Webb schließt dicke Kohlendioxid-Atmosphäre für felsigen Exoplaneten aus

Originalveröffentlichung am 19.06.2023 zu finden unter: https://webbtelescope.org/news/news-releases

Zusammenfassung: Infrarotmessungen von TRAPPIST-1 c deuten darauf hin, daß er wahrscheinlich nicht so Venus-ähnlich ist, als angenommen wurde

NASA’s James-Webb-Weltraumteleskop hat erfolgreich die Wärmestrahlung von TRAPPIST-1 c gemessen, einem Exo-planeten, der einen roten Zwergstern 40 Lichtjahre von der Erde entfernt umkreist. Mit einer Tagestemperatur von etwa 107 Grad Celsius ist er der kühlste Gesteinsplanet, der jemals mit dieser Methode beschrieben wurde.

Leider sind die Ergebnisse für diejenigen, die hoffen, daß das TRAPPIST-1-System ein echtes Analogon zu unserem System ist, etwas enttäuschend. TRAPPIST-1 c hat zwar ungefähr die gleiche Größe und Masse wie die Venus und empfängt die gleiche Strahlungsmenge von seinem Stern, aber es ist unwahrscheinlich, daß er die gleiche dichte Kohlendioxidatmosphäre hat. Dies deutet darauf hin, daß der Planet und vielleicht auch das gesamte System mit sehr wenig Wasser entstanden sein könnten. Das Ergebnis ist der jüngste Schritt auf dem Weg zur Klärung der Frage, ob Planetenatmosphären in der stürmischen Umgebung eines roten Zwergsterns überleben können.

Ein internationales Forscherteam hat mit Hilfe des James-Webb-Weltraumteleskops der NASA die Menge an Wärme-energie berechnet, die vom felsigen Exoplaneten TRAPPIST-1 c ausgeht. Das Ergebnis deutet darauf hin, daß die Atmosphäre des Planeten – wenn überhaupt – extrem dünn ist.

Mit einer Temperatur von ungefähr 380 Kelvin (ca. 107 Grad Celsius) auf der Tagseite ist TRAPPIST-1 c nun der kühlste felsige Exoplanet, der jemals anhand der Wärmestrahlung charakterisiert wurde. Die für diese Messungen erforderliche Präzision ist ein weiterer Beweis für die Nützlichkeit von Webb bei der Beschreibung von felsigen Exoplaneