Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
Weder ist die Erde eine perfekte Kugel, noch ist ihre innere Zusammensetzung exakt homogen. Daraus folgt, daß sich das irdische Schwerefeld von Ort zu Ort ändert – so wird ein Ball auf Grund der unterschiedlichen Stärke der Schwerkraft an verschiedenen Orten mit geringfügig unterschiedlicher Geschwindigkeit zu Boden fallen. Die Auswirkungen dieser Änderungen im Gravitationsfeld sind im täglichen Leben vernachlässigbar, aber sie eröffnen der Wissenschaft einen neuen Weg, die Form und Änderung in der Zusammensetzung der Erde zu messen.
Die am SAO tätigen Wissenschaftler Mark Tamisiea und Jim Davis haben mit einem weiteren Kollegen die GRACE-Zwillingssatelliten (Gravity Recovery And Climate Experiment) genutzt, um die Auswirkungen der letzten Eiszeit zu messen. Auf der Höhe der letzten Eiszeit (die vor etwa 20.000 Jahren endete), bedeckte der Laurentidische Eisschild Nordamerika von der Arktis über das östliche Kanada bis zum Nordosten der USA. Er war so schwer, daß er die Oberfläche der Erde streckenweise Hunderte von Metern in die Tiefe preßte; diese Deformationen können durch Änderungen im lokalen Gravitationsfeld gemessen werden. Noch eine andere geologische Kraft ist am Werk gewesen, um die Gestalt der Erde zu verformen: die Bewegung der Kruste, angetrieben durch das heiße Innere der Erde. Es ist nicht einfach, die Einflüsse dieser beiden Prozesse auf die Gestalt der Erde voneinander zu trennen.
Die Wissenschaftler erkannten, daß mit den GRACE-Satelliten und deren präzisen Messungen der lokalen Schwerkraft möglicherweise zwischen diesen beiden Effekten im östlichen Nordamerika unterschieden werden könnte, denn wenn das Gewicht des jetzt geschmolzenen Eises des Laurentidischen Schilds für die Deformation verantwortlich gewesen ist, dann müßte man bemerken, daß die Erdkruste zurückfedert. Die Gruppe berichtete im Science Journal von den Resultaten ihrer Auswertung der Satellitendaten aus der Zeit von April 2002 bis April 2006. Ihre Schlußfolgerung: es gab zu beiden Seiten im Gebiet der heutigen Hudson Bay zwei gewaltige Eisdecken (eine von zwei möglichen Szenarien, das schon früher vermutet worden war) und das Schmelzen dieses Eises sowie das nachfolgende Zurückfedern der Erde trägt mit etwa 25 bis 45 Prozent zu den Änderungen im lokalen Schwerefeld bei. Die Ergebnisse helfen Wissenschaftlern die immer noch wirkenden Folgen der Eiszeit zu verstehen und ihr Verständnis von geologischen Abläufen weiterzuentwickeln.