Die große Leuchte und das kleine Licht

Dr. Ilka Petermann – Arizona State University, Tempe/USA
Sie sind ‚radio-laut‘, sammeln ohne Einschränkung alles an, was sich in ihrer Umgebung befindet, erhellen tagein, tagaus ihre Umgebung mit gleißendem Licht und können sich auch noch rühmen, in Carl Sagan’s Werk ‚Contact‘ genannt zu werden. Was Vermieter und Nachbarn gleichermaßen entsetzen würde, ist für Astronomen ein echter Glücksgriff: Quasare (Abb.1), die aufgrund ihrer enormen Leuchtkraft über einen weiten Bereich des elektromagnetischen Spektrums noch bis zu Distanzen von knapp 30 Milliarden Lichtjahren von der Erde entfernt beobachtet werden können. Da sieht man ihnen auch die Sammelleidenschaft gerne nach, schließlich ist sie es, die die ‚aktiven Galaxien‘ antreibt.

Abb.1: Diese Aufnahme mit der Wide Field and Planetary Camera 2 (WFPC 2) ist vermutlich die beste, die es von dem historischen Quasar 3C 273 gibt, der im Sternbild Jungfrau zu finden ist. Dank an: ESA/Hubble & NASA


 
Der Größeneinheit ‚Billion‘ (1000 Milliarden; eine eins mit 12 Nullen) läuft man im Alltag eher selten über den Weg. Der eine oder andere hat vielleicht eine externe Speicherplatte für den Computer in der Größenordnung ‚Terabyte‘, was einer Billion Bytes entspricht. Und während der Inflation in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts hätte man gut 4 Billionen Mark für einen US-Dollar anschleppen müssen. In Schramberg erinnert der ‚Billionenweg‘ heute noch an die damaligen Baukosten der Straße.
Aber dann ist da auch noch das kosmische Objekt ‚3C 273‘ im Sternbild Jungfrau, das 1959 erstmals beschrieben wurde und das beeindruckende zwei Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt ist (Abb.1). Ein ‚Leuchtturm‘, der über solch eine Distanz und trotz aller Extinktion (hierunter versteht man die Abschwächung der elektromagnetischen Strahlung) noch sichtbar ist (moderne irdische Leuchttürme schaffen bei besten Bedingungen 20 Seemeilen oder knapp 40 km), muss schon eine imposante ‚Glühbirne‘ betreiben: Im Falle von ‚3C 273‘ ist das eine Leuchtkraft, die dem vier billionenfachen der Sonnenleuchtkraft entspricht! Was ist aber die Ursache für diese ‚große Leuchte‘ und was verbindet sie mit einem ‚kleinen Licht‘?
‚3C 273‘ ist das erste Objekt, das als ‚Quasar‘ (aus dem Englischen ‚quasi-stellar radio source‘, stern-artige Radioquelle) erkannt und beschrieben wurde. Quasare sind, wie später erkannt wurde, eine Untergruppe der ‚aktiven Galaxien‘, deren Zentralregion weitgehend konstante (d.h. nicht durch explosive, kurzzeitige Ereignisse resultierende), außergewöhnlich starke Strahlung nicht-stellaren Ursprungs emittiert. Aufgrund ihrer extremen Entfernung (alle aktiven Galaxien sind extra-galaktische Objekte) erscheinen sie sternartig, also punktförmig, da das leuchtstarke Zentrum der Galaxie die äußeren Bereiche weitgehend überstrahlt. Nur in seltenen Fällen kann das ‚kleine Licht‘, die restliche Galaxie, als nebliges Scheibchen ausgemacht werden. Durch Helligkeitsschwankungen in einigen Objekten konnte auf das maximale Volumen des leuchtstarken, aktiven Teils der Galaxie geschlossen werden, wobei sich zeigte, dass jener nicht viel größer als das Sonnensystem ist. Man spricht daher auch oft von ‚aktiven galaktischen Kernen‘ (oder AGN, nach der englischen Bezeich-nung ‚active galactic nucleus‘).
Die Spektren von Quasaren unterscheiden sich deutlich von Sternspektren: erstere weisen breite Emissionslinien auf (ein Phänomen, das erstmals 1908 von Edward Fath und Vesto Slipher beo-bachtet wurde), letztere hauptsächlich Absorptionslinien von Elementen aus der Sternatmosphäre. Emissionslinien sind zwar auch von interstellaren Wolken wie den HII-Regionen aus ionisiertem Wasserstoff bekannt, die Quasarspektren weichen aber auch von diesen in charakteristischer Weise deutlich ab.
