Astronomie ohne Teleskop – Unser Universum liegt nicht in einem Schwarzem Loch

Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff

Wickelt ein rotierendes, massereiches Objekt die Raumzeit auf? Quelle: J. Bergeron / Sky and Telescope Magazine

Kürzlich wurde behauptet, daß eine neue wissenschaftliche Veröffentlichung die Schlußfolgerung ge-zogen habe, unser Universum befinde sich in einem Schwarzen Loch eines anderen Universums – doch diese Schlußfolgerung wurde so nicht gezogen. Vielmehr ergeben sich aus dieser Arbeit einige interessante, handfestere Ideen darüber, wie sich unser Universum am Anfang entfaltet haben könnte.

Die Einstein-Cartan-Kibble-Sciama-Theorie (ECKS-Theorie) der Gravitation – ein Gegenvorschlag zur Allgemeinen Relativitätstheorie (ART), der aber ebenfalls auf den Einsteinschen Feldgleichungen basiert – versucht der Wirkung des Spins massereicher Teilchen größere Bedeutung beizumessen. Während die ART im Wesentlichen beschreibt, wie durch Materie die Raumzeit gekrümmt wird, versucht die ECKS zusätzlich die Verdrehung der Raumzeit zu erfassen. Dies ist eine dynamischere Vorstellung von der einsteinschen Raumzeit-Krümmung – wobei man besser in Begriffen wie Biegung und Verdrehung denken sollte.

Wohlgemerkt, die ART ist durchaus in der Lage mit einer dynamischen Krümmung umzugehen. Befürworter der ECKS sind der Meinung, die ECKS weiche in Situationen sehr hoher Materiedichte, wie etwa in Schwarzen Löchern, von der ART ab. Die ART legt nahe, daß sich eine Singularität (mit unendlicher Dichte und null Volumen) hinter dem Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs bildet. Ein gänzlich unbefriedigendes Ergebnis, denn das Innere von Schwarzen Löchern scheint ein Volumen zu besitzen, denn massereichere Schwarze Löcher haben einen größeren Durchmesser als masseärmere. Die ART könnte somit bei der Behandlung aller Aspekte der Physik Schwarzer Löcher unzulänglich sein.

Die ECKS-Theorie versucht das Singularitätsproblem durch die Idee zu umgehen, daß eine extreme Verdrehung der Raumzeit, resultierend aus dem Spin massereicher Teilchen, die in einem Schwarzen Loch zusammengepreßt sind, die Bildung einer Singularität verhindert. Stattdessen wird durch den gewaltigen Druck der Eigendrehimpuls der Materie im Schwarzen Loch immer größer, bis ein Punkt erreicht ist, an dem die Raumzeit selbst verdreht bzw. aufgewickelt wird, soweit es eben geht. Von da an tritt Expansion (das heißt Abwickeln) der Raumzeit auf – und man hat ein neues Babyuniversum.

Aber das neue Babyuniversum kann nicht innerhalb des Schwarzen Lochs geboren werden und sich in diesem ausdehnen, denn man denke daran: hier gilt die ART. Und die besagt nun einmal, daß von jedem Bezugssystem außerhalb des Schwarzen Lochs betrachtet, die eben beschriebenen Ereignisse nicht eintreten können. Uhren scheinen sich bis zum Stillstand hin zu verlangsamen, je näher sie dem Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs kommen. Es macht für einen Beobachter außerhalb des Schwarzen Lochs keinen Sinn anzunehmen, daß sich im Inneren eines Schwarzen Lochs Ereignisse in einer zeitlichen Reihenfolge abspielen. Falls es in unserem Universum verbleibt, würde das mögliche Babyuniversum keine Zeit zur Kontaktaufnahme mit unserem Universum haben, bevor das Schwarze Loch verdampft – auch wenn von einem äußeren Bezugssystem betrachtet, dies erst in Googol Jahren eintreten könnte.

Stattdessen wird vorgeschlagen daß die Geburt und Ausdehnung eines neuen Babyuniversums sich entlang eines eigenen Asts der Raumzeit mit Hilfe des Schwarzen Lochs entwickelt, welches wie eine Einstein-Rosen-Brücke (d.h. ein Wurmloch) wirkt.

Das Horizont-Problem in der Big-Bang-Kosmologie Wieso besitzen weit voneinander entfernt gelegene Bereiche des Universums gleiche physikalische Eigenschaften? Vielleicht (lassen wir Occam‘s Rasiermesser bei Seite) wurden alle Bestandteile dieses Universums ursprünglich in einem Schwarzen Loch eines Paralleluniversums vereinheitlicht. Quelle: Addison Wesley

Wenn dies stimmt, ist das eine Endlosschleife und uns bleibt nichts anderes übrig als über das Rätsel der Herkunft des Multiversums nachzudenken – oder wenigstens das Ur-Universum, welches erstmals Schwarze Löcher bildete, in denen alle späteren Universen entstanden.

Was die ECKS ebenso interessant macht ist die Tatsache, daß ihr Torsionskonzept eine alternative Erklärung zur kosmischen Inflation anbietet. Materie und Energie, die in einem Schwarzen Loch zermalmt werden, sollten einen isotropen und homogenen Zustand erreichen – und wenn sich dann das neue Universum in sein hypothetisches Wurmloch ausdehnt, geschieht dies durch abwickeln der Raumzeit-Verdrillung, die im Schwarzen Loch aufgebaut wurde. So hat man eine Erklärung dafür, warum ein Universum expandiert – und warum es so isotrop und homogen ist.

Weiterführende Literatur (im Internet zu finden unter):

arXiv:1007.0587v2
N.J. Poplawski
Cosmology with torsion – an alternative to cosmic inflation (2010)