Eine gewaltige Kollision in der Vergangenheit der Milchstraße (Originalartikel vom 17.05.2019)

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)

Die zusammenstoßenden Spiralgalaxien in Arp 272 im Sternbild Herkules. Astronomen haben eine Reihe von Simulationen an Galaxienverschmelzungen untersucht und sind zu dem Schluß gekommen, daß unsere eigene Milchstraße eine ähnliche Art von Verschmelzung erlitten hat. Im Speziellen fanden sie, daß einige seltsame Eigenschaften in der Struktur des Milchstraßenhalos am besten durch eine frontale Kollision mit einer Zwerggalaxie vor sechs bis zehn Milliarden Jahren erklärt werden kann.
NASA, ESA, Hubble Heritage Team / AURA-ESA / Hubble Collaboration, and K. Noll, STScI

Unsere Milchstraße ist wohl im Laufe ihres Lebens mit anderen Galaxien zusammengestoßen oder anderweitig mit ihnen in Wechselwirkung getreten; solche Wechselwirkungen sind häufige Begebenheiten im Universum. Astronomen können die Geschichte der Massenakkretion auf die Milchstraße aus der Untersuchung der Überbleibsel im Halo der Galaxis, die als Gezeitenspuren aus solchen Ereignissen zurückgeblieben sind, ableiten. Die Herangehensweise hat besonders gut bei Studien der jüngsten Ereignisse, wie dem Einfall der Sagittarius-Zwerggalaxie vor ein paar Milliarden Jahren, funktioniert. Dieser Einfall hinterließ Gezeitenströme aus Sternen, die in Galaxienkarten sichtbar sind. Die Störeffekte, die diese Begegnungen auf die Milchstraße haben können, sind dagegen nicht gut untersucht und Ereignisse, die noch weiter in der Vergangenheit liegen, sind noch viel weniger klar ersichtlich, da sie durch die natürlichen Bewegungen und die Entwicklung der Galaxis verwischt werden.

Einige Ereignisse in der Geschichte der Milchstraße waren jedoch so katastrophal, daß sie nur schwer zu verschleiern sind. Forschern ist seit geraumer Zeit bekannt, daß sich der Sternenhalo der Galaxis mit der Entfernung vom galaktischen Zentrum in seiner Beschaffenheit dramatisch ändert, wie die Zusammensetzung der Sterne (ihre „Metallizität“), die Sternbewegungen und die Sterndichte aufdeckt. CfA-Astronom Frederico Marinacci und seine Kollegen untersuchten mit dem Computer eine Reihe von kosmologischen Simulationen und darin stattfindende galaktische Wechselwirkungen. Sie untersuchten insbesondere den Werdegang galaktischer Halos, wie sie sich in Folge eines Verschmelzungsereignisses entwickelten. Die Gruppe kommt zu dem Schluß, daß vor sechs bis zehn Milliarden Jahren die Milchstraße bei einem Frontalzusammenstoß mit einer massereichen Zwerggalaxie, die ungefähr ein bis zehn Milliarden Sonnenmassen enthielt, verschmolz und daß diese Kollision die bezeichnenden Änderungen in der stellaren Besetzung hervorgerufen haben könnte, die heute im Sternenhalo der Milchstraße beobachtet werden.

Literatur:

„The Origin of Galactic Metal-Rich Stellar Halo Components with Highly Eccentric Orbits“

Azadeh Fattahi, Vasily Belokurov, Alis J. Deason, Carlos S. Frenk, Facundo A. Gómez, Robert J. J. Grand, Federico Marinacci, Rüdiger Pakmor, and Volker Springel

Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 484, 4471 2019

oder

arXiv:1810.07779v1 [astro-ph.GA] 17 Oct 2018