Zusätzlich zu diesen Eigenschaften drehen einige AGN dann auch noch ihr Radio auffällig laut auf: alle ‚Radiogalaxien‘ mit starker Emission in diesem Wellenlängenbereich weisen auch immer einen charakteristischen AGN auf. Der ‚Radiostern‘ Cygnus A etwa, der 1939 vom Radioastronomie-Pionier Grote Reber beschrieben wurde, wurde wenig später die erste bekannte Radiogalaxie (und spielte als solche in Carl Sagan’s Werk ‚Contact‘ mit).
Und so blicken wir aus unserer im Vergleich schummrigen, leisen Heimatgalaxie über den inter-galaktischen Wasserstoff-Gartenzaun zum AGN-Nachbarn und fragen uns: wie macht der das bloß?
Der Hauptgrund liegt im und um das zentrale schwarze Loch der aktiven Galaxien. Im Unterschied zu jenem der Milchstraße (mit 4.3 Millionen Sonnenmassen auch nicht gerade ein Leichtgewicht) sind schwarze Löcher der AGN mit 100 Millionen bis hin zu 20 Milliarden Sonnenmassen nicht nur ungleich massereicher – sie haben auch einen gesunden Appetit: umgebende Materie wird durch den Einfluss der Schwerkraft vom schwarzen Loch aufgesammelt und ordnet sich aufgrund des Dreh-impulses der Materie in einer ‚Akkretionsscheibe‘ an. Reibung und Kollision mit neu einfallendem Material heizt die Scheibe dabei stark auf. Die tatsächliche Temperatur hängt stark von der Einfalls-rate ab – unterschiedliche Gebiete tragen mit ihrer jeweiligen Effektivtemperatur zum charakteristi-schen Strahlungsspektrum bei, das durch die Überlagerung der vielen Effektivtemperaturen daher von einem Planck’schen Strahler mit einer einzigen, kennzeichnenden Temperatur abweicht.
Die Akkretionsscheibe ist im Abstand von mehreren Dutzend Lichttagen von Materiewolken umgeben, die als Ursprungsort der stark verbreiterten Spektrallinien der AGN gelten. Mit Hilfe des Dopplereffekts konnten so Geschwindigkeiten um 3000 km/s nachgewiesen werden; die Zeitskala für Änderungen der Linienstärke deutet auf die geringen Dimensionen der Wolken hin. Jene Materiewolken werden auch für die sogenannte ‚Lichtlaufzeit-Kartierung‘ (in der Literatur zumeist mit dem englischen Ausdruck ‚reverberation mapping‘ bezeichnet) herangezogen. Dabei wird die Strahlung der Primärquelle (dem Zentrumsgebiet) mit den Emissionslinien der Materiewolken verglichen und aufgrund endlicher Lichtlaufzeit kann so auf die Geometrie der Wolken geschlossen werden. In weiteren Schritten erlaubt die Methode auch die direkte Bestimmung der Masse eines schwarzen Lochs.
Zusätzlich dazu sind auch noch sogenannte Jets, stark gebündelte und oft bipolare Materieströme, für eine weitere Strahlungsquelle verantwortlich: Synchrotronstrahlung, die entsteht, wenn geladene Teilchen mit relativistischer Geschwindigkeit aus gerader Bewegungsrichtung abgelenkt werden. All diese Prozesse zusammengenommen sind für die Leuchtkraft der Galaxien verantwortlich, die so über das gesamte elektromagnetische Spektrum, von Radio-, Mikrowellen- und Infrarotstrahlung über optisches Licht bis hin zu Ultraviolett-, Röntgen- und Gammastrahlung ausgesprochen ‚mit-teilsam‘ sind.
Doch selbst unter den aktiven Galaxien gibt es solche, die es – zumindest teilweise – etwas ruhiger angehen lassen. Die sogenannten ‚Seyfert-Galaxien‘, in den 1940ern eingehend von Carl Seyfert studiert, sind zum größten Teil ‚radio-leise‘, zeigen also nur verhältnismäßig schwache Radio-Emissionen. Im Gegensatz zu den Quasaren sind sie etwas näher an der Milchstraße gelegen und weniger leuchtstark, sodass in den meisten Fällen die Galaxie, in die sie eingebettet sind, beobachtet werden kann. Die ‚Villa‘ unter den Seyfert-Galaxien ist wahrscheinlich die elliptische Riesengalaxie Messier 87 oder NGC 4486 (Abb.2): die Zentralgalaxie des Virgoclusters, und vom Volumen her sogar die größte Galaxie des gesamten Lokalen Superhaufens, beherbergt nicht nur ein supermasse-reiches schwarzes Loch von 6.6 Milliarden Sonnenmassen, sondern treibt auch einen Materie-Jet an, der gut 5000 Lichtjahre lang ist (zum Vergleich: an ihren Randgebieten hat die Milchstraße eine Dicke von etwa 3000 Lichtjahren).

