Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
(Originalartikel unter https://pweb.cfa.harvard.edu/news)
Ultradiffuse Galaxien (UDGs) besitzen sehr niedrige Leuchtkräfte, vergleichsweise wenig Sterne und eine geringe Sternentstehungsaktivität, wenn man sie mit normalen Galaxien von ähnlicher Größe vergleicht. Im Allgemeinen in Galaxienclustern zu finden, gibt es UDGs in einer großen Vielfalt an Größen und Formen, von denen viele wie elliptische Zwerggalaxien rund und weich sind, wohingegen andere deformierte Formen zeigen, da an ihnen Gezeitenkräfte gezerrt haben; einige weisen Gesamtmassen von bis zu einhundert Milliarden Sonnenmassen auf. Nicht nur für sich selbst genommen interessant, sind diese Galaxien für Astronomen wichtig, da ihre diffusen Strukturen in Modellen hilfreich sind, um Informationen über die Halos aus Dunkler Materie zu erlangen, die helfen, UDGs als in sich geschlossene Systeme zu bewahren; der größte Teil ihrer Masse soll in der Tat in Form von Dunkler Materie vorliegen.
Ursprung und Entwicklung von UDGs ist kaum verstanden. Manchmal gleichen sie elliptischen Zwerggalaxien – kleine, lichtschwache elliptische Galaxien, die sich zu einem frühen Zeitpunkt in der kosmischen Geschichte gebildet haben könnten, aber (anders als andere Galaxien) nicht zu größeren System verschmolzen – ein Hinweis, daß einige UDGs primordiale Wurzeln haben. Supernovae aus der Frühphase ihrer Sternentstehung könnten sie von der Größe einer Zwerggalaxie heraus aufgebläht und weitere Sternbildung unterdrückt haben (einige Astronomen vermuten, daß UDGs „fehlgeschlagene Galaxien“ sind), aber Gezeitenwechselwirkungen können eine ähnliche Rolle gespielt haben; aber auch aus seltsamen anfänglichen Eigenschaften könnten UDGs hervorgegangen sein. Die CfA-Astronomen Igor Chilingarian, Dan Fabricant sowie Sean Moran und ihre Kollegen verwendeten den Binospec Spektrograph am MMT, um lichtschwache diffuse Galaxien im Coma-Galaxiencluster und im Galaxiencluster Abell 2147 zu untersuchen. Sie wählten elf diffuse Objekte von niedriger Leuchtkraft mit wenig Sternentstehung und mit Sternen aus, deren durchschnittliches Alter 1.5 Milliarden Jahre betrug – also relativ jung und besagt, daß diese Galaxien in einer Nach-Starburstphase sind. All diese Objekte haben zufällig noch nicht lang zurückliegende Begegnungen mit einer anderen Galaxie erlebt und besitzen Staudruckschweife mit Hinweisen auf einige jüngere Sternentstehung.
Die sehr präzisen optischen Spektren dieser Nach-Starburstgalaxien erlaubten den Astronomen, die stellare Geschichte von jedem Objekt zu modellieren und ihre Kinematik nachzustellen. Die Spektren zeigten die Anwesenheit von rotierenden Sternscheiben, für deren Zusammensetzung man einen Anteil an Dunkler Materie von bis zu 95% herleitet. Die Wissenschaftler schlagen ein Szenario vor, in dem sich diese Galaxien vor ungefähr elf Milliarden Jahren formten und mit der Bildung von Sternen begannen. Dann, vor rund zweihundert Millionen bis eine Milliarde Jahren, schalteten Sternentstehungsausbrüche, durch Staudruck auf Grund von Begegnungen mit anderen Galaxien in ihrem Cluster ausgelöst, einen Großteil der weiteren Sternentstehung ab. Alle elf Objekte formten sich allem Anschein nach auf die gleiche Weise. Die Tatsache, daß die Größe der Galaxienstichprobe statistisch aussagekräftig ist, zumindest für die untersuchten Cluster, ermöglichte dem Team zu folgern, daß Staudruckprozesse dazu führten, die Galaxien aufzublähen um letztlich UDGs zu werden und daß ungefähr die Hälfte aller heutigen UDGs aus ähnlichen Prozesse, bei denen der Staudruck Gas entreißt, hervorgingen.
Literatur:
“Transforming Gas-Rich Low-Mass Disky Galaxies into Ultra-Diffuse Galaxies by Ram Pressure”
Kirill A. Grishin, Igor V. Chilingarian, Anton V. Afanasiev, Daniel Fabricant, Ivan Yu. Katkov, Sean Moran, Masafumi Yagi
oder
arXiv:2111.01140v2 [astro-ph.GA] 3 Nov 2021