Astronomie ohne Teleskop – Eine Kartoffel, zwei Kartoffeln

Manchmal ist es gut, nach all den gehirnakrobatischen kosmologischen Modellen, der verwirrenden Welt der Quanten oder den Geschehnissen 10-23 Sekunden nach dem Urknall eine Pause machen zu können und sich wieder grundlegenden astronomischen Fragestellungen zuzuwenden. So zum Beispiel der aufwühlenden Frage nach dem „Kartoffelradius“.
Bei der diesjährigen, 2010er Australian Space Science Conference wurde von Linweaver und Norman vorgeschlagen, daß alle natürlich auftretenden Objekte im Universum eine von fünf Grundformen, abhängig von der Größe, der Masse und den dominierenden Kräften, annehmen.
Kleine Objekte von geringer Masse können als STAUB angesehen werden – von irregulärer Form und im Wesentlichen von den elektromagnetischen Kräften beeinflußt.
Auf der nächsten Stufe stehen „KARTOFFELN“. Dies sind Objekte, bei denen die Schwerkraft beginnt, auf die Materialanlagerung Einfluß auszuüben.
Der Einfluß ist aber bei weitem nicht so groß wie bei den massereicheren KUGELN, die ausreichend Masse besitzen, um durch Eigengravitation die widerstrebenden Kräfte eines starren Körpers zu überwinden, um eine hydrostatische Gleichgewichtsform (nahezu kugelförmig) anzunehmen (entsprechend dem von der Internationalen Astronomischen Union aufgestellten zweiten Gesetz zu den Planeten).
Objekte in der Größenordnung von Molekül- oder Staubwolken werden zu SCHEIBEN kollabieren, was für das meiste in dem dünnen Band angesammelte Material bedeutet, in einer Warteschleife nur in Richtung auf das Massezentrum rotieren zu können.
Diese Objekte können sich zu einem Stern mit umlaufenden Planeten (oder ohne) entwickeln, doch die anfängliche Scheibenstruktur scheint eine unumgängliche Zwischenstufe bei der Entstehung von Objekten dieser Größenordnung zu sein.
Auf galaktischer Größenordnung kann man ebenfalls Scheibenstrukturen finden, so wie zum Beispiel Spiralgalaxien, aber für gewöhnlich sind Strukturen dieser Größenordnung zu ausgedehnt, um eine Akkretionsscheibe zu bilden.
Dafür formen sie Zusammenballungen, die in HALOS eingebettet sind – die zentrale Wölbung einer Spiralgalaxie ist hierfür ein Beispiel. Weitere Beispiele sind Kugelsternhaufen, elliptische Galaxien und eben auch Galaxienhaufen.
Bild: Materiestrukturen im Universum
Die vorgeschlagenen fünf Hauptstrukturen, die angehäufte Materie in unserem Universum annimmt Quelle: Linweaver und Norman
Die beiden Autoren führen den Kartoffelradius Rpot (pot für Potato) ein, um den Übergangspunkt von der KARTOFFEL zur KUGEL zu bestimmen und damit den Übergang von einem kleinen Himmels-objekt zu einem Zwergplaneten. Zwei wichtige Ergebnisse lassen sich aus ihrer Analyse ableiten.
Zum einen ist es nicht notwendig, für die an der Oberfläche wirkende Gravitation eine Stärke vorauszusetzen, um das für eine Kugel erforderliche hydrostatische Gleichgewicht zu erzeugen. So beginnen zum Beispiel auf der Erde Gestein zerquetschende Kräfte erst 10 km unterhalb der Oberfläche zu wirken – oder anders gesagt: es kann auf der Erde einen Berg von der Größe des Mt. Everest (9 km) geben, aber alles, was höher hinaus will, wird unweigerlich in Richtung der annähernd kugelförmigen Oberfläche des Planeten gezogen. Es gibt also einen zulässigen Wertebereich, bei dem eine Kugel auch weiterhin als Kugel aufgefaßt werden kann, auch wenn sie über ihre Gesamtstruktur hinweg nicht ein vollkommenes hydrostatisches Gleichgewicht (eine vollkommene Kugel) zeigt.
Zum anderen beeinflußt die unterschiedliche Stärke der Molekülbindung die Formbeständigkeit des jeweiligen Materials (das heißt, dessen Widerstand gegen den Gravitationskollaps). Auf diesen Grundlagen kommen Linweaver und Norman zu dem Schluß, daß Rpot für felsige Objekte bei 300 km liegt. Dagegen beträgt Rpot für die aus Eis aufgebauten Objekte in Übereinstimmung mit ihrer schwächeren Formbeständigkeit nur 200 km. Das hat zur Folge, daß sie trotz ihrer geringeren Eigengravitation viel leichter eine kugelförmige Gestalt annehmen.
Da Ceres der einzige Asteroid mit einem Radius größer als Rpot für felsige Objekte ist, ist nicht zu erwarten, weitere Zwergplaneten im Asteroidengürtel zu entdecken. Wendet man aber Rpot = 200 km für die aus Eis aufgebauten Objekte an, so ist es durchaus möglich, daß sich eine ganze Menge von Trans-Neptun-Objekten den Titel eines Zwergplaneten ergattern können.
Von Steve Nerlich in Universe Today. Übersetzt von Harald Horneff