Astronomie ohne Teleskop – Schwarze Löcher: Die frühen Jahre

Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff
 
 binärsystem 
Massereiche, röntgenstrahlende Binärsysteme (High mass X-ray binaries = HMXB) waren vermutlich im frühen Universum weit verbreitet – die Röntgenstrahlung abgebende Komponente, das Schwarze Loch, könnte das Schicksal des späteren Universums geprägt haben. Quelle: ESO 
Immer mehr wird die Meinung vertreten, daß Schwarze Löcher im frühen Universum die Saatkörner gewesen sein könnten, um die herum die meisten der heutigen großen Galaxien (die heute in ihrer Mitte große, supermassereiche Schwarze Löcher beherbergen) wuchsen. Und geht man einen Schritt weiter in die Vergangenheit zurück, könnte es auch sein, daß Schwarze Löcher der Schlüssel zur Reionisierung des frühen interstellaren Mediums waren – welches in der Folge dann die Strukturen des heutigen Universums beeinflußte. 
Fassen wir diese frühen Jahre kurz zusammen… Da war zuerst der Big Bang und für etwa 3 Minuten war alles unglaublich dicht und infolgedessen sehr heiß. Aber nach 3 Minuten bildeten sich die ersten Protonen und Elektronen und für die nächsten 17 Minuten verschmolz ein Teil dieser Protonen und erzeugte Heliumkerne – bis bei 20 Minuten nach dem Urknall das expandierende Universum so kühl wurde, daß es die Nukleosynthese nicht mehr aufrecht erhalten konnte. Von da an bildeten Protonen, Heliumkerne und Elektronen für die nächsten 380.000 Jahre ein sehr heißes Plasma. 
Es gab natürlich auch Photonen. Sie wurden in diesem brodelnden, heißen Plasma in einem sich ständig wiederholendem Prozeß augenblicklich durch benachbarte Teilchen absorbiert und wieder freigegeben. Doch nach 380.000 Jahren war das sich ausdehnende Universum soweit abgekühlt, daß sich die Protonen und Heliumkerne mit den Elektronen verbinden konnten und so die ersten Atome bildeten – und plötzlich blieben die Photonen in einem leeren Raum zurück, in dem sie sich in Form der allerersten Lichtstrahlen frei bewegen konnten. Heute messen wir diese Strahlung als kosmischen Mikrowellen-Hintergrund. 
Was folgte, war das sogenannte Dunkle Zeitalter. Es währte bis etwa eine halbe Milliarde Jahre nach dem Urknall, als sich die ersten Sterne zu bilden begannen. Es ist wahrscheinlich, daß diese Sterne groß, wahrhaft riesig waren, da die zur Verfügung stehenden kalten, stabilen Wasserstoffatome (und Heliumatome) sich leicht ansammelten und zusammenballten. Einige dieser ersten Sterne könnten so groß gewesen sein, daß sie sich sehr schnell durch eine Paarinstabilitäts-Supernova in Stücke gerissen haben. Andere waren so groß, daß sie direkt zu Schwarzen Löchern zusammenstürzten – ihre eigene Schwerkraft war zu gewaltig, um in einer Supernova irgendwelches Sternmaterial abzusprengen. 
Und hier beginnt die Geschichte der Reionisation. Die kalten, stabilen Wasserstoffatome des frühen interstellaren Mediums blieben nicht für lange kalt und stabil. In einem kleineren Universum, vollgepackt mit massereichen Sternen, wurden diese Atome schnell wieder heiß, was zum Verlust ihrer Elektronen führte und die Atome wieder zu Ionen machte. Dies führt zu einem dünnen Plasma – wieder sehr heiß, aber jetzt zu diffus, um für Licht wieder undurchlässig zu werden. 
 
 reionisation
Vom Ion zum Atom und zurück zum Ion – daher der Begriff Reionisation. Der einzige Unterschied ist, daß eine halbe Milliarde Jahre nach dem Big Bang das reionisierte Plasma des interstellaren Mediums diffus war, so daß es für Strahlung durchsichtig blieb – und immer noch ist.
Vermutlich begrenzte dieser Reionisierungsschritt die Größe, zu der neue Sterne anwachsen konnten – ebenso wie er die Möglichkeiten einschränkte, wie groß neue Galaxien werden konnten – da heiße, angeregte Ionen im Gegensatz zu kalten, stabilen Atomen eine geringere Neigung besitzen, sich anzusammeln und zusammenzuballen. Reionisation kann zur gegenwärtigen „klumpigen“ Verteilung der Materie beigetragen haben, die gemeinhin in große, einzelne Galaxien denn in überall gleichmäßig verteilte Sterne organisiert ist. 
Es ist vorgeschlagen worden, daß die frühen Schwarzen Löcher – genau genommen Schwarze Löcher in den High mass X-ray binaries – einen erheblichen Beitrag zur Reionisation des frühen Universums geleistet haben könnten. Computermodelle deuten darauf hin, daß das frühe Universum mit seiner Tendenz zur Bildung sehr massereicher Sterne sehr viel eher Schwarze Löcher als stellare Überreste hervorgebracht hat als Neutronensterne oder Weiße Zwerge. Zudem dürften diese Schwarzen Löcher viel öfter in Binärsystemen als durch Einzelsterne entstanden sein (da sich massereiche Sterne öfter in Mehrfachsternsystemen bilden als masseärmere Sterne).
In einem massereichen Binärsystem, bei dem ein Teil ein Schwarzes Loch ist, wird das Schwarze Loch schnell beginnen, eine große Akkretionsscheibe anzusammeln, die sich aus dem abgesaugten Material des anderen Sterns aufbaut. Die Akkretionsscheibe beginnt, hochenergetische Photonen abzustrahlen. Dies geschieht vornehmlich bei Energien im Röntgenbereich. 
Während die Zahl der ionisierenden Photonen, die von einem akkretierenden Schwarzen Loch ausgesendet werden, vermutlich in der gleichen Größenordnung liegen wie die des hellen, leuchtkräftigen Vorläufersterns, würde man aber erwarten, daß die Akkretionsscheibe einen wesentlich größeren An-teil an hochenergetischen Röntgenphotonen aussendet. Jedes dieser Photonen kann auf seinem Weg potentiell mehr Atome aufheizen und ionisieren als es ein Photon des leuchtkräftigen Sterns könnte. Solch ein Photon würde nur ein oder zwei Atome wieder ionisieren können. 
Schwarze Löcher… Gibt es irgendetwas, was sie nicht vollbringen könnten?
 
Weiterführende Literatur (im Internet zu finden unter):
arXiv:1102.1891v1
I.F. Mirabel, M. Dijkstra, P. Laurent, A. Loeb, J.R. Pritchard
Stellar black holes at the dawn of the universe (2011)