Wie glänzend sind erdnahe Objekte? (Originalartikel vom 28.06.2019)

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)

Ein Radarbild des erdnahen Objekts Toutatis. Astronomen, die die Abmessungen von erdnahen Objekten untersucht haben, kommen zu dem Schluß, daß der scheinbar unerwartete Überschuß an NEOs mit hoher optischer Albedo (hell) real oder das Ergebnis einer nicht ausreichenden Korrektur ihrer Rotationslichtkurven sein könnte. NASA and Steve Ostro, JPL

Erdnahe Objekte (Near Earth Objects = NEOs) sind kleine Körper des Sonnensystems, deren Umlaufbahnen manchmal nah an der Erde vorbeiführen. Folglich stellen NEOs eine mögliche Bedrohung durch Kollisionen dar, doch Wissenschaftler sind auch deshalb an ihnen interessiert, da sie einen Zugang zur Zusammensetzung, Dynamik und Umgebungsbedingungen des Sonnensystems und seiner Entwicklung anbieten. So stammen beispielsweise die meisten Meteorite, eine wichtige Quelle unseres Wissens über das frühe Sonnensystem, von NEOs. Die große Mehrheit an NEOs wurde bei optischen Durchmusterungen entdeckt und heute übersteigt die Anzahl der bekannten NEOs 20,000. Der für die meisten Fragestellungen, darunter die möglichen Gefahren eines Einschlags, entscheidende Faktor eines NEOs ist die Abmessung, doch unglücklicherweise können optische Messungen für gewöhnlich die Größe nicht bestimmen. Dies liegt daran, daß das sichtbare Licht eines NEOs reflektiertes Sonnenlicht ist und das Objekt hell sein könnte, weil es entweder groß ist oder weil es ein hohes Reflexionsvermögen (Albedo) besitzt.

Die CfA-Astronomen Joe Hora, Howard Smith und Giovanni Fazio unterstützten das Team, das als erste die systematische Bestimmung der Abmessungen von NEOs unter Nutzung von deren Infrarothelligkeit in Angriff nahm. Das Infrarotsignal eines NEO ist auf dessen thermische Strahlung zurückzuführen und diese liefert eine unabhängige Messung seiner Größe. Das Team verwendete Infrarotbeobachtungen durch IRAC an Bord von Spitzer zusammen mit optischen Daten und ihrem anspruchsvollen thermischen Modell, um die bedeutungslose Beziehung von Größe/Albedo auszuschalten und die Abmessungen von NEOs zu bestimmen. (Das Team der WISE- und NEOWISE-Mission der NASA unternahm in der Folge ebenfalls Bestimmungen der Infrarotabmessung.) Bis jetzt wurden für über 3000 NEOs Infrarotmessungen durchgeführt, davon die überwiegende Mehrzahl mittels IRAC. Der bisher auf diese Weise bestimmte, kleinste NEO hat einen Durchmesser von nur ungefähr zwölf Metern (mit einer Unsicherheit von etwa 20%). Doch seltsamerweise deuten die Ergebnisse auch auf eine Häufung von Objekten mit hoher Albedo hin; nahezu acht Mal mehr als auf der Grundlage der heutigen Vorstellungen über die Verteilung der Population erwartet worden war.

Die Wissenschaftler hatten bis dahin Schwankungen in der Helligkeit von NEOs untersucht und veröffentlicht, die sich ergaben, wenn ihre nichtsphärischen Körper im Raum rotierten (ihre Lichtkurven). Die Forscher fragten sich, ob der große, scheinbare Überschuß an Objekten mit hoher Albedo das Ergebnis einer unzulänglichen Korrektur für die Schwankungen in den Lichtkurven war. Sie führten eine statistische Analyse mit Monte-Carlo-Simulationen durch, um abzuschätzen, wie eine Population rotierender, nichtsphärischer NEOs zusammengesetzt wäre. Sie kommen zu dem Ergebnis, daß, obwohl Variationen in den Lichtkurven in der Tat die Ursache für den großen Überschuß an Objekten mit hoher Albedo sein könnten, der Überschuß auch mit einer realen – und bislang unerklärten – Überhäufigkeit an glänzenden Objekten vereinbar ist. Sie folgerten zudem, daß, was immer auch die Erklärung ist, es nicht überzeugend ist, daß NEOs eine die 50%-Marke übersteigende Albedo besitzen. Ergänzende Beobachtungen vollständiger Lichtkurven der NEOs sind notwendig, um die Unsicherheiten zu klären.

Literatur:

„Spitzer Albedos of Near-Earth Objects“

Annika Gustafsson, David E. Trilling, Michael Mommert, Andrew McNeill, Joseph L. Hora, Howard A. Smith, Stephan Hellmich, Stefano Mottola, and Alan W. Harris

Accepted by the Astronomical Journal

Vorabdruck: arXiv:1906.07284v1 [astro-ph.EP] 17 Jun 2019