Auf der Suche nach Planet Neun

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter https://pweb.cfa.harvard.edu/news)

Das Entdeckungsphoto von Pluto, den Clyde W. Tombaugh vom Lowell-Observatorium im Jahr 1930 fand. Astronomen vermuten heute, daß es einen bisher unbekannten Planeten 9 im fernen Sonnensystem geben könnte, aber eine neue Suche bei Millimeter-Wellenlängen hat keinen über-zeugenden Kandidaten gefunden.
Lowell Observatory; Tombaugh

Das Sonnensystem hat acht Planeten. 2006 stuften die Astronomen Pluto neu als Zwergplaneten ein, zu dem auch Eris, Sedna, Quaoar, Ceres und vielleicht noch viele andere Kleinkörper des Sonnensystems gehören. Diese werden in etwa definiert als Körper, die die Sonne umkreisen, aber (im Unterschied zu normalen Planeten) nicht massereich genug sind, um ihre Umgebung gravitativ so zu dominieren, daß sie diese von Material befreien. Astronomen fragen sich jedoch, ob es nicht vielleicht tatsächlich einen neunten, bisher unentdeckten Planeten gibt, der in den Außenregionen des Sonnensystems versteckt ist, vielleicht in der riesigen Oortschen Wolke, die Hunderte von Astronomischen Einheiten (AE) von der Sonne entfernt beginnt und sich von dort nach außen erstreckt.

Die Vorstellung, daß es einen neunten massereichen Planeten im äußeren Sonnensystem geben könnte, hat durch jüngste Daten, die zeigen, daß sich die Bahnparameter einiger kleiner Körper jenseits des Neptun (ihre Bahnneigungen, Perihel-drehungen und retrograden Bewegungen) so zu verhalten scheinen, als wären sie von der Schwerkraft eines massereichen Objekts im äußeren Sonnensystem beeinflusst worden, neue Anziehungskraft gewonnen. Obwohl diese Daten mit Beobach-tungsfehlern und statistischen Unsicherheiten behaftet sind, haben sie das Interesse an der Idee der Anwesenheit eines weiteren Planeten neu entfacht. Dieser hypothetische „Planet 9“ wäre Schätzungen zufolge etwa 5-10 Erdmassen groß und würde in einer Entfernung von etwa 400-800 AE um die Sonne kreisen. Ein Planet in dieser Entfernung wäre bei normalen optischen Himmelsdurchmusterungen wegen seiner geringen Helligkeit selbst für Teleskope wie LSST und PanSTARRS extrem schwer zu entdecken. Die meisten Objekte des Sonnensystems wurden bei optischen Wellenlängen über ihr reflektiertes Sonnenlicht entdeckt, aber das Sonnenlicht, das sie empfangen, nimmt mit dem Quadrat ihrer Entfernung von der Sonne ab; außerdem kommt der reflektierte Anteil dann zu den Teleskopen auf der Erde zurück und geht so nochmals um einen ähnlichen Faktor zurück. In den äußeren Bereichen des Sonnensystems könnten diese Objekte, obwohl sie kalt sind, mehr Infrarotstrahlung aussenden als das reflektierte optische Licht, und Astronomen haben in der Vergangenheit Infrarot-Durchmusterungen wie zum Beispiel die vom Wide-field Infrared Survey Explorer (WISE) zur Suche eingesetzt, allerdings ohne Erfolg.

Astronom Benjamin Schmitt vom CfA war Mitglied eines großen Teams, das mit dem 6-Meter-Atacama Cosmology Telescope (ACT) in Chile bei Millimeterwellenlängen nach Planet 9 suchte. Auch wenn das ACT für die Untersuchung der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung konzipiert wurde, macht es seine relativ hohe Winkelauflösung und Empfindlichkeit auch für diese Art der Suche geeignet. Die Astronomen haben über einen Zeitraum von sechs Jahren etwa 87 % des von der südlichen Hemisphäre aus zugänglichen Himmels abgetastet und die bei Millimeterwellenlängen erhaltenen Bilder dann mit einer Reihe von Techniken verarbeitet, darunter Binning- und Stacking-Methoden, die zwar schwache Quellen aufdecken können, doch geht dies mit Informationsverlusten zur Position einher. Bei ihrer Suche fanden sie viele mögliche Quellen (etwa 3500), aber keine konnte bestätigt werden, und es gab keine statistisch signifikanten Messungen. Die Wissenschaftler konnten jedoch mit 95-prozentiger Sicherheit einen Planeten 9 mit den oben geschätzten Eigenschaften innerhalb des unter-suchten Gebiets ausschließen, ein Ergebnis, das mit anderen ergebnislosen Fahndungen nach Planet 9 generell überein-stimmt. Die Ergebnisse decken nur ungefähr 10-20 % der Möglichkeiten ab, aber andere empfindliche Millimeter-Anlagen werden in Kürze in Betrieb genommen und sollten in der Lage sein, die Suche nach Planet 9, wie in einer Hypothese aufge-stellt, zu vervollständigen.

Literatur:

„The Atacama Cosmology Telescope: A Search for Planet 9“

Sigurd Naess et al.

The Astrophysical Journal 923, 224, 2021

oder

arXiv:2104.10264v2 [astro-ph.EP] 11 May 2021