Astronomie ohne Teleskop – Ein Universum frei von Ladung?

Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff

Wenn es gleiche Mengen an Materie und Antimaterie im Universum gäbe, wäre es einfach, auf eine Netto-Ladung von Null im Universum zu schließen, denn Materie und Antimaterie unterscheiden sich u.a. in der Ladung. Trägt ein Teilchen eine Ladung, so wird sein Gegenteilchen die gleiche, aber ent-gegengesetzte Ladung besitzen. Zum Beispiel tragen Protonen eine positive Ladung, die Antiprotonen als Gegenteilchen eine negative Ladung.

Aber es scheint so zu sein, daß es um uns herum nicht viel Antimaterie gibt. Weder die kosmische Mikrowellen-Hintergrundstrahlung noch das gegenwärtige Universum enthalten Hinweise auf Annihilationsgrenzen – also Kontaktbereiche zwischen Gebieten mit großen Mengen an Materie und Antimaterie, wo deren Zusammentreffen helle Ausbrüche an Gamma-Strahlung verursachen sollte.

Da wir offensichtlich in einem von Materie dominierten Universum leben, ist die Frage, ob unser Universum eine Nettoladung von Null hat, eine offene Frage.

Es ist eine sinnvolle Annahme, daß die Dunkle Materie entweder eine Nettoladung von Null oder aber überhaupt keine Ladung hat, denn sie macht sich nur durch ihre Schwerkraft bemerkbar. Aber geladene Teilchen und größere Objekte wie Sterne mit einer beweglichen Mischung aus positiven und negativen Ladungen erzeugen elektromagnetische Felder und elektromagnetische Strahlung.

Somit können wir die Frage, ob unser Universum eine Nettoladung von Null hat, darauf beschränken, ob die Summe der Ladung der leuchtenden Materie Null ist. Wir wissen, daß die aus Atomen aufge-baute Materie eine Nettoladung von Null haben sollte, da Atome zu gleichen Teilen aus den positiv geladenen Protonen und den negativ geladenen Elektronen besteht.

Sterne, aus heißem Plasma aufgebaut, können ebenfalls als elektrisch neutral angesehen werden. Sie entstanden aus einer Ansammlung kalten, atomaren Materials, das zusammengepreßt und aufgeheizt ist und so ein Plasma aus Kernen mit x positiven und Elektronen mit x negativen Ladungen bildet.

Das Naturgesetz der Ladungserhaltung besagt, daß der Betrag der Ladung in einem System immer erhalten bleibt. Die einströmende Ladungsmenge muß gleich der abfließenden Ladungsmenge sein.

Ein Experiment, das zur Messung der Nettoladung des Universums vorgeschlagen wurde, geht davon aus, das Sonnensystem als ein Ladungserhaltungssystem anzusehen. Dabei stammt die einströmende Ladungsmenge von geladenen Teilchen der kosmischen Strahlung, während für die abfließende Ladungsmenge geladene Teilchen des Sonnenwindes verantwortlich sind.

Wenn wir ein kaltes, festes Objekt wie den Mond betrachten, ohne Magnetfeld und Atmosphäre, die geladene Teilchen ablenken könnten, sollte es möglich sein, den Nettobeitrag der von der kosmischen Strahlung und durch den Sonnenwind gelieferten Ladung abzuschätzen. Wenn der Mond durch den Schweif der irdischen Magnetosphäre beschattet wird, sollte man den Fluß messen können, der nur der kosmischen Strahlung zuzurechnen ist – das sollte den Ladungszustand des großräumigen Universums wiederspiegeln. Faßt man alle gesammelten Daten zusammen, dazu gehören die Apollo Oberflächenexperimente, Daten vom Solar and Heliospheric Observatory (SOHO), der WIND-Sonde und dem Alpha Magnetic Spectrometer, der an Bord des Space Shuttle (STS 91) mitflog, findet man überraschenderweise ein Netto-Übergewicht positiver Ladungen, die aus dem tiefen Raum kommen. Dies läßt der Vermutung Raum, daß es im Kosmos ein allgemeines Ladungsungleichgewicht gibt.

Entweder entspricht das der Realität oder es tritt ein negativer Ladungsfluß bei Energieniveaus auf, der unterhalb der Nachweisgrenze liegt, die bei diesen Experimenten erreichbar war. Daher ist diese Studie letztlich nicht beweiskräftig, aber die Frage, ob das Universum eine von Null abweichende Nettoladung besitzt, ist weiterhin eine offene.

Weiterführende Literatur (im Internet zu finden unter):

arXiv:1008.2091v1

M.J. Simon and J. Ulbricht

Generating an electrical potential on the Moon by cosmic rays and solar wind? (2010)