Astronomie ohne Teleskop – Eine vollgefüllte Nanosekunde

Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff

Vor Jahren war man überwältigt von der Zahl an Fakten, die ein Buch über die ersten drei Minuten nach dem Urknall durch Beobachtung und Theorie für diese frühen Momente des Universums an-bieten konnte. Heute liegt die Aufmerksamkeit mehr darauf, was im Zeitraum zwischen 1*10-36 und 1*10-32 innerhalb der allerersten Sekunde geschah, wo wir versuchen, die Theorie mit noch genaueren Beobachtungen des kosmischen Mikrowellen-Hintergrunds CMB (Cosmic Microwave Background) zu verbinden.

Etwa 380.000 Jahre nach dem Urknall wurde das frühe Universum so „kalt und leer“, daß sich Licht ungehindert ausbreiten konnte, und es auch heute noch kann – beladen mit der Information über die „Oberfläche der letzten Streuung“. Vor dieser Zeit wurden die Photonen ständig durch das heiße, dichte Plasma des noch jüngeren Universums absorbiert und emittiert (also gestreut) – und konnten sich nie wie Lichtstrahlen ausbreiten.

Durch die urplötzliche „Leere und Kälte“ im Universum konnten sich die Elektronen mit den Kernen verbinden, um die ersten Atome zu bilden. Als Folge davon wurde das Universum für Strahlung plötzlich durchlässig. Dieser erste „Lichtausbruch“ bestand aus Photonen, die in diesem einzigartigen Moment emittiert wurden – denn die Verhältnisse im Universum machten solch einen universellen Energieausbruch nur ein einziges Mal möglich.

Mit der Expansion des Universums über die weiteren rund 13.6 Milliarden Jahre wurden eine Menge dieser Photonen vermutlich absorbiert, aber es sind dennoch genug übrig geblieben, um den heutigen Himmel mit einem charakteristischen Energiespektrum zu überziehen. Diese Photonen, die einst als energiereiche Gamma-Strahlung ihre Reise begannen, wurden durch die Ausdehnung des Kosmos bis heute aber zu Mikrowellen gedehnt. Nichtsdestotrotz enthält das Licht jetzt dieselbe Information zur „Oberfläche der letzten Streuung“.

Beobachtungen sagen uns, das die CMB bis zu einem gewissen Grad bemerkenswert isotrop (gleich-förmig) ist. Dies führte zur kosmischen Inflationstheorie, die davon ausgeht, daß das mikroskopisch kleine Universum eine exponentiell verlaufende Expansion bei etwa 1*10-36 innerhalb der allerersten Sekunde durchlief – was erklärt, warum alles so gleichmäßig verteilt erscheint. Doch betrachtet man den CMB etwas genauer, so zeigen sich winzige Unregelmäßigkeiten – oder Asymmetrien – in den von der Wilkinson Microwave Anisotropy Probe (WMAP) gesammelten Daten.

Die bemerkenswerteste Tatsache an dem CMB ist ihre auf großen Längen auftretende Isotropie und daß man einige feinkörnige Anisotropien darin findet, ist vielleicht doch nicht so überraschend. Aber mit diesen Daten können Theoretiker mathematische Modelle erstellen, die etwas über den Aufbau des frühen Universums aussagen.

Einige Theoretiker sprechen von CMB-Quadrupol-Anomalien. Hinter der Quadrupol-Idee steht im Wesentlichen die Beschreibung einer Energiedichte-Verteilung in einem kugelförmigen Volumen, in dem Licht auf/ab oder vorwärts/rückwärts (bzw. Variationen von diesen vier „polaren“ Richtungen) gestreut werden kann. Das Ausmaß der unterschiedlichen Ablenkung an der „Oberfläche der letzten Streuung“ deutet demzufolge Anisotropien im sphärischen Volumen an, die das frühe Universum wiederspiegeln.

Was ist zum Beispiel, wenn dieses frühe Universum mit kleinen Schwarzen Löchern (Mini Black Holes = MBHs) angefüllt gewesen war? Scardigli et al. untersuchten mathematisch drei Szenarien, die kurz vor dem Zeitpunkt der kosmischen Inflation bei 1*10-36 Sekunden lagen:

1) das winzige uranfängliche Universum war mit MBHs angefüllt, 2) die gleichen MBHs verdampften sofort unter Bildung vieler Punktquellen an Hawking-Strahlung oder 3) es gab keine MBHs, was in Übereinstimmung mit gängigen Theorien steht.

Nach den Berechnungen der Gruppe um Scardigli stimmt Szenario 1 am besten mit den WMAP-Beobachtungen der ungewöhnlichen Quadrupol-Anisotropien überein. Ein winziges Protouniversum, gefüllt mit MBHs. Wenn höher aufgelöste Beobachtungen des CMB durch den Planck-Satelliten oder zukünftiger Missionen vorhanden sind, eröffnet sich die Möglichkeit, weitere Alternativen zu testen.

Weiterführende Literatur (im Internet zu finden unter):

arXiv:1009.0882v2

F. Scardigli, C. Gruber and P. Chen

Black hole remnants in the early universe (2010)