Einflüsse kosmischer Strahlung auf die Sternbildung in Galaxien

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter https://pweb.cfa.harvard.edu/news)

Das Bild einer Galaxie in einer Simulation Face-on gesehen. Es zeigt die Verteilung von Gas über die Galaxie hinweg (rot ist eine höhere, blau eine niedrigere Dichte); die Verklumpung des Gases ist offensichtlich. Wird der Transport kosmischer Strahlung unterdrückt, zeigen Simulationen, daß die Verklumpung erniedrigt ist, was im Gegenzug die Sternentstehungsaktivität verringert. Astronomen, die die Einflüsse kosmischer Strahlung auf die Sternentstehung modellieren, haben ihre Simulationen mit Beobachtungen der Gammastrahlung verfeinert, um den Transport der kosmischen Strahlung zu erforschen.
Semenov et al., 2021

Das Auslösen und auch das Unterdrücken der Sternentstehung werden durch junge massereiche Sterne in Galaxien gesteuert, die Energie und Impuls in das interstellare Medium einspeisen. Die Rückkopplung mit supermassereichen Schwarzen Löchern in den Kernen von Galaxien spielt eine genauso wichtige Rolle. Diese Prozesse treiben beispielsweise die in Galaxien beobachteten gewaltigen Gasabflüsse an. Allerdings werden die Einzelheiten, darunter wie sie wirken und die jeweiligen Rollen der unterschiedlichen Rückkopplungsprozesse, lebhaft debattiert. Speziell die kosmische Strahlung wird in starken Schockfronten, gebildet durch Supernova-Explosionen und heftige Winde (beides Aspekte der Sternentstehung), beschleunigt und ruft einen beträchtlichen Druck im interstellaren Medium hervor. Sie spielen eine zentrale Rolle bei der Regulierung des Wärmehaushalts in dichten Molekülwolken, wo sich die meisten Sterne bilden, und können eine wichtige Rolle bei der Regulierung der Sternentstehung, beim Antrieb galaktischer Winde und sogar bei der Ermittlung von Eigenschaften des intergalaktischen Mediums spielen. Astronomen vermuten, daß eine wichtige Eigenschaft, die den Einfluß der kosmischen Strahlung begrenzt, die Fähigkeit ist, sich von den Orten, wo sie erzeugt wird, in das interstellare Medium und über die Scheibe hinaus zu verbreiten, aber die Einzelheiten sind nicht sehr gut verstanden.

CfA-Astronom Vadim Semenov und zwei Mitarbeiter benutzten Computer-Simulationen, um zu enträtseln, wie solch eine Änderung der Ausbreitung kosmischer Strahlung Sternentstehung in Galaxien beeinflussen kann, angeregt durch neue Beobachtungen der Gammastrahlenemission nah gelegener Quellen kosmischer Strahlung, darunter Sternhaufen und Supernova-Überreste. Die Beobachtungen untersuchen die Ausbreitung kosmischer Strahlung, da ein erheblicher Teil der Gammastrahlung vermutlich entsteht, wenn kosmische Strahlung mit interstellarem Gas in Wechselwirkung tritt. Die beobachteten Gammastrahlenflüsse legen nahe, daß die Ausbreitung der kosmischen Strahlung in der Nähe solcher Quellen örtlich um einen bedeutenden Faktor, bis hin zu mehreren Größenordnungen, unterdrückt sein kann. Theoretische Arbeiten legen nahe, daß eine solche Unterdrückung das Ergebnis nichtlinearer Wechselwirkungen der kosmischen Strahlung mit Magnetfeldern und Turbulenzen sein kann.

Die Forscher benutzten die Simulationen, um die Folgen der Unterdrückung des Transports von kosmischer Strahlung nah der Quellen zu untersuchen. Sie stellten fest, daß die Unterdrückung einen lokalen Druckaufbau verursacht und starke Druckgradienten erzeugt, welche die Bildung der massereichen Klumpen aus molekularem Gas, die neue Sterne hervorbringen, verhindern; dies ändert qualitativ die allgemeine Verteilung der Sternentstehung, insbesondere in großen, gasreichen Galaxien, die für die Bildung von Gasklumpen anfällig sind. Die Forscher kommen zu dem Schluß, daß dieser Effekt der kosmischen Strahlung die Entwicklung der Struktur der Galaxienscheibe steuert und eine wichtige Ergänzung zu den anderen Prozessen ist, die bei der Gestaltung der Galaxie am Wirken sind.

Literatur:

“Cosmic-Ray Diffusion Suppression in Star-forming Regions Inhibits Clump Formation in Gas-rich Galaxies”

Vadim A. Semenov, Andrey V. Kravtsov, and Damiano Caprioli

The Astrophysical Journal 910, 126, 2021

oder

arXiv:2012.01427v2 [astro-ph.GA] 12 Mar 2021