Astronomie ohne Teleskop – Kosmische Magnetfelder

Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff

Magnetfelddaten der Whirlpool-Galaxie, auch M51 genannt Quelle: Max Planck Institut für Radioastronomie, Bonn


Die Erwähnung kosmischer Magnetfelder verursacht vermutlich in einigen astronomischen Zirkeln unbehagliches Schweigen – und nach ein wenig Fußscharren und Räuspern wird die Diskussion sich schnell sichereren Themenfeldern zuwenden. Nichtsdestotrotz sind die Magnetfelder dort draußen. Sie spielen wahrscheinlich eine Rolle in der Galaxienentwicklung, wenn nicht sogar bei der Galaxienentstehung – und sind gewiß eine Eigenschaft des interstellaren wie des intergalaktischen Mediums.
Man hofft, daß die nächste Generation an Radioteleskopen, wie das LOFAR ((Low Frequency Array) und das SKA (Square Kilometer Array) es ermöglichen werden, solche Felder mit nie dagewesener Genauigkeit zu kartieren – und wenn dabei nur herauskommen sollte, daß kosmische Magnetfelder allenfalls eine unbedeutende Rolle in der großräumigen Kosmologie spielen. Es ist immerhin ein Wert an sich, genauer hingeschaut zu haben.
Auf der Ebene eines Sterns spielen Magnetfelder eine Schlüsselrolle bei dessen Entstehung, da sie es dem Protostern ermöglichen, seinen Drehimpuls zu verringern. Im Wesentlichen wird das Eigendrehmoment des entstehenden Sterns durch magnetischen Widerstand gegen die umgebende Akkretionsscheibe herabgesetzt – was dem Protostern erlaubt, mehr Masse anzusammeln ohne sich selbst durch den hierdurch anwachsenden Drehimpuls auseinanderzureißen.
Auf galaktischer Ebene erzeugen Akkretionsscheiben um stellare Schwarze Löcher Jets, die heißes, ionisiertes Material in das interstellare Medium einbringen – während das in einem galaktischen Zentrum gelegene supermassereiche Schwarze Loch Jets hervorbringen kann, die solches Material in das intergalaktische Medium eintragen.
In Galaxien könnten sich die ersten Magnetfelder aus turbulenten Strömungen ionisierten Materials entwickelt haben, vielleicht zusätzlich durch Supernova-Explosionen verwirbelt. In Scheibengalaxien könnten solche „Urmagnetfelder“ zusätzlich durch einen Dynamoeffekt verstärkt worden sein, der daraus folgt, daß sie in die rotierende Bewegung der ganzen Galaxie mit hineingezogen wurden. Bei solchen Magnetfeldern von galaktischer Größenordnung kann oft beobachtet werden, daß sie sowohl Spiralmuster über die ganze Scheibengalaxie hinweg formen als auch einige senkrechte Strukturen innerhalb eines galaktischen Halos zeigen.
Ähnlich Urmagnetfelder könnten im intergalaktischen Medium auftauchen oder wenigstens im Raum zwischen den Galaxienhaufen. Es ist aber nicht bekannt, ob die gewaltigen Leerräume (sogenannte Voids) zwischen den Galaxienhaufen eine ausreichende Zahl an geladenen Teilchen aufweisen, um merkliche Magnetfelder hervorzurufen.
Urmagnetfelder im Raum zwischen den Galaxienhaufen könnten bis zu einem gewissen Grad durch verwirbeln, angetrieben von Jets supermassereicher Schwarzer Löcher, verstärkt werden. Aber auf Grund fehlender Daten können wir nur vermuten, daß solche Felder viel diffuser und chaotischer sind als Magnetfelder zwischen den Galaxien.
Die Stärke von Magnetfeldern innerhalb der Galaxienhaufen beträgt durchschnittlich 3 x 10-6 Gauß, was nicht gerade viel ist. Das Erdmagnetfeld hat eine durchschnittliche Stärke von 0.5 Gauß und ein Kühlschrankmagnet bringt es auf etwa 50 Gauß. Nichtsdestotrotz liefern solche Intraclusterfelder die Gelegenheit, frühere Wechselwirkungen zwischen Galaxien oder Galaxienhaufen (seien es Kollisionen oder Verschmelzungen) zurückzuverfolgen – und vielleicht zu ermitteln, welche Rolle Magnetfelder im frühen Universum spielten, besonders mit Blick auf die Bildung der ersten Sterne und Galaxien.
Magnetfelder können auf indirektem Wege mittels einer Vielzahl an Phänomenen erkannt werden:
Sichtbares Licht wird bei Anwesenheit von Staubkörnchen, die durch ein Magnetfeld in eine be-stimmte Richtung ausgerichtet werden, teilweise polarisiert und dieses Licht nur noch in einer bestimmten Ebene durchgelassen wird
Auf größerem Maßstab kommt die Faraday-Rotation ins Spiel, bei der die Ebene des schon polarisierten Lichts insgesamt durch die Anwesenheit eines Magnetfeldes gedreht wird
Zusätzlich gibt es noch die Zeeman-Aufspaltung, bei der Spektrallinien – die gewöhnlich die Anwesenheit eines Elements wie zum Beispiel Wasserstoff verraten – aufgespalten werden, wenn das sie verursachende Licht ein Magnetfeld passiert hat.
Eine Durchmusterung des gesamten Himmels nach Synchrotron-Strahlungsquellen (z. Bsp. Pulsare, Blazare) erlaubt die Erstellung eines Gitters aus Datenpunkten, das als Ergebnis intergalaktischer oder Intracluster-Magnetfelder eine Faraday-Rotation durchlaufen haben könnte. Man hofft, daß die hohe Auflösung des SKA die Beobachtung von Magnetfeldern im frühen Universum zurück bis zu einer Rotverschiebung von etwa z = 5 ermöglicht, was uns einen Blick auf ein Universum geben würde, wie es vor etwa 12 Milliarden Jahren war.
Weiterführende Literatur (im Internet zu finden unter):
arXiv:1104.3749v1
Rainer Beck
Cosmic Magnetic Fields: Observations and Prospects (2011)