Ein Infrarot-Atlas wechselwirkender Galaxien

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Die beiden wechselwirkenden Galaxien M51A und M51B mit dem Spitzer-Weltraum-Teleskop in infrarotem Licht gesehen. Strahlung von warmem Staub ist rot wiedergegeben, Strahlung von Sternen blau. Eine Spitzer-Untersuchung von 103 nahgelegenen wechselwirkenden Galaxien in vielen unterschiedlichen Stadien der Verschmelzung nimmt methodisch deren Sternentstehungsaktivität in Augenschein. NASA / Spitzer, Brassington


Die meisten Galaxien, einschließlich unserer eigenen Milchstraße, sind durch Wechselwirkung mit einer anderen Galaxie zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrer Vergangenheit beeinflußt worden. Wechselwirkungen zwischen Galaxien können einen Anstieg bei der Sternentstehungsaktivität wie auch eine erhöhte Aktivität um das Schwarze Loch im Kern auslösen. Diese allgemeinen Verhaltensmuster konnten in Simulationen verschmelzender Galaxien nachgebildet werden und stärken das Vertrauen in unser Verständnis der wirkenden physikalischen Mechanismen. Aber nicht alle Wechselwirkungen führen zu diesen Aktivitätssteigerungen und die Gründe dafür sind nicht gut verstanden; einstweilen bleiben die Stärke des/der auslösenden Mechanismus/men und viele weitere Einzelheiten rätselhaft.
Zahlreiche Untersuchungen sind durchgeführt worden, um die Entwicklung von Galaxien, die Wechselwirkungen unterliegen, zu beobachten. Verschmelzende Galaxien sind normalerweise entweder durch ihre gestörte Struktur (wie etwa Gezeitenschweife oder Brücken), ihre infrarote Helligkeit (entfesselte Sternentstehung steigert die infrarote Leuchtkraft) oder einfach nur durch ihre Nähe zueinander erkannt worden. Die beiden ersten Methoden setzen die Auswirkungen einer Verschmelzung voraus und neigen daher zu Einseitigkeit bei der Auswahl, besonders da einige Deformationen womöglich schwer zu erkennen sind (zum Beispiel, wenn die Galaxien weit entfernt sind oder sich in einem sehr frühen Stadium der Verschmelzung befinden), wohingegen die infrarote Leuchtkraft im Prinzip durch einige andere Phänomene verursacht sein könnte.
Die CfA-Astronomen Andreas Zezas, Matt Ashby, Lauranne Lanz, Howard Smith sowie Steve Willner haben zusammen mit N. J. Brassington und C. Klein den dritten Weg beschritten und verwendeten das Spitzer-Weltraum-Teleskop, um eine Reihe Vierfarben-Infrarot-Bilder von 103 nahgelegenen Galaxien in 48 verschmelzenden Systemen aller Art zusammenzustellen und zu untersuchen, wobei die Reihe alleine auf den Abständen innerhalb der verschmelzenden Systeme gründet (mit einer vorgegebenen Grenze für Entfernung und optischer Helligkeit). Sie reicht von frühen bis späten Stadien der Verschmelzung, von geringer bis zu großer Masse und von relativ dunkel bis sehr hell (Galaxien mit aktiven Kernen waren für diesen Datensatz ausgeschlossen). Das Ergebnis ist eine unvoreingenommene und statistisch aussagekräftige Stichprobe, da sie Verschmelzungen nicht außer Acht läßt, nur weil sie lichtschwach sind oder erkennbare Zeichen einer Störung fehlen.
Die Forscher benutzen optische Daten, um die Systeme in überschlägige Entwicklungssequenzen einzuordnen und Infrarot-Daten spüren lichtschwach strahlende Staubmerkmale auf und liefern einen Maßstab für die ablaufende Sternentstehungsaktivität. Sie berichten, daß im Vergleich zu nicht wechselwirkenden Feldgalaxien die Sternentstehungsrate bei verschmelzenden Spiralen in der Tat ansteigt, sich aber der Wirkungsgrad der Sternentstehung nicht allzu stark zu erhöhen scheint, wenn die Verschmelzung voranschreitet – zumindest in dieser eingeschränkten Probe. Sie berichten zudem, daß Systeme, die deutliche Störungen im Aufbau zeigen, mit einer höheren Effizienz Sterne bilden als ungestörte Systeme. Der neue Atlas wechselwirkender Galaxien, den die Gruppe erstellt hat, wird in Zukunft, wenn er mit Multiwellenlängen-Datensätzen und neuen Simulationen ergänzt sein wird, wertfreie Untersuchungen kollidierender Galaxien ermöglichen.
Literatur:
„The Spitzer Interacting Galaxies Survey: A mid-infrared atlas of star-formation“
N. J. Brassington, A. Zezas, M. L. Ashby, L. Lanz, Howard A. Smith, S. P. Willner, and C. Klein
The Astrophysical Journal Supplement Series, 218:6 (22pp), 2015 May