Webb zeigt, daß das frühe Universum von Sternentstehungsausbrüchen nur so knisterte

Originalveröffentlichung am 05.06.2023 zu finden unter: https://webbtelescope.org/news/news-releases

Zusammenfassung: Webb entdeckt weiter eine Fülle an fernen, jungen Galaxien

Mit seinem großen, lichtsammelnden Spiegel und seiner Infrarotempfindlichkeit ist das James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) der NASA in einzigartiger Weise geeignet, Galaxien zu untersuchen, die im frühen Universum, nur wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall, existierten. Etwas mehr als ein ganzer Monat von Webb’s Beobachtungszeit ist dem JWST Advanced Deep Extragalactic Survey, kurz JADES, gewidmet. JADES wird tief in das Universum blicken, um einige der schwächsten und entferntesten Galaxien zu untersuchen. Zu den ersten Ergebnissen des Programms gehören: Hunderte von Galaxien, die bereits existierten, als das Universum weniger als 600 Millionen Jahre alt war, und Galaxien, die wiederholt Ausbrüche von Sternentstehung erlebt haben.

Eine der grundlegendsten Fragen der Astronomie lautet: Wie sind die ersten Sterne und Galaxien entstanden? Das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA liefert bereits neue Erkenntnisse zu dieser Frage. Eines der größten Programme im ersten Jahr der Webb-Wissenschaft ist der JWST Advanced Deep Extragalactic Survey (JADES), der etwa 32 Tage Teleskopzeit für die Entdeckung und Charakterisierung schwacher, weit entfernter Galaxien aufwenden wird. Obwohl die Daten noch nicht vorliegen, hat JADES bereits Hunderte von Galaxien entdeckt, die existierten, als das Universum weniger als 600 Millionen Jahre alt war. Das Team hat auch Galaxien identifiziert, in denen eine Vielzahl junger, heißer Sterne funkelt.

„Mit JADES wollen wir viele Fragen beantworten, zum Beispiel: Wie haben sich die frühesten Galaxien zusammengesetzt? Wie schnell haben sie Sterne gebildet? Warum hören manche Galaxien auf, Sterne zu bilden?“, sagt Marcia Rieke von der Universität von Arizona in Tucson, die das JADES-Programm mit leitet.

Sternfabriken

Ryan Endsley von der University of Texas in Austin leitete eine Untersuchung von Galaxien, die 500 bis 850 Millionen Jahre nach dem Urknall existierten. Dies war eine entscheidende Zeit, die als Epoche der Reionisierung bekannt ist. Hunderte von Millionen Jahren nach dem Urknall war das Universum mit einem gasförmigen Nebel gefüllt, der es undurchsichtig für energiereiches Licht machte. Eine Milliarde Jahre nach dem Urknall hatte sich der Nebel gelichtet und das Universum wurde durchsichtig, ein Prozeß, der als Reionisation bekannt ist. Wissenschaftler haben darüber diskutiert, ob aktive, supermassereiche Schwarze Löcher oder Galaxien voller heißer, junger Sterne die Hauptursache für die Reionisation waren.

Im Rahmen des JADES-Programms untersuchten Endsley und seine Kollegen diese Galaxien auf Anzeichen von Stern-entstehung – und fanden sie in Hülle und Fülle. „Fast jede einzelne Galaxie, die wir finden, zeigt diese ungewöhnlich starken Emissionsliniensignaturen, die auf eine intensive Sternentstehung in jüngster Zeit hinweisen. Diese frühen Galaxien waren sehr gut darin, heiße, massereiche Sterne zu erzeugen“, so Endsley.

Diese hellen, massereichen Sterne stießen Unmengen an ultraviolettem Licht aus, die das umgebende Gas von undurch-sichtig in durchsichtig verwandelten, indem sie die Atome ionisierten, also Elektronen aus diesen Atomen entfernten. Da diese frühen Galaxien eine so große Anzahl heißer, massereicher Sterne aufwiesen, waren sie möglicherweise die Haupt-triebfeder des Reionisierungsprozeßes. Die spätere Wiedervereinigung von Elektronen und Ionen führt zu den auffallend starken Emissionslinien.

Endsley und seine Kollegen fanden auch Hinweise darauf, daß diese jungen Galaxien Perioden schneller Sternentstehung erlebten, die von ruhigen Phasen unterbrochen wurden, in denen sich weniger Sterne bildeten. Diese Sternentstehungs-schübe könnten dadurch entstanden sein, daß die Galaxien Klumpen von gasförmigem Rohmaterial einfingen, das für die Bildung von Sternen benötigt wurde. Da massereiche Sterne schnell explodieren, könnten sie in regelmäßigen Abständen Energie in die Umgebung eingespeist und so verhindert haben, daß sich Gas zur Bildung neuer Sterne verdichtet.

Das frühe Universum enthüllt

Ein weiteres Element des JADES-Programms ist die Suche nach den frühesten Galaxien, die existierten, als das Universum weniger als 400 Millionen Jahre alt war. Durch die Untersuchung dieser Galaxien können die Astronomen erforschen, wie sich die Sternentstehung in den ersten Jahren nach dem Urknall von dem unterscheidet, was wir heute sehen. Das Licht von weit entfernten Galaxien wird durch die Ausdehnung des Universums zu längeren Wellenlängen und röteren Farben gestreckt – ein Phänomen, das Rotverschiebung genannt wird. Durch die Messung der Rotverschiebung einer Galaxie können die Astronomen herausfinden, wie weit sie entfernt ist und somit wann sie im frühen Universum existierte. Vor Webb wurden nur ein paar Dutzend Galaxien mit einer Rotverschiebung von mehr als 8 beobachtet, als das Universum jünger als 650 Millionen Jahre war, aber JADES hat jetzt fast tausend dieser extrem weit entfernten Galaxien entdeckt.

Der Goldstandard für die Bestimmung der Rotverschiebung besteht in der Betrachtung des Spektrums einer Galaxie, das ihre Helligkeit bei einer Vielzahl von eng beieinander liegenden Wellenlängen mißt. Eine gute Näherung läßt sich jedoch ermitteln, indem man Fotos einer Galaxie mit Filtern macht, die jeweils ein schmales Farbband abdecken, um eine Handvoll Helligkeitsmessungen zu erhalten. Auf diese Weise können die Forscher die Entfernungen von vielen Tausend Galaxien auf einmal bestimmen.

Kevin Hainline von der University of Arizona in Tucson und seine Kollegen verwendeten das NIRCam-Instrument (Nahinfrarotkamera) von Webb, um diese Messungen, die so genannten photometrischen Rotverschiebungen, zu erhalten, und identifizierten mehr als 700 in Frage kommende Galaxien, die existierten, als das Universum zwischen 370 Millionen und 650 Millionen Jahre alt war. Die schiere Anzahl dieser Galaxien lag weit über den Vorhersagen der Beobachtungen, die vor dem Start von Webb gemacht wurden. Die exquisite Auflösung und Empfindlichkeit des Observatoriums ermöglichen es den Astronomen, einen besseren Blick auf diese fernen Galaxien zu werfen als je zuvor.

„Bisher sahen die frühesten Galaxien, die wir sehen konnten, nur wie kleine verwaschene Flecken aus. Und doch stehen diese Flecken für Millionen oder gar Milliarden von Sternen am Anfang des Universums“, sagt Hainline. „Jetzt können wir sehen, daß einige von ihnen tatsächlich ausgedehnte Objekte mit sichtbarer Struktur sind. Wir können Gruppen von Sternen sehen, die nur wenige hundert Millionen Jahre nach dem Beginn der Zeit geboren wurden.“

„Wir stellen fest, daß die Sternentstehung im frühen Universum viel komplizierter ist, als wir dachten“, fügt Rieke hinzu.

Diese Ergebnisse werden auf der 242. Tagung der Amerikanischen Astronomischen Gesellschaft in Albuquerque, New Mexico, vorgestellt.

Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit führende Observatorium für Weltraumforschung. Webb wird Rätsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick auf ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin erforschen. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner ESA (Europäische Weltraumorganisation) und CSA (Kanadische Weltraum-organisation).

JWST Advanced Deep Extragalactic Survey (NIRCam Ansicht)

Ansicht: NASA, ESA, CSA, Brant Robertson (UC Santa Cruz), Ben Johnson (CfA),
Sandro Tacchella (Cambridge), Marcia Rieke (University of Arizona), Daniel Eisenstein (CfA)
Bildbearbeitung: Alyssa Pagan (STScI)
  • Fast Facts
  • Objekt
  • Objektname(n): Advanced Deep Extragalactic Survey, GOODS-S
  • Objektbeschreibung: Deep Field Survey
  • Rektaszension: 03:32:36.89
  • Deklination: -27:46:49.33
  • Sternbild: Fornax
  • Abmessung: Das Bild hat einen Durchmesser von etwa 6 Bogenminuten
  • Daten
  • Instrument: NIRCam
  • Filter: F090W, F115W, F150W, F200W, F277W, F335M, F356W, F410M, F444W
  • Bild
  • Farbinformation: Diese Bilder sind ein Komposit aus Einzelbelichtungen, die vom James-Webb-Weltraumteleskop mit dem NIRCam-Instrument aufgenommen wurden. Es wurden mehrere Filter verwendet, um einen breiten Wellenlängen-bereich zu erfassen. Die Farbe ergibt sich aus der Zuordnung verschiedener Farbtöne (Farben) zu jedem mono-chromatischen (Graustufen-)Bild, das einem einzelnen Filter zugeordnet ist. In diesem Fall sind die zugewiesenen Farben:
  • Blau: F090W + F115W + F150W Grün: F200W + F277W + F335M Rot: F356W + F410M + F444W

Über das Bild: Dieses Infrarotbild des James-Webb-Weltraumteleskops (JWST) der NASA wurde im Rahmen des JWST Advanced Deep Extragalactic Survey (JADES) Program aufgenommen. Es zeigt einen Teil eines Himmelsgebiets, das als GOODS-South bekannt ist und das vom Hubble-Weltraumteleskop und anderen Observatorien gut untersucht wurde. Mehr als 45.000 Galaxien sind hier zu sehen.

Anhand dieser und anderer Daten hat das JADES-Team Hunderte von Galaxien entdeckt, die bereits existierten, als das Universum noch weniger als 600 Millionen Jahre alt war. Die schiere Anzahl dieser Galaxien lag weit über den Vorher-sagen der Beobachtungen, die vor dem Start von Webb gemacht wurden.

Das Team hat auch Galaxien identifiziert, die während der so genannten Epoche der Reionisierung existierten, als sich das Universum von undurchsichtig zu durchsichtig wandelte. Viele dieser Galaxien zeigen ungewöhnlich starke Emissions-liniensignaturen, die auf die Entstehung einer Vielzahl von heißen, massereichen Sternen zurückzuführen sind.

In diesem Bild wurden die Farben Blau, Grün und Rot den Daten der NIRCam (Nahinfrarotkamera) von Webb bei 0,9, 1,15 und 1,5 Mikrometern (F090W, F115W und F150W), 2,0, 2,77 und 3,55 Mikrometern (F200W, F277W und F335M) sowie 3,56, 4,1 und 4,44 Mikrometern (F356W, F410M und F444W) zugeordnet.

JWST Advanced Deep Extragalactic Survey (NIRCam Kompass-Ansicht)

Ansicht: NASA, ESA, CSA, Brant Robertson (UC Santa Cruz), Ben Johnson (CfA),
Sandro Tacchella (Cambridge), Marcia Rieke (University of Arizona), Daniel Eisenstein (CfA)
Bildbearbeitung: Alyssa Pagan (STScI)
  • Fast Facts
  • Objekt
  • Objektname(n): Advanced Deep Extragalactic Survey, GOODS-S
  • Objektbeschreibung: Deep Field Survey
  • Rektaszension: 03:32:36.89
  • Deklination: -27:46:49.33
  • Sternbild: Fornax
  • Abmessung: Das Bild hat einen Durchmesser von etwa 6 Bogenminuten
  • Daten
  • Instrument: NIRCam
  • Filter: F090W, F115W, F150W, F200W, F277W, F335M, F356W, F410M, F444W
  • Bild
  • Farbinformation: Diese Bilder sind ein Komposit aus Einzelbelichtungen, die vom James-Webb-Weltraumteleskop mit dem NIRCam-Instrument aufgenommen wurden. Es wurden mehrere Filter verwendet, um einen breiten Wellenlängen-bereich zu erfassen. Die Farbe ergibt sich aus der Zuordnung verschiedener Farbtöne (Farben) zu jedem mono-chromatischen (Graustufen-)Bild, das einem einzelnen Filter zugeordnet ist. In diesem Fall sind die zugewiesenen Farben:
  • Blau: F090W + F115W + F150W Grün: F200W + F277W + F335M Rot: F356W + F410M + F444W

Über das Bild: Dieses Bild des GOODS-South-Feldes, das von Webb’s NIRCam (Nahinfrarotkamera) aufgenommen wurde, zeigt Kompasspfeile, Skalenbalken und einen Farbschlüssel als Referenz.

Die Kompasspfeile nach Norden und Osten zeigen die Ausrichtung des Bildes am Himmel an. Beachten Sie, daß die Beziehung zwischen Norden und Osten am Himmel (von unten gesehen) im Vergleich zu den Richtungspfeilen auf einer Karte des Bodens (von oben gesehen) vertauscht ist. Der Maßstabsbalken ist mit 50 Bogensekunden beschriftet.

Dieses Bild zeigt unsichtbare Nahinfrarot-Wellenlängen, die in Farben des sichtbaren Lichts umgewandelt wurden. Der Farbschlüssel zeigt, welche NIRCam-Filter bei der Erfassung des Lichts verwendet wurden. Die Farbe jedes Filternamens ist die Farbe des sichtbaren Lichts, die verwendet wird, um das infrarote Licht darzustellen, das durch diesen Filter fällt. In diesem Bild wurden die Farben Blau, Grün und Rot den NIRCam-Daten bei 0,9, 1,15 und 1,5 Mikrometern, 2,0, 2,77 und 3,55 Mikrometern sowie 3,56, 4,1 und 4,44 Mikrometern (F090W, F115W und F150W, F200W, F277W und F335M sowie F356W, F410M und F444W) zugeordnet.