Das ITN beruht auf Schwerkraftmanöver für einen Bahnwechsel zwischen Lagrange-Punkten unter niedrigem Energieaufwand. Mit dem Einsatz des ITN ist es theoretisch möglich, mit einem äusserst schonenden Verbrauch von Treibstoff durch das Sonnensystem zu reisen, solange man eine Menge Geduld aufbringt und nichts dagegen hat, häufig grosse Umwege in Kauf zu nehmen, um ans Ziel zu gelangen.
Stellt man sich das Sonnensystem als ein Gummituch vor, das durch Gravitationstrichter eingedellt wird, dann sind die Planeten in Wahrheit nur kleine Dellen unterschiedlicher Tiefe, die sich zusätzlich in die Fläche des allumfassenden Schwerkrafttrichters der Sonne eindrücken.
Wichtig für diese Geschichte ist, dass die Ränder dieser kleinen Dellen nahezu flach in Bezug auf die ansonsten steilen Trichterhänge sind, die von der Sonne und den Planeten gebildet werden. Es ist viel weniger Energie notwendig, auf diesen flachen Rändern umherzureisen, als wenn man versucht, die steilen Hänge der Gravitationstrichter unmittelbar hinaufzuklettern.
Der um den irdischen Gravitationstrichter der Erde herum verlaufende flache Rand ist durch den Lagrange-Punkt 1 (oder L1) besonders ausgezeichnet, der direkt zwischen Sonne und Erde liegt – hinzu kommt der zu L1 entgegengesetzte Lagrange-Punkt 2 (oder L2), der geradewegs von der Sonne weg weist.
Es ist für eine Raumsonde möglich, einen Lagrange-Punkt zu umkreisen und so mit sehr geringem Energieaufwand um die Sonne befördert zu werden.
Auch stellen Lagrange-Punkte Knotenpunkte dar, von denen aus zwischen verschiedenen Planetenbahnen ein Transport mit niedrigem Energieaufwand möglich wird. Als sei die Raumzeit-Krümmung des Sonnensystems ein riesiger Skateboardpark, ist es möglich, bei L1 auszusteigen und einer Flugbahn bis zur Venus zu folgen – oder man kann entlang des flachen Rands des irdischen Gravitations-trichters für etwa 3 Millionen Kilometer bis zu L2 gleiten, um sich dann auf einen langen gewundenen Pfad zu L1 des Mars aufzumachen.
Die mathematische Auswertung der gravitativen Wechselwirkungen zwischen drei oder vier Körpern (z. Bsp. Raumschiff, Erde, Sonne – und dann zusätzlich der Mars) – ist schwierig und zeigt gewisse ähnlichkeiten mit der Chaostheorie. Aber solch eine Untersuchung kann verbindende Bahnen durch das ganze Sonnensystem aufdecken, die die ITN-Befürworter als Röhren bezeichnen.
Das linke Bild (Quelle: American Scientist) zeigt eine ITN-Röhre, die sich dem L2-Punkt der Erde nähert. An diesem Punkt kann ein kosmischer Anhalter entweder auf einer Flugbahn Richtung Venus kehrtmachen (rote Linie), in einer Umlaufbahn um L2 verbleiben und mit der Erde weiterziehen oder seinen Weg fortsetzen (blaue Linie) und vielleicht in eine andere ITN-Röhre auf dem Weg zum Mars eintreten. Das rechte Bild zeigt die ironische Darstellung eines ITN-Röhrennetzwerks (Quelle: NASA).
ITN-Grundsätze wurden bei einer Anzahl von Raumfahrtmissionen angewandt, um Kraftstoff einzu-sparen. Edward Belbruno plante 1991 für die japanische Sonde Hiten einen Flug zum Mond, bei der die Sonde nur 10 % an Treibstoff mitführte, der für einen traditionellen Flug Voraussetzung ist, um auf eine Mondumlaufbahn einzuschwenken. Das Manöver war erfolgreich, auch wenn die Reisezeit zum Mond fünf Monate an Stelle der üblichen drei Tage dauerte. Auch für die Genesis-Mission der NASA und SMART-1 der ESA gilt, ITN-artige Flugbahnen unter geringem Energieeinsatz genutzt zu haben.
Also ihr armen Anhalter, vielleicht könnt ihr jetzt die grosse Reise zu den Planeten unter Verwendung der ITN starten – aber seid sicher, es wird eine sehr lange Reise.
Von Steve Nerlich in Universe Today. übersetzt von Harald Horneff