Wie Scheibengalaxien funktionieren (Originalartikel vom 20.07.2018)

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)

Ein Hubble-Bild der Spiralgalaxie NGC 3972. Astronomen haben ein neues Modell entwickelt, um zu erklären, wieso die Sternentstehungsrate in nahezu allen Scheibengalaxien, einschließlich der Milchstraße, so niedrig ist und weshalb sie in gleicher Weise mit der Gasmasse und den Gasbewegungen einer Galaxie zusammenhängt. NASA / Hubble


 
Scheibengalaxien wie unsere eigene Milchstraße, geprägt von einer abgeplatteten Scheibe aus Sternen und Gas (oftmals zusätzlich mit einer zentralen Ausbuchtung an Material), zeigen eine große Vielfalt an Massen, Größen und Sternenzahl. Gleichwohl teilen sich alle Scheibengalaxien, sowohl im lokalen als auch im fernen Universum, einige beachtlich gleichartige Eigenschaften. Am bemerkenswertesten ist, daß die Sternentstehungsrate mit dem Gasgehalt der Galaxie, den Gasbewegungen (der „Geschwindigkeitsverteilung“) und der dynamischen Lebensdauer (in etwa die Zeit, die eine Galaxie für eine Umdrehung benötigt) eng zusammenhängt. Zudem ist diese seltsamerweise universelle Rate bemerkenswert klein: nur ungefähr ein Prozent des Gases in den Galaxien wird über die dynamische Lebensdauer in Sterne umgewandelt, wobei ein Großteil der Aktivität sich in den zentralen Regionen der Galaxien konzentriert. Die meisten der einfachen Modelle zur Sternentstehung sagen vorher, daß die Gravitation bei der Bildung von Sternen viel wirksamer sein sollte, während sie das Gas zu Molekülwolken verdichtet. Beobachtungen deuten darauf hin, daß sowohl die oben aufgeführten Beziehungen als auch die fehlende Effizienz der Schwerkraft bis hinab auf die Größenordnung der einzelnen Molekülwolken reicht.
Die CfA-Astronomen Blakesley Burkhart und John Forbes haben mit zwei Kollegen ein neues vereinheitlichtes Modell für galaktische Scheiben entwickelt, das diese und noch einige weitere Phänomene erklärt. Die Wissenschaftler zeigen, daß die Verknüpfung der Sternentstehungsrate mit der Gasbewegung nicht durch diese Bewegungen verursacht ist, sondern eher das Ergebnis des Materialtransports innerhalb der Galaxie, der beides beeinflußt. Das Modell geht von einem Gleichgewichtszustand des Gases sowie einer geringen gravitativen Stabilität aus und bezieht in einer Galaxie den radialen Gastransport hin zum Kern als auch die turbulente Rückkopplung aus der Sternentstehung ein. Diese beiden Erwägungen sind im Grundsatz recht einfach, liefern aber eine eindrucksvolle Steigerung in der Übereinstimmung von Beobachtungen und Theorie, so bei der Erklärung, wie das mögliche Unterdrücken der Sternbildung abläuft. Die neue Arbeit liefert ebenfalls eine natürliche Erklärung für die kosmischen Epochen, zu denen Galaxien Ausbuchtungen, die sogenannten Bulges, und Scheiben aufbauten.
Literatur:
„A Unified Model for Galactic Discs: Star Formation, Turbulence Driving, and Mass Transport“
Mark R. Krumholz, Blakesley Burkhart, John C. Forbes, and Roland M. Crocker
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 477, 2716–2740 (2018)
oder
arXiv:1706.00106v2 [astro-ph.GA] 29 Mar 2018