Die Rotation der Venus (Originalartikel vom 18.10.2019)

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)

Ein Radarbild von der Oberfläche der Venus, das eine von den Oberflächenstrukturen zeigt, die genutzt wurden, um einen verbesserten Wert für die Länge des venerischen Tages zu messen. Campbell et al., 2019

Venus ist von einer dicken Wolkenschicht eingehüllt, ein Grund, weshalb sie am Himmel so hell erscheint. Antike Astronomen hatten eine gute Vorstellung von dem, was wir (seit Kopernikus) als ihre Umlaufbahn bezeichnen; die moderne Messung ergibt, daß Venus 224.65 Tage benötigt, um einen Umlauf um die Sonne, ein Venusjahr, zu vollenden. Doch ist es auf Grund der Wolken schwierig gewesen, die Länge eines Tages auf der Venus zu messen, da die übliche Methode, eine sichtbare Oberflächenstruktur bei einer Rotation für 360 Grad zu beobachten, nicht möglich ist. 1963 durchdrangen Radarbeobachtungen von der Erde aus die Wolkendecke und konnten eine Rotationsrate von 243 Tagen messen; überraschender ist, daß Venus auf ihrer Achse entgegen der Richtung der meisten Planeten rotiert, eine sogenannte retrograde Rotation. Nachfolgende erdbasierte Radaruntersuchungen ergaben widersprüchliche Werte für die Länge eines Tages und wichen um bis zu 6 Minuten voneinander ab. Die Sonde Magellan beendete im Jahr 1991 ihr auf 487 Tage angelegtes Kartierungsprogramm und man folgerte, daß die richtige Zahl immer noch geringfügig abwich: 243.0185 Tage, mit einer Unsicherheit von ungefähr 9 Sekunden. Doch weitere Missionen und Beobachtungen von der Erde aus stellten fest, daß die Rotationsrate in Wirklichkeit nicht konstant war, sondern sich zu ändern schien – wobei Modelle darlegen, daß solare Gezeitendrehmomente und atmosphärischer Widerstand an der Oberfläche zumindest für einen Teil der Abweichungen verantwortlich sein könnten.

Die Rotationsrate der Venus zu kennen ist von entscheidender Bedeutung für künftige Missionen mit Landegeräten, wie etwa die, die man für das nächste Jahrzehnt geplant hat. Die momentane Unsicherheit für die Rotation entspricht an der Oberfläche der Venus einer Strecke von circa einundzwanzig Kilometer, mehr als genug, um einen Landeplatz zu verfehlen. Um zu versuchen, die Unklarheit zu verringern, führte CfA-Astronom John Chandler und das Team aus Wissenschaftlern, zu dem er gehörte, eine neue Analyse von erdgestützten Radarbeobachtungen durch, die in neunundzwanzig Jahren, von 1988 bis 2017, durchgeführt wurden. Sie kommen zu dem Ergebnis, daß die durchschnittliche Tageslänge der Venus 243.0212 ±0.00006 Tage beträgt. Es ist besonders hervorzuheben, daß sie den bislang kleinsten Wert für die Unsicherheit erhalten haben, obschon sie darauf verweisen, daß ihr Ergebnis ein Durchschnittswert ist, da er keine Schwankungen mit kurzer Laufzeit widerspiegelt. Die Autoren erhoffen sich, daß im nächsten Jahrzehnt weitere Verbesserungen sicherstellen werden, daß eine Landemission auf der Venus in den späten 2020er Jahren erfolgreich sein wird.

Literatur:

„The Mean Rotation Rate of Venus from 29 years of Earth-based Radar Observations”

Bruce A. Campbell, Donald B. Campbell, Lynn M. Carter, John F. Chandler, Jon D. Giorgini, Jean-Luc Margot, Gareth A. Morgan, Michael C. Nolan, Phillip J. Perillath, Jennifer L. Whitteni

Icarus Volume 332, 1 November 2019, Pages 19-23