Die Entdeckung eines Begleiters in einem Binärsystem mit Schwarzem Loch (Originalartikel vom 06.12.2019)

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)

Ein Photo des Large Aperture Multi-Object Spectroscopic Telescope (LAMOST). Astronomen war es mit LAMOST möglich, das erste bekannte, sternmassengroße Schwarze Loch von mehr als ungefähr sechzig Sonnenmassen zu entdecken.
LAMOST

Die meisten Galaxien sollen ein supermassereiches Schwarzes Loch in ihrem Kern beheimaten und Dutzende Schwarze Löcher sind indirekt unter Nutzung von Techniken gemessen worden, die vom Abbilden (das bekannteste jüngste Beispiel gelang mit dem Event Horizon Teleskop) bis zum Nachstellen der Bewegung von Materie, die das Schwarze Loch umkreist, reichen. Unsere Milchstraße etwa hat in ihrem Zentrum ein Schwarzes Loch von vier Millionen Sonnenmassen; Extremfälle werden auf zehn Milliarden Sonnenmassen veranschlagt. Am anderen Ende der Masseskala haben Röntgenbeobachtungen der Materie, die von umkreisenden Begleitsternen auf Schwarze Löcher mit stellarer Masse einfällt, ungefähr sechzig Fälle erfaßt, deren Massen von ein paar Sonnenmassen bis zu zehn Sonnenmassen reichen. Gravitationswellenmessungen haben bislang ungefähr ein Dutzend überzeugender Messungen von Schwarzen Löchern von ein paar Sonnenmassen bis zu Dutzenden Sonnenmassen erbracht. Die große Lücke zwischen diesen sternmassegroßen Objekten und supermassereichen Objekten in Galaxienkernen ist augenfällig und beruht vermutlich auf ihrer unterschiedlichen Herkunft: Schwarze Löcher stellarer Masse sind das Ergebnis von Sternen, die eine Supernova durchlaufen, wohingegen supermassereiche Schwarze Löcher, wenngleich viel rätselhafter, durch Verschmelzungen und massive Akkretion wachsen sollen.

CfA-Astronomin Rosanne Di Stefano war Mitglied in einem Astronomenteam, das in der letzten Ausgabe der Zeitschrift Nature die Entdeckung eines Schwarzen Lochs von stellarer Masse in einem Binärsystem mit einem sehr heißen Stern veröffentlichte. Die Partner umkreisen sich in 78.9 Tagen in einem Abstand von ungefähr einer Astronomischen Einheit – der größte bekannte Abstand. Die Wissenschaftler suchten mit einem optischen Spektrometer nach periodischen Geschwindigkeitsänderungen in den Spektren von jedem der dreitausend Zielsterne, von denen man weiß, daß sie zu einem Doppelsternsystem gehören und von denen man vermutete, daß sie wahrscheinlich einen außergewöhnlichen Begleiter beherbergen. Jedes Ziel ist seit dem Start des Projekts im Jahr 2016 mit LAMOST (Large Aperture Multi-Object Spectroscopic Telescope) sechsundzwanzig Mal gemessen worden. Wie sich herausstellte, hat besonders ein Stern, genannt LB-1, einen großen, unsichtbaren Begleiter. Die Untersuchung nachfolgender Beobachtungen mit Instrumenten höherer spektraler Auflösung führten für den unsichtbaren Begleiter zu einer Masse von ungefähr achtundsechzig Sonnenmassen, wobei eine Unsicherheit von ungefähr zehn Sonnenmassen besteht, die zum größten Teil auf die Unsicherheit über den Blickwinkel auf die Umlaufbahn zurückgeht.

Dieses massereiche Objekt ist mit nahezu absoluter Sicherheit ein Schwarzes Loch, da dort keine solch massereichen Sterne vorkommen (jeder derartige Stern, der sich gebildet haben könnte, wäre bereits als Supernova explodiert), doch eben das läßt die Herkunft dieses Objekts wirklich rätselhaft erscheinen. Zur Lösung dieses Rätsels überdachte das Team mehrere Möglichkeiten mittels Veränderung der Masse des Vorläufersterns, seiner Winde (diese lassen den Stern Masse verlieren), Einzelheiten des Supernova-Ablaufs und kompliziertere ursprüngliche Doppelstern-Konfigurationen. Letztlich kommen sie zu dem Schluß, daß einige der ungewöhnlicheren, aber möglichen Alternativen ein schlüssiges Szenario anbieten und dabei neues Licht nicht nur auf die Population von Schwarzen Löchern in diesem Massebereich, sondern auch auf extravagante Situationen bei einem stellaren Kollaps und der Entwicklung von Binärsystemen werfen. Die Entdeckung gibt auch die Wahrscheinlichkeit zu erkennen, daß andere Schwarze Löcher durch diese Technik mit zugehörigen Einsichten in die Art, wie sie sich bildeten, entdeckt werden.

Literatur:

„A Wide Star–Black-Hole Binary System from Radial-Velocity Measurements“

Jifeng Liu et al.

Nature, 575, 618, 2019

oder

arXiv:1911.11989v1 [astro-ph.SR] 27 Nov 2019