Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff
Atome bestehen aus Protonen, Neutronen und Elektronen. Wenn man sie zusammenpreßt und auf-heizt, erhält man ein Plasma, bei dem die Elektronen nur lose mit den einzelnen Kernen verbunden sind. Man erhält eine Licht emittierende Mischung aus positiv geladenen Ionen und negativ geladenen Elektronen. Preßt man die Materie noch weiter zusammen, bringt man die Elektronen dazu, mit den Protonen zu verschmelzen. Man erhält eine Ansammlung an Neutronen, so wie in einem Neutronen-stern. Doch was folgt, wenn man die Neutronen zu einem noch dichteren Zustand zusammenpreßt? Letztendlich entsteht ein Schwarzes Loch – doch zuvor bekommt man (zumindest hypothetisch) einen Strange-Stern.
Die Theorie erlaubt, daß extrem verdichtete Neutronen letztlich die starke Kernkraft überwinden und die Neutronen in ihre einzelnen Quarks aufgebrochen werden. Es entsteht eine annähernd gleiche Mischung aus Up-, Down- und Strange-Quarks. Die Quarks können noch weiter komprimiert werden und nehmen daher ein noch geringeres Volumen ein. Per definitionem nennt man diese Materieform „Seltsame Materie“. So ist es nicht verwunderlich, daß vorgeschlagen worden ist, sehr massereiche Neutronensterne könnten in ihren zusammengepreßten Kernen Seltsame Materie enthalten.
Es gibt Überlegungen, nach denen die Seltsame Materie eine viel grundlegendere stabile Anordnung darstellen soll als die „normale“ Materie. Sobald ein Sternkern seltsam wird, könnte sein Kontakt mit baryonischer Materie(d.h. Protonen und Neutronen) dazu führen, daß die baryonische Materie in die Seltsame Materie (die ja viel stabiler ist) übergeht. Das sind die Befürchtungen, die hinter der Angst um den Large Hadron Collider (LHC) standen, der durch die Bildung von Strangelets (anderer Name für die Seltsame Materie) die Erde zerstören könnte. Da jedoch nichts dergleichen geschah (wir leben noch und zerstören weiterhin die Erde), ist es vernünftig anzunehmen, daß sich Strange-Sterne auf die oben angedeutete Weise vermutlich nicht bilden.
Vielmehr dürfte sich ein “nackter” Strange-Stern, der vom Kern bis zur Oberfläche aus Strangelets besteht, auf natürliche Weise unter seiner eigenen Schwerkraft entwickeln. Sobald der Neutronen-sternkern beginnt, sich in Seltsame Materie umzuwandeln, sollte er sich weiter zusammenziehen. In den entstehenden leeren Raum wird die darüber liegende Schicht gezogen, deren Radius kleiner und Dichte höher wird. Damit erreicht diese Schicht einen Punkt, ab der sie ebenfalls seltsam wird. Dieser Vorgang wiederholt sich, bis eben der ganze Stern zum Strange-Stern wird. Es ist unglaubwürdig, daß ein Stern, dessen Kern so dicht wird, daß dieser notwendigerweise zu einem Schwarzen Loch kollabiert, dieses von einer sternähnlichen Kruste umgeben sein soll. Daher wird ein Neutronenstern, der einen seltsamen Kern entwickelt, unweigerlich durch und durch seltsam werden.
Wenn Strange-Sterne tatsächlich existieren, sollten sie einige verräterische Besonderheiten aufweisen. Wir wissen, daß Neutronensterne im Bereich von 1.4 bis etwa 2 Sonnenmassen liegen – und daß jeder Stern, der die Dichte eines Neutronensterns und über 10 Sonnenmassen aufweist, ein Schwarzes Loch werden muß. Dies läßt eine kleine Lücke – wenngleich es auch Belege für Schwarze Löcher bis herab zu nur 3 Sonnenmassen gibt. Der Bereich, in dem sich Strange-Sterne bilden könnten, erstreckt sich also nur von 2 bis 3 Sonnenmassen.
- Unter der Annahme eines stark komprimierten “Grundzustands” der Materie sollte ein Strange- bzw. Quark-Stern kleiner, aber massereicher als ein Neutronenstern sein. RXJ1856 liegt ungefähr in dem geforderten Größenbereich, dürfte aber zu wenig Masse besitzen, um der Theorie zu genügen. Quelle: chandra.harvard.edu
Die zu erwartenden elektrodynamischen Eigenschaften der Strange-Sterne sind ebenfalls von großem Interesse [1]. Wahrscheinlich werden die Elektronen in Richtung Oberfläche verdrängt. Es bleibt ein Sternenkörper mit einer positiven Nettoladung zurück, der von einer negativ geladenen Atmosphäre aus Elektronen umgeben ist. Nimmt man ein Mindestmaß an differentieller Rotation zwischen dem Sternkörper und der Atmosphäre aus Elektronen an, würde ein solches Konstrukt ein Magnetfeld von der Stärke erzeugen, die man bei einigen Kandidaten beobachtet hat.
Eine weitere, ausgeprägte Besonderheit sollte die Größe sein. Ein Strange-Stern sollte kleiner als die meisten Neutronensterne sein. Ein Kandidat ist RXJ1856, der ein Neutronenstern zu sein scheint, aber einen Durchmesser von nur 11 Kilometer aufweist. Neuere Messungen haben diese Annahme jedoch widerlegt [2] und so bleibt der Strange-Stern weiterhin ein seltsames Konstrukt der Theorie.
Weiterführende Literatur (im Internet zu finden unter):
[1] Rodrigo P. Negreiros, Igor N. Mishustin, Stefan Schramm and Fridolin Weber
Properties of Bare Strange Stars Associated with Surface Electrical Fields (2010)
[2] Timothy M. Braje, Roger W. Romani
RX J1856–3754: Evidence for a Stiff Equation of State (2002)