Webb sucht den Asteroidengürtel von Fomalhaut und findet viel mehr

Originalveröffentlichung am 08.05.2023 zu finden unter: https://webbtelescope.org/news/news-releases

Zusammenfassung: Nahes Planetensystem in atemberaubendem Detail gesehen

Ein neues Bild des Webb-Weltraumteleskops von dem hellen, nahen Stern Fomalhaut zeigt sein Planetensystem mit nie zuvor gesehenen Einzelheiten, darunter ineinander verschachtelte konzentrische Staubringe. Diese Gürtel werden höchst-wahrscheinlich durch die Gravitationskräfte der eingebetteten, unsichtbaren Planeten geformt. In ähnlicher Weise hält Jupiter in unserem Sonnensystem den Asteroidengürtel aus übrig gebliebenen Trümmern fest, der zwischen uns und dem Riesenplaneten liegt. Astronomen entdeckten die Scheibe von Fomalhaut erstmals 1983. Aber noch nie gab es einen so spektakulären – oder aufschlußreichen – Blick wie den von Webb.

Astronomen haben mit dem James-Webb-Weltraumteleskop der NASA den warmen Staub um den nahe gelegenen jungen Stern Fomalhaut abgebildet, um den ersten Asteroidengürtel, der je außerhalb unseres Sonnensystems gesehen wurde, im Infrarotlicht zu untersuchen. Doch zu ihrer Überraschung sind die staubigen Strukturen viel komplexer als die Asteroiden- und Kuiper-Staubgürtel unseres Sonnensystems. Insgesamt gibt es drei ineinander verschachtelte Gürtel, die sich bis zu einer Entfernung von 23 Milliarden Kilometern vom Stern erstrecken; das entspricht der 150-fachen Entfernung der Erde von der Sonne. Die Ausdehnung des äußersten Gürtels ist etwa doppelt so groß wie die des Kuipergürtels unseres Sonnensystems, der aus kleinen Körpern und kaltem Staub jenseits des Neptuns besteht. Die inneren Gürtel – die zuvor noch nie gesehen wurden – wurden von Webb zum ersten Mal enthüllt.

Die Gürtel umgeben den jungen heißen Stern, der mit bloßem Auge als hellster Stern im südlichen Sternbild Piscis Austrinus zu sehen ist. Die staubigen Gürtel sind die Trümmer von Kollisionen größerer Körper, vergleichbar mit Asteroiden und Kometen, und werden häufig als „Trümmerscheiben“ bezeichnet. „Ich würde Fomalhaut als den Archetyp der Trümmerscheiben bezeichnen, die anderswo in unserer Galaxis zu finden sind, weil sie ähnliche Komponenten wie in unserem eigenen Planetensystem aufweisen“, sagt András Gáspár von der University of Arizona in Tucson und Hauptautor einer neuen Veröffentlichung, in der diese Ergebnisse beschrieben werden. „Wenn wir uns die Muster in diesen Ringen ansehen, können wir tatsächlich anfangen, eine kleine Skizze davon zu erstellen, wie ein Planetensystem aussehen müsste – wenn wir tatsächlich ein Bild machen könnten, das tief genug ist, um die vermuteten Planeten zu sehen.“

Das Hubble- und das Herschel-Weltraumteleskop sowie das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) haben bereits scharfe Bilder des äußersten Gürtels aufgenommen. Keiner von ihnen fand jedoch eine Struktur im Inneren des Gürtels. Die inneren Gürtel wurden von Webb zum ersten Mal im infraroten Licht aufgelöst. „Webb zeichnet sich dadurch aus, daß wir in der Lage sind, das thermische Glühen von Staub in diesen inneren Regionen physikalisch aufzulösen. Man kann also innere Gürtel sehen, die wir vorher nicht sehen konnten“, sagte Schuyler Wolff, ein weiteres Mitglied des Teams an der University of Arizona.

