Das magnetische Feld in den Knochen der Milchstraße

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter https://pweb.cfa.harvard.edu/news)

Das dunkle Filament „Nessie“, wie es mit der IRAC-Kamera auf Spitzer im Infraroten zu sehen ist. Nessie, eine Wolke aus kaltem Gas und Staub, ist ein „Knochen“, der die Struktur eines Spiralarms der Milchstraße nachzeichnet. Astronomen haben SOFIA, das Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie der NASA, benutzt, um das Magnetfeld entlang des Knochens G47.06+0.26 mit Hilfe seiner Infrarot-Polarisation zu messen.
NASA/JPL/SSC

Sternentstehung in der Milchstraße findet hauptsächlich in langen, dichten Filamenten aus Gas und Staub statt, die sich entlang der Spiralarme ausdehnen. Diese Filamente, die als „Knochen“ bezeichnet werden, weil sie die dichtesten Spiral-strukturen der Galaxie abgrenzen, zeichnen sich dadurch aus, daß sie mindestens fünfzigmal länger als breit sind und entlang ihrer Länge in sich einheitliche Bewegungen besitzen. Während die meisten wichtigen physikalischen Eigenschaften dieser Knochen bekannt sind, ist das, was wir über ihre Magnetfeldeigenschaften wissen, im Allgemeinen unzureichend. Diese Felder können eine entscheidende Rolle spielen, indem sie Gas und Staub vor dem gravitativen Kollaps zu neuen Sternen bewahren oder aber den Massefluß entlang des Knochens in die Kerne neuer Sterne unterstützen.

Magnetische Felder sind im Weltraum bekanntermaßen schwer zu messen. Die gebräuchlichste Methode beruht auf der Strahlung von nicht sphärischen Staubkörnern, die ihre kurzen Achsen nach der Richtung des Feldes ausrichten, was zu einer Infrarotstrahlung führt, die vorzugsweise senkrecht zum Feld polarisiert ist. Die Messung dieses schwachen Polarisations-signals und die Ableitung der Feldstärke und -richtung ist erst seit kurzem mit dem HAWC+-Instrument auf SOFIA, dem Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie der NASA, und seinem 2,5-Meter-Teleskop einfacher geworden. SOFIA fliegt in einer Höhe von etwa 13,700 Metern, also über dem größten Teil des atmosphärischen Wasserdampfs, der die Infrarotsignale aus dem All absorbiert.

Die CfA-Astronomen Ian Stephens, Phil Myers, Catherine Zucker und Howard Smith leiteten ein Team, das die mit HAWC+ bestimmte Polarisation nutzte, um das Magnetfeld entlang des Knochens G47.06+0.26 detailliert zu kartieren. Dieses Filament mit einem Durchmesser von etwa 5 Lichtjahren ist ungefähr 190 Lichtjahre lang und enthält 28,000 Sonnenmassen mit einer typischen Staubtemperatur von 18 Kelvin. Die IRAC-Kamera von Spitzer hatte diesen Knochen zuvor kartiert, um Regionen mit junger Sternentstehung entlang seiner Länge zu identifizieren. Die Astronomen bestimmten, wo entlang des Knochens das Magnetfeld in der Lage ist, das Gas vor dem Kollaps zu Sternen zu schützen, und wo es zu schwach ist. Sie kartierten auch Regionen mit geringer Dichte, in denen das Feld eine komplexere Form aufweist. G47.06+0.26 ist nur das erste untersuchte Objekt in einem umfassenderen Programm zur Kartierung der Magnetfelder in zehn der achtzehn bekannten Milchstraßenknochen. Sobald die Auswertung dieser größeren statistischen Stichprobe abgeschlossen ist, erwarten die Wissenschaftler, genauer quantifizieren zu können, wie die Stärke und Ausrichtung der Felder die Entwicklung der Knochen und ihrer Sternentstehungsgebiete beeinflussen.

Literatur:

„The Magnetic Field in the Milky Way Filamentary Bone G47“

Ian W. Stephens, Philip C. Myers, Catherine Zucker, James M. Jackson, B-G Andersson, Rowan Smith, Archana Soam, Cara Battersby, Patricio Sanhueza, Taylor Hogge, Howard A. Smith, Giles Novak, Sarah Sadavoy, Thushara Pillai, Zhi-Yun Li, Leslie W. Looney, Koji Sugitani, Simon Coude, Andres Guzman, Alyssa Goodman, Takayoshi Kusune, Fabio P. Santos, Leah Zuckerman, and Frankie Encalada

The Astrophysical Journal Letters, Volume 926, Number 1

oder

arXiv:2201.11933v1 [astro-ph.GA] 28 Jan 2022