Abb.2: Messier 87, eine aktive elliptische Riesen-galaxie, und ihr 5000 Lichtjahre langer Jet aus Materie, welche in der Akkretionsscheibe um das zentrale schwarze Loch beschleunigt wird. Dank an: NASA and The Hubble Heritage Team (STScI/AURA)


 
Immer für etwas Abwechslung zu haben sind die ‚BL Lac Objekte‘, benannt nach dem Prototyp BL Lacertae. 1929 von Cuno Hoffmeister als veränderlicher Stern im Sternbild Eidechse (lat.: Lacerta) klassifiziert und nach der für Veränderliche üblichen Namensgebung bezeichnet, fand man erst knapp vierzig Jahre später durch Radiomessungen seine wahre Natur. Der vermeintliche Stern ist tatsächlich eine aktive Galaxie, die durch schnelle Veränderlichkeit mit großen Amplituden gekenn-zeichnet ist – eine Eigenart, die sie von anderen AGN deutlich unterscheidet. Zusätzlich ist ein Teil des emittierten Lichts polarisiert, wobei auch Polarisation und Helligkeit deutlich schwanken. Damit hat die Kommunikationsfreude der Galaxie aber auch schon ein Ende. Das Spektrum zeigt weder Absorptions- noch Emissionslinien: ähnlich wie bei fest geschlossenen Rollläden ist es damit unmöglich, ins ‚Innere‘ der Galaxie zu blicken und ihre Zusammensetzung zu ermitteln. Eine mögliche Erklärung für BL Lac’s Eigenarten könnte unser Blickwinkel sein, den wir zum Jet haben. Statt seitwärts auf ihn zu blicken (Abb.3), schauen wir direkt in den Jet, dessen Spektrum dann auch die Beobachtungen dominiert.
Abb.3: Die innere Struktur einer aktiven Galaxie von der Seite aus betrachtet. Bei manchen aktiven Galaxien liegt der Beobachtungswinkel so, dass ein Beobachter direkt 'in den Jet' hineinblickt, was die Charakteristika dieser Galaxien erklären kann (z. B. BL Lac Objekte). Original: Unbekannt; Vektorisierung: Rothwild

Abb.3: Die innere Struktur einer aktiven Galaxie von der Seite aus betrachtet. Bei manchen aktiven Galaxien liegt der Beobachtungswinkel so, dass ein Beobachter direkt ‚in den Jet‘ hineinblickt, was die Charakteristika dieser Galaxien erklären kann (z. B. BL Lac Objekte).
Original: Unbekannt; Vektorisierung: Rothwild


 
Im Laufe der Zeit kamen andere Familien dazu: die Blazare (mit gemischten Eigenschaften sowohl von BL Lac-Objekten als auch Quasaren) in den 1960ern oder die LINERs (Low Ionization Nuclear Emission-Line Region oder Kernregion mit Emissionslinien geringer Ionisation) in den 1980ern, für welche die Sombrerogalaxie ein Beispiel ist. 2011 schließlich, ganz am Ende der Straße (29 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt!*) bei einer Rotverschiebung von z = 7.085 wurde der bis heute entfernteste Quasar mit der Bezeichnung ULAS J1120+0641 (Abb.4) entdeckt.
Abb.4: ULAS J1120+0641. Es handelt sich um den roten Punkt fast genau in der Bildmitte. Dank an: ESO / UKIDSS / SDSS

Abb.4: ULAS J1120+0641. Es handelt sich um den roten Punkt fast genau in der Bildmitte.
Dank an: ESO / UKIDSS / SDSS


 
Und wer neugierig geworden ist, und des Nachts mit einem Teleskop schauen möchte, wo noch Licht brennt: einige Quasare können unter guten Sichtbedingungen sogar schon mit einem Amateur-fernrohr entdeckt werden, wie etwa das 15.2 Magnituden-Objekt HZ 46 (im Sternbild Jagdhunde) in 176 Megaparsec Entfernung!
* Bei den 29 Milliarden Lichtjahren handelt es sich um die „mitbewegte Entfernung“, also die Distanz, welche Beobachter und Objekt zum gleichen Zeitpunkt zueinander aufweisen. Nach der geläufigeren (Licht)laufzeitentfernung befindet sich der Quasar etwa 13 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt.