Eine Kepler’sche Scheibe um einen massereichen, jungen Stern

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Eine vorgeschlagene Skizze für die Kepler’sche Scheibe (und die Abströmung) um einen massereichen, jungen Stern aus Sicht der Erde. Eine neue Untersuchung mit dem SMA hat entdeckt, daß dieser massereiche Stern, noch in seinem frühen Lebensstadium, Material über eine Scheibe akkretiert, die in ihrer Art mit der bei Sternen von geringer Masse vergleichbar ist. Ilee et al. 2016

Eine rotierende, starre Scheibe, wie eine CD in ihrem Abspielgerät, bewegt sich offensichtlich an ihrem äußeren Rand schneller als an ihrem inneren Rand. Eine Kepler’sche Scheibe, die nicht aus einem einzelnen festen Körper besteht, sondern aus vielen Teilchen, die unter dem Einfluß der Schwerkraft rotieren, wie von Kepler abgeleitet, ist das Gegenteil: Körper am äußeren Rand bewegen sich viel langsamer als Körper im Inneren. Daher umrundet die Erde die Sonne in 365 Tagen, während Merkur dafür nur 176 Tage benötigt. Kepler’sche Bewegungen sind in Scheiben um Sterne immer vorherrschend, präplanetare Systeme inbegriffen, außer Winde oder andere physikalische Prozesse stören die einfache gravitative Vorherrschaft des zentralen Sterns.

Sterne mit mehr als ungefähr acht Sonnenmassen verbringen eine sehr kurze Zeit, vielleicht nur wenige Hunderttausend Jahre, als Vor-Hauptreihenstern. Dies bedeutet, daß sie für die gesamte Zeit ihrer Entstehung tief in ihre Sicht versperrenden, heimatlichen Molekülwolken eingebettet sind. Solch kurze Zeiträume für die Bildung bedeuten auch, daß sehr viel weniger in der Nähe gelegene Beispiele junger massereicher Sterne im Vergleich zu ihren Abbildern mit geringer Masse vorkommen. All diese Faktoren tragen zu den extremen Schwierigkeiten bei der direkten Beobachtung von jungen massereichen Sternen und ihrer Scheiben bei. Infolgedessen sind ihre Bildungsmechanismen nur begrenzt verstanden und insbesondere der Prozeß, durch den junge, massereiche Sterne ihre hohen Massen akkretieren, ist nicht bekannt.

CfA-Astronom Qizhou Zhang und sechs Kollegen haben mit dem Submillimeter Array und dem Very Large Array räumlich hochaufgelöste Bilder (nur etwa 1.500 Astronomische Einheiten) von der Verteilung von Molekülen in der Scheibe um den massereichen Stern G11.92-0.61MM1 erhalten. Von diesem jungen Stern ist bekannt, daß er eine bipolare Abströmung besitzt, jedoch hatten frühere Messungen eine Strahlung durch Moleküle entdeckt, die offenbar nicht von dem abströmenden Wind stammt, sondern von anderswoher in der Umgebung des Sterns. Das Team folgert aus ihrer neuen Arbeit, daß dichtes Gas und Staub senkrecht zu der Abströmung in einer Scheibe vorkommt, die ungefähr zwei oder drei Sonnenmassen an Material enthält. Aus einer Untersuchung der Gasbewegungen geht hervor, daß die Scheibe eine Kepler’sche Scheibe ist und daß sie zudem einen Gasanteil besitzt, der nach innen auf den Stern akkretiert. Die Ergebnisse zeigen, daß zumindest dieser massereiche Stern einem Wachstumsprozeß folgt, der dem häufiger vorkommenden Prozeß gleicht, den man bei Sternen geringerer Masse sieht.

Literatur:

„G11.92−0.61 MM1: A Keplerian Disc around a Massive Young Proto-O Star“

J. D. Ilee, C. J. Cyganowski, P. Nazari, T. R. Hunter, C. L. Brogan, D. H. Forgan, and Q. Zhang

Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 462, 4386–4401 (2016)