wie erzeugt und anschließend formt die Korona den Wind, während er Partikel in den Raum ausstößt? Die ungefähre Antwort auf die erste Frage geht mit dem ionisierten Material in der heißen Korona einher. Das sich bewegende Gas bringt gewaltige Magnetfeldschleifen hervor, die, wenn sie sich verdrillen und aufbrechen, geladene Teilchen beschleunigen können. Die Antwort auf die zweite Frage ist sogar schwerer zu bekommen, da der Sonnenwind bislang nur durch Raumsonden untersucht wurde, deren größte Annäherung an die Sonne bei ungefähr 48 Millionen Kilometer gelegen hat; dies entspricht etwa der gleichen Entfernung von der Sonne wie die Umlaufbahn des Merkur. Bei dieser Entfernung vermuten Wissenschaftler jedoch, daß der Wind bereits Änderungen erfahren hat, die wichtige Einzelheiten seiner Antriebsquellen in der Korona verschleiern.
Im August 2018 startete die NASA die Parker Solar Probe, um sich der Sonnenoberfläche in einer Serie fortschreitender Annäherungen auf 6 Millionen Kilometer zu nähern, um diese und andere brennende Fragen zu beantworten. Im November 2018 und April 2019 vollendete die Sonde ihren ersten Vorbeiflug, kam dabei der Sonne ungefähr um das Doppelte näher als jede Sonde zuvor und die Ergebnisse sind jetzt in einer Reihe von Artikeln in der Zeitschrift Nature veröffentlicht worden. Die CfA-Astronomen Justin Kasper, Anthony Case, Leon Golub, Kelly Korreck und Michael Stevens haben eine führende Rolle im Parker-Team inne, darunter bei der Entwicklung eines der Instrumente von Parker, dem SWEAP (Solar Wind Electrons Alphas and Protons Investigation). In den neuen Arbeiten zeigt das Team erstmals, daß der Sonnenwind nahe der Sonne viel strukturierter und dynamischer ist als in der Nähe der Erde. Beispielsweise erlebt die Richtung des Magnetfelds schnelle Umpolungen, die nur Minuten anhalten. Obwohl einige vergleichbare Verhaltensweisen des Magnetfeldes bereits früher entdeckt wurden, waren die große Amplitude und hohe Raten der Umpolungen, die Parker feststellte, überraschend. Die genaue Beschaffenheit dieser entgegengesetzten Strukturen ist unbekannt, aber die Astronomen vermuten, daß solche Instabilitäten im Plasma eine viel größere Rolle in der Dynamik und dem Energiehaushalt des Sonnenwinds spielen als zuvor erwartet worden war.
In damit verwandten Entdeckungen stellte die Raumsonde fest, daß, während der Wind in den Weltraum strömt, Teile davon in „zerstörerischen“ Hochgeschwindigkeitswellen mit nahezu der doppelten Geschwindigkeit des Sonnenwinds vorausjagen. Parker flog durch mehr als 1,000 von diesen Spitzen; sie sind ebenfalls bis heute rätselhaft. Genau genommen sind einige Teilchen scheinbar bis nah an die Lichtgeschwindigkeit durch Ereignisse beschleunigt worden, die sowohl unvermittelt als auch allmählich ablaufen können. Ein drittes überraschendes Ergebnis war, wie schnell der Sonnenwind im Allgemeinen um die Sonne kreist. Modelle hatten angenommen, daß der Wind in dieser Richtung mit einer Geschwindigkeit von wenigen Kilometern pro Sekunde strömt, aber Parker Solar Probe hat ihn mit einer viel schnelleren Bewegung, ungefähr 35 bis 50 Kilometer die Sekunde, gemessen. Der Grund hierfür ist ebenfalls unbekannt. Parker hat einige weitere Jahre, um die Sonne noch dichter zu umkreisen und während dieser Zeit tritt die Sonne in eine aktivere Phase ein. Schon diese ersten Ergebnisse haben den Erfolg der Mission bewiesen und lassen erkennen, daß viele weitere Entdeckungen – und ein neues Verständnis des Sonnenwinds – warten.
Literatur:
“Alfvénic velocity spikes and rotational flows in the near-Sun solar wind”
J. C. Kasper et al.
“Probing the energetic particle environment near the Sun”
D. J. McComas et al.
“Highly structured slow solar wind emerging from an equatorial coronal hole”
S. D. Bale et al.