Astronomie ohne Teleskop – Plausibilitätscheck

 Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff
 
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Die Aufnahme sieht gut aus – aber wir wollen einmal gründlicher über dieses Bild nachdenken. Wir haben zwei Sterne eines Binärsystems, deren Winkeldurchmesser und Spektraleigenschaften denen unserer Sonne ziemlich ähnlich sind. Die Sonnen scheinen durch eine Atmosphäre, die, so scheint es, Wasserdampf enthält (zumindest deuten dies die Wolken an). Ist dies glaubwürdig? Quelle: NASA 
Die Aufnahme zeigt zwei Sterne, die einem Stern vom Typ G ziemlich ähnlich sehen. Wenn dem so ist, dann lassen ihre annähernd 0.5 Grad Winkeldurchmesser am Himmel vermuten, daß sie beide nur etwa 1 Astronomische Einheit entfernt sind. Das dürfte in Ordnung gehen. Man könnte sich auch ohne Probleme einen Roten Zwerg und einen entfernten Blauen Riesen mit identisch erscheinenden Durchmessern vorstellen, doch würden sie sich in Farbe und Helligkeit beträchtlich von den beiden Sternen auf unserem Bild unterscheiden. 
Wenn also die beiden Sonnen etwa die gleiche Größe und in etwa die gleiche Entfernung aufweisen, dann ist es wahrscheinlich, daß wir auf einem Planeten stehen, der beide Sterne in seiner Umlaufbahn einschließt. 
Um aber eine stabile Umlaufbahn um ein Binärsystem zu erlauben, muß ein Planet entweder in einer sehr großen Entfernung zu den beiden Sternen liegen, damit diese im Wesentlichen als ein einziges Massezentrum wirken, oder die beiden Sterne müssen wirklich sehr dicht beieinander stehen, damit sie auch in diesem Fall als gemeinsames Massezentrum wirken können. Denn es ist unwahrscheinlich, daß ein Planet eine stabile Bahn um ein Binärsystem aufrecht erhalten kann, wo er den Stößen durch die Schwerkraft ausgesetzt ist, wenn erst der eine Stern nahe vorbeizieht und später dann der zweite nahe vorbeikommt. 
Wie dem auch sei: stehen wir auf einem Planeten und beobachten einen doppelten Sonnenuntergang – und wir sind eine auf Wasser als Lösungsmittel basierende Lebensform – dann liegt dieser Planet in der lebensfreundlichen Zone des Sternsystems, in der H2O in flüssiger Form existieren kann. Dieses – und die scheinbare Größe und Nähe der Sonnen zueinander machen es sehr wahrscheinlich, daß wir zwei Sterne umkreisen, die ziemlich dicht beieinander stehen. 
 
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Wenn wir einen Planeten in eine lebensfreundliche Zone um ein Binärsystem bringen wollen, sind die Wahlmöglichkeiten vermutlich beschränkt: entweder auf Planeten, die zwei eng beieinander liegende Sterne umkreisen (circumbinäre Planeten) oder circumstellare Planeten, die nur einen Stern in einem weit auseinanderstehenden Binärsystem umrunden. Quelle: NASA/JPL 
Denken wir weiter: wenn wir akzeptieren, daß hier zwei Sterne vom Typ G am Himmel stehen, dann ist es unwahrscheinlich, daß unser Planet genau eine astronomische Einheit von beiden entfernt ist, da die Anwesenheit von zwei gleichen Sternen den stellaren Strahlungsfluß, den man von einem Stern erhält, annähernd verdoppeln sollte. Aber man kann nicht einfach die Entfernung verdoppeln um den Strahlungsfluß zu halbieren. Verdoppelt man die Entfernung, werden zwar die scheinbaren Durch-messer der Sterne am Himmel halbiert, da aber das quadratische Abstandsgesetz für ihre Helligkeit und ihren solaren Strahlungsfluß gültig ist, ergibt sich, daß bei Verdopplung der Entfernung man nur ein Viertel von deren Strahlungsfluß erhält. Mit ungefähr der Quadratwurzel aus zwei, also circa 1.4 Astronomische Einheiten von den beiden Sternen entfernt, könnten wir in etwa richtig liegen. 
Das bedeutet aber wiederum, daß die Sterne einen größeren als einen Sonnendurchmesser benötigen, um die gleiche scheinbare Größe beizubehalten, die sie am Himmel haben. Daraus folgt, daß sie mehr Masse besitzen müssen – was sie dann aber in eine Spektralklasse mit höherem Strahlungsfluß hievt. Zum Beispiel besitzt Sirius A den 1.7-fachen Sonnendurchmesser sowie ungefähr das Doppelte ihrer Masse – und folglich eine rund 25-mal höhere absolute Leuchtkraft. Selbst bei einer Entfernung von 2 Astronomischen Einheiten würde Sirius A ungefähr 5-mal so hell leuchten und 5-mal mehr Strahlung an die Erde abgeben als die Sonne (oder 10-mal mehr, wenn 2 solcher Sterne am Himmel stünden). 
Fassen wir also zusammen. 
Es ist schwer, ein Szenario zu entwerfen, bei dem zwei am Himmel stehende Sterne gleiche scheinbare Durchmesser sowie gleiche Farbe und Helligkeit aufweisen, sofern wir uns nicht in einer Umlaufbahn um die beiden gleichen Sonnen befinden. Es gibt aber keinen Grund daran zu zweifeln, daß ein Planet einen stabilen Orbit um zwei spektralgleiche Sterne aufrechterhalten könnte, die wie die Sonne zum Typ G oder einer anderen Spektralklasse gehören. Dennoch bleibt es schwer, ein glaubhaftes Bild zu entwickeln, bei dem Sterne am Himmel einen Winkeldurchmesser wie auf dem Bild zeigen und zudem unser Planet sich in der lebensfreundlichen Zone des Systems befindet. 
Vorstellbar wäre, daß wir uns auf einem Wüstenplaneten befinden, aber zwei Sterne mit intensiverem Strahlungsfluß als der Spektralklasse G würden vermutlich die Atmosphäre wegblasen – selbst zwei G-Sterne würden ein Venus-Szenario ergeben (die ziemlich das doppelte an Sonnenstrahlung wie die Erde empfängt, da sie 28% näher an der Sonne liegt). Die beiden Sonnen könnten kleinere K- oder M-Sterne sein, doch dann sollten sie auf dem Bild röter erscheinen – und der Planet müßte näher bei den Sonnen stehen. Dann wäre er aber in einem Bereich, wo es unwahrscheinlich ist, daß unser Planet eine stabile Umlaufbahn halten könnte. 
Fazit unserer Betrachtung: das Bild ist zwar schön, aber nicht stichhaltig.