Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
(Originalartikel unter https://www.cfa.harvard.edu)
Das Doppelsternsystem Her X-1 besteht aus einem Neutronenstern von 1.5 Sonnenmassen – dem ultradichten, kollabierten Überrest eines massereichen Sterns – in einer Umlaufbahn mit dem 2.2 Sonnenmassen schweren Stern HZ Herculis. Ungefähr zweiundzwanzigtausend Lichtjahre entfernt gelegen, war Her X-1 der erste bekannte, Röntgenstrahlung aussendende Doppelstern, der vom Satelliten Uhuru 1971 entdeckt wurde, und ist das Musterexemplar für die Klasse der Röntgendoppelsterne. Die Röntgenstrahlung entsteht, wenn durch Schwerkraft aus der äußeren Atmosphäre des normalen Sterns abgezogenes Material auf die heiße Akkretionsscheibe um den Neutronenstern fällt. Her X-1 ist ein Pulsar und sein Strahl pulsiert mit einer Periode von 1.24 Sekunden. Die beiden Sterne in dem System umkreisen sich in 1.7 Tagen auf einer annähernd kreisförmigen Umlaufbahn, die sehr stark zu unserer Sichtlinie geneigt ist; dies führt neben den Pulsen zusätzlich zu regelmäßigen Verdunklungen im Fluss des Neutronensterns. Nicht zuletzt zeigt Her X-1 neben diesen sich ändernden Größen regelmäßige Flußschwankungen über einen Zeitraum von 35 Tagen, viel länger als die Umlaufzeit von 1.7 Tagen. Diese sogenannten „Superumlaufzeiten“ sind in anderen leuchtkräftigen Röntgendoppelsternen ebenfalls zu beobachten und sollen sich aus einer Krümmung der Akkretionsscheibe ergeben. Astronomen versuchen das Verhalten dieser vielschichtigen und variablen Röntgenstrahlung auszuwerten, um den genauen Aufbau der Akkretionsscheibe um Neutronensterne zu modellieren und die in diesen Systemen eine Rolle spielenden physikalischen Mechanismen besser zu verstehen.
CfA-Astronom Saeqa Vrtilek war in einem Team, das eine neue Studie über die Änderungen in den Röntgenpulsen von Her X-1 abgeschlossen hat. Ihre Daten kommen von XMM-Newton und NuSTAR und umfassen einen vollständigen 35-tägigen Superumlaufzyklus; das Team ergänzt die Beobachtungen mit archivierten Datensätzen. Ihr Modell ergibt, daß die Akkretionsscheibe verdreht ist und präzediert, Folgerungen, die mit früheren Feststellungen übereinstimmen. Auch wenn sie die Geometrie der ausgesandten Pulsarstrahlung nicht eingrenzen können, folgern sie, daß die Röntgenstrahlung mit der höchsten Energie aus dem Pulsarstrahl stammt, während die Röntgenstrahlung geringerer Energie aus Regionen der gekrümmten Scheibe kommt, die durch den rotierenden Pulsarstrahl beleuchtet werden. Ihr Modell grenzt erfolgreich die Geometrie des Jet-Scheibe-Systems und die Verteilung der Energie über das Röntgenspektrum ein.
Literatur:
“A Broad-Band X-Ray View of the Precessing Accretion Disk and Pre-eclipse Dip in the Pulsar Her X-1 with NuSTAR and XMM-Newton”
McKinley C. Brumback, Ryan C. Hickox, Felix S. Fürst, Katja Pottschmidt, John A. Tomsick, Jörn Wilms, Rüdiger Staubert, and Saeqa Vrtilek
The Astrophysical Journal 2021 (in press)
oder
arXiv:2102.05097v1 [astro-ph.HE] 9 Feb 2021