Astronomie ohne Teleskop – Himmelstürme

Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff

Arthur C Clarke sagte angeblich, daß ein Aufzug in den Weltraum gebaut würde, fünfzig Jahre nach-dem die Menschen aufgehört hätten zu lachen. Der erste Himmelsturm jedoch… nun, daß könnte sogar hundert Jahre dauern. Die Idee, daß sich ein Bauwerk bis in eine Höhe von 100 km erhebt, er-scheint bei den heutigen technischen Möglichkeiten mehr als unwahrscheinlich, da wir bislang nichts Höheres als bis zu einem Kilometer bauen können. Die Idee, daß man etwas bis in eine geostationäre Umlaufbahn in 36.000 km Höhe bauen könnte, ist geradezu schlichtweg lächerlich… oder doch nicht?

Befürworter eines Turmbaus weisen auf ein Schlüsselproblem bei der Konstruktion des Weltraum-aufzugs hin. Nachdem man Jahre damit verbracht hat, eine Methode zu entwickeln, um fehlerfreie Kohlenstoff- oder Bornanoröhrenfasern für eine Länge von 36.000 km herzustellen – die leicht genug sind, um nicht unter ihrem eigenen Gewicht zu brechen, aber stark genug, um eine Aufzugkabine zu befördern – stellt man plötzlich fest, daß man auch Energie für die Antriebsmaschine der Kabine be-nötigt. Und folgt daraus nicht, daß man 36.000 km konventioneller (und schwerer) elektrischer Kabel zu dieser Konstruktion hinzufügen muß?

Allerdings bringt der Bau eines Weltraumturms seine eigenen Schwierigkeiten mit sich. Man hat aus-gerechnet, daß ein Stahlturm von 100 km Höhe mit Aufzug und Kabel eine im Querschnitt hundert-fach größere Grundfläche benötigt als seine Spitze hoch ist und eine Masse besitzt, die 135-mal größer als seine Nutzlast (vielleicht eine Besucherplattform für Touristen) ist.

Eine stabile Konstruktion, die eine Aussichtsplattform in 36.000 km Höhe halten könnte, benötigt einen Turm, der 10 Millionen Mal mehr Masse besitzt als seine Nutzlast – mit einer Grundfläche, die ganz Spanien bedeckt. Und das einzige Konstruktionsmaterial, das den auftretenden Belastungen ver-mutlich standhalten könnte, wäre wohl industriell hergestellter Diamant.

Ein etwas wirtschaftlicherer Denkansatz, der aber nicht weniger ehrgeizig ist, sind zentrifugale und kinetische Türme. Dies sind Tragwerke, die möglicherweise über eine Höhe von 100 km hinausgehen können, eine beträchtliche Masse an ihrer höchsten Stelle stützen und dennoch strukturelle Stabilität aufrechterhalten können. Dies geschieht mittels einer sehr schnell rotierenden, geschlossenen Kabel-schlinge, die dadurch nicht nur ihr eigenes Gewicht stützt, sondern durch die Zentrifugalkraft auch Auftrieb erzeugt. Die Rotation der Kabelschlinge wird durch eine auf der Erde befindliche Maschine angetrieben, die auch einen gesonderten Kabelaufzug betreibt, um mutige Touristen nach oben zu be-fördern. Um eine Höhe von 36.000 km zu erreichen, werden leichtere Materialien und eine stufige Bauweise vorgeschlagen. Aber es wäre sinnvoll, zuerst zu prüfen, ob diese auf dem Papier großartige Konstruktion auf einen geplanten 4 km hohen Testturm übertragen werden kann – erst danach kann man weitersehen.

Es gibt zudem auch Vorschläge für aufblasbare Himmelstürme. Mit heißer Luft soll man eine Höhe von 3 km, mit Helium 30 km und mit Wasserstoff sogar 100 km erreichen können (es wird immer ver-rückter). Angeblich könnte ein 36.000 km hoher Turm machbar sein, wenn man ihn mit Elektronen-gas füllt. Elektronengas ist ein seltsamer Stoff. Es soll in der Lage sein, bei einem gegebenen Volumen in Abhängigkeit von der auf der dünnen, äußeren Filmmembran aufgebrachten Ladung unterschied-liche Drücke aufzubauen. Dies würde eine Konstruktion erlauben, die unterschiedlichen Belastungen widersteht – in aufgeladenem Zustand ahmt das hoch angeregte Elektronengas ein molekulares Gas unter hohem Druck nach, doch bei verringerter Ladung übt es weniger Druck aus und die umgeben-de Hülle wird flexibler – obwohl in beiden Fällen die Gesamtmasse des Gases unverändert und zweck-dienlich niedrig bleibt.

Ein aufblasbarer, 100 km hoher und 300 km langer Damm, um Raumschiffe horizontal zu starten. Menschen könnten die Beschleunigungskräfte, die zum Erreichen der Umlaufbahn notwendig sind, überleben – was sie gewiß nicht würden, wenn man die gleiche Flugbahn von Meereshöhe aus zu er-halten versucht. Quelle: Josh Hall, autogeny.org/tower/tower.html

Wem das alles unsinnig erscheint, für den gibt es noch den 100 km hohen Damm, der horizontalen Raumstart ohne Rakete erlauben würde – vielleicht mit einer riesigen Eisenbahnkanone oder andere ähnliche theoretische Vorrichtungen, die auf dem Papier wunderbar funktionieren.

Weiterführende Literatur (im Internet zu finden unter):

arXiv:1002.2405v1

Mark Krinker

Review of New Concepts, Ideas and Innovations in Space Towers (2010)