Hubble, ALMA und Webb arbeiten zusammen, um einen ganzheitlichen Blick auf die Trümmerscheiben um eine Reihe von Sternen zu werfen. „Mit Hubble und ALMA konnten wir eine Reihe von Kuipergürtel-Analoga abbilden, und wir haben viel darüber gelernt, wie sich äußere Scheiben bilden und entwickeln“, so Wolff. „Aber wir brauchen Webb, um ein Dutzend Asteroidengürtel anderswo abbilden zu können. Wir können genauso viel über die inneren warmen Regionen dieser Scheiben lernen, wie Hubble und ALMA uns über die kälteren äußeren Regionen gelehrt haben.“

Diese Gürtel werden höchstwahrscheinlich durch die Gravitationskräfte von unsichtbaren Planeten geformt. In ähnlicher Weise hält Jupiter in unserem Sonnensystem den Asteroidengürtel fest; der innere Rand des Kuipergürtels wird von Neptun geformt, und der äußere Rand könnte von noch unsichtbaren Körpern jenseits dieses Gürtels geformt werden. Wenn Webb weitere Systeme aufnimmt, werden wir mehr über die Anordnung ihrer Planeten erfahren.

Der Staubring von Fomalhaut wurde 1983 bei Beobachtungen durch NASA’s Infrared Astronomical Satellite (IRAS) entdeckt. Die Existenz des Rings wurde auch aus früheren und längerwelligen Beobachtungen mit Submillimeter-Teleskopen auf dem Mauna Kea, Hawaii, dem Spitzer-Weltraumteleskop der NASA und dem Submillimeter-Observatorium von Caltech abgeleitet.

„Die Gürtel um Fomalhaut sind eine Art Kriminalroman: Wo sind die Planeten?“, sagte George Rieke, ein weiteres Teammitglied und wissenschaftlicher Leiter für das Mid-Infrared Instrument (MIRI) von Webb, das diese Beobachtungen gemacht hat. „Ich denke, es ist kein großer Schritt zu sagen, daß es wohl ein wirklich interessantes Planetensystem um den Stern herum gibt.“

„Wir haben definitiv nicht die komplexere Struktur mit dem zweiten Zwischengürtel und dem breiteren Asteroidengürtel erwartet“, fügt Wolff hinzu. „Diese Struktur ist sehr aufregend, denn jedes Mal, wenn ein Astronom eine Lücke und Ringe in einer Scheibe sieht, sagt er: ‚Da könnte ein eingebetteter Planet sein, der die Ringe formt!“

Webb hat auch das abgebildet, was Gáspár als „die große Staubwolke“ bezeichnet, die ein Beweis für eine Kollision zwischen zwei protoplanetaren Körpern im äußeren Ring sein könnte. Dieses Merkmal unterscheidet sich von einem vermuteten Planeten, der erstmals 2008 von Hubble innerhalb des äußeren Rings gesichtet wurde. Spätere Hubble-Beobachtungen zeigten, daß das Objekt 2014 verschwunden war. Eine plausible Interpretation ist, daß es sich bei dieser neu entdeckten Erscheinung, wie auch bei der früheren, um eine sich ausdehnende Wolke aus sehr feinen Staubpartikeln handelt, die von zwei Eiskörpern stammen, die miteinander kollidierten.

Die Idee einer protoplanetaren Scheibe um einen Stern geht auf das späte 17. Jahrhundert zurück, als die Astronomen Immanuel Kant und Pierre-Simon Laplace unabhängig voneinander die Theorie entwickelten, daß sich die Sonne und die Planeten aus einer rotierenden Gaswolke gebildet haben, die aufgrund der Schwerkraft kollabierte und sich abflachte. Die Trümmerscheiben entwickelten sich später, nach der Entstehung der Planeten und der Ausbreitung des ursprünglichen Gases in den Systemen. Sie zeigen, daß kleine Körper wie Asteroiden katastrophal kollidieren und ihre Oberflächen sich zu riesigen Wolken aus Staub und anderen Trümmern pulverisieren. Die Beobachtung ihres Staubs liefert einzigartige Hinweise auf die Struktur eines exoplanetaren Systems, die bis hinunter zu erdgroßen Planeten und sogar Asteroiden reichen, die viel zu klein sind, um einzeln gesehen zu werden.

Die Ergebnisse des Teams werden in der Zeitschrift Nature Astronomy veröffentlicht.

Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit führende Observatorium für Weltraumforschung. Webb wird Rätsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick auf ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin erforschen. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner ESA (Europäische Weltraumorganisation) und CSA (Kanadische Weltraum-organisation).

Staubhaltige Trümmerscheibe von Fomalhaut (MIRI Image)

NASA, ESA, CSA
IMAGE PROCESSING: András Gáspár (University of Arizona), Alyssa Pagan (STScI)
  • Fast Facts
  • Objekt
  • Objektname(n): Formalhaut
  • Objektbeschreibung: Staubhaltige Trümmerscheibe
  • Rektaszension: 22:57:39.05
  • Deklination: -29:37:20.05
  • Sternbild: Piscis Austrinus
  • Entfernung: 25 Lichtjahre (8 Parsecs)
  • Daten
  • Instrument: MIRI
  • Filter: F2550W
  • Bild
  • Farbinformation: Das Bild ist eine Einzelbelichtung, die mit dem MIRI-Instrument am James-Webb-Weltraumteleskop aufgenommen wurde. Die Farbe ergibt sich aus der Zuordnung einer warmen Farbkarte zu einem monochromatischen (Graustufen-)Bild:
  • Orangefarbene Karte: F2250W

Über das Bild: Dieses Bild der staubigen Trümmerscheibe, die den jungen Stern Fomalhaut umgibt, stammt vom Mid-Infrared Instrument (MIRI) von Webb. Es zeigt drei ineinander verschachtelte Gürtel, die sich bis zu einer Entfernung von 23 Milliarden Kilometern von dem Stern erstrecken. Die inneren Gürtel, die noch nie zuvor gesehen worden waren, wurden von Webb zum ersten Mal entdeckt.

Das Hubble- und das Herschel-Weltraumteleskop sowie das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) haben bereits scharfe Bilder des äußersten Gürtels aufgenommen. Keiner von ihnen fand jedoch eine Struktur im Inneren des Gürtels.

Diese Gürtel werden höchstwahrscheinlich durch die Gravitationskräfte von unsichtbaren Planeten geformt.

Staubhaltige Trümmerscheibe von Fomalhaut (MIRI Compass Image)

NASA, ESA, CSA
IMAGE PROCESSING: András Gáspár (University of Arizona), Alyssa Pagan (STScI)
  • Fast Facts
  • Objekt
  • Objektname(n): Formalhaut
  • Objektbeschreibung: Staubhaltige Trümmerscheibe
  • Rektaszension: 22:57:39.05
  • Deklination: -29:37:20.05
  • Sternbild: Piscis Austrinus
  • Entfernung: 25 Lichtjahre (8 Parsecs)
  • Daten
  • Instrument: MIRI
  • Filter: F2550W
  • Bild
  • Farbinformation: Das Bild ist eine Einzelbelichtung, die mit dem MIRI-Instrument am James-Webb-Weltraumteleskop aufgenommen wurde. Die Farbe ergibt sich aus der Zuordnung einer warmen Farbkarte zu einem monochromatischen (Graustufen-)Bild:
  • Orangefarbene Karte: F2250W

Über das Bild: Dieses Bild des Fomalhaut-Systems, das vom Mid-Infrared Instrument (MIRI) von Webb aufgenommen wurde, zeigt Kompasspfeile, einen Maßstabsbalken und einen Farbschlüssel zur Orientierung. Beschriftungen zeigen die verschiedenen Strukturen an. Rechts ist eine große Staubwolke hervorgehoben und die Auszüge zeigen sie in zwei Infrarot-Wellenlängen: 23 sowie 25,5 Mikrometer.

Die Kompasspfeile nach Norden und Osten zeigen die Ausrichtung des Bildes am Himmel an. Beachten Sie, daß die Beziehung zwischen Norden und Osten am Himmel (von unten gesehen) im Vergleich zu den Richtungspfeilen auf einer Karte des Bodens (von oben gesehen) umgekehrt ist.

Der Maßstabsbalken ist in Astronomischen Einheiten angegeben, was der durchschnittlichen Entfernung zwischen der Erde und der Sonne entspricht, also 150 Millionen Kilometer. Der äußere Ring hat einen Durchmesser von etwa 240 Astronomischen Einheiten.

Dieses Bild zeigt unsichtbare Lichtwellen im mittleren Infrarotbereich, die in Farben des sichtbaren Lichts umgewandelt wurden. Der Farbschlüssel und die Beschriftungen zeigen, welche MIRI-Filter bei der Erfassung des Lichts verwendet wurden.