Den Temperaturaufbau zirkumstellarer Scheiben aus polarisierter Strahlung ableiten

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)

Ein Submillimeterbild von einer staubhaltigen zirkumstellaren Scheibe um einen jungen Stern, von ALMA aufgenommen. Astronomen nutzen mit ALMA gewonnene Polarisationskarten der Strahlung von Scheiben ähnlich dieser, um das Vorhandensein eines Temperaturgradienten und mögliche Akkretion auf die Scheibe abzuleiten. (Der Stern kennzeichnet die mögliche Lage des eingebetteten Sterns; ein Maßstab von zehn Astronomischen Einheiten ist angegeben.)
Chin-Fei Lee et al., 2017

Polarisiertes Licht ist ein bekanntes Phänomen, da die Streuung oder Reflexion von Licht eine seiner zwei Bestandteile ergibt, die bevorzugt absorbiert werden. Beispielsweise ist der Großteil des Sonnenlichts auf der Erde bevorzugt auf Grund der Streuung in der Atmosphäre polarisiert (dies hilft, polarisierende Sonnenbrillen effektiver zu machen). Elektromagnetische Strahlung von astrophysikalischen Quellen kann ebenfalls polarisiert sein, normalerweise auf Grund der Streuung durch längliche Staubkörner, die durch die lokalen Magnetfelder gleich ausgerichtet sind. Diese Felder sollen eine große, vielleicht sogar eine beherrschende Rolle bei der Kontrolle der Formen und Bewegungen interstellarer Gaswolken spielen und sind extrem schwierig direkt zu messen. Beobachtungen der Polarisation durch Staubkörner bieten einen besonderen Weg an, die Magnetfelder zu untersuchen.

Die polarisierte Strahlung von gleich ausgerichteten Staubkörnern in Scheiben um junge stellare Objekte ist für Astronomen, die untersuchen, wie Planeten in diesen Scheiben entstehen und sich entwickeln, von besonderem Interesse. Die polarisierte Strahlung kann nicht nur Details über die vorhandenen Magnetfelder aufdecken, sondern auch (in Abhängigkeit von den Formen und Eigenschaften der Körner) andere Strukturmerkmale der Scheibenumgebung, zum Beispiel das Vorkommen einer anisotropen stellaren Strahlung.

Die Submillimeter-Teleskopverbund ALMA hat kürzlich erfolgreich polarisierte Strahlung von einigen jungen zirkumstellaren Scheiben gemessen. CfA-Astronom Ian Stephens war Mitglied in einem Team, das ALMA einsetzte, um die Stärke einer solchen Strahlung bei mehreren Wellenlängen festzustellen. Das Team kommt zu dem Ergebnis, daß es unwahrscheinlich ist, daß nur Magnetfeldprozesse am Werk sind und sie demonstrieren, daß ein Temperaturgradient entlang der Scheibe die polarisierte Strahlung von ausgerichteten Staubkörnern näher hin zu wiederholt beobachteten Werten abändern kann als die einfachen Magnetfeldmodelle. Die Auswertung der Wissenschaftler der polarisierten Strahlung von Staub in Scheiben hat gezeigt, daß die Wirkung eines Temperaturgradienten auf die Polarisation am stärksten ist, wenn man auf die Kante einer Scheibe blickt, und das Team überprüfte seine Schlußfolgerungen mit sehr genauen Modellen. Da Temperaturgradienten durch Akkretion auf die Scheibe beeinflußt werden können, liefern diese Polarisationsergebnisse auch eine neue Methode zur Untersuchung der Scheibenakkretion. Aufheizen durch Akkretion zum Beispiel kann den Polarisationswinkel in Bezug auf die Scheibe verändern.

Literatur:

„Probing the Temperature Structure of Optically thick Discs using Polarized Emission of Aligned Grains“

Zhe-Yu Daniel Lin, Zhi-Yun Li, Haifeng Yang, Leslie Looney, Chin-Fei Lee, Ian Stephens and Shih-Ping Lai

Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 493, 4868, 2020

oder

arXiv:2004.03748v1 [astro-ph.SR] 7 Apr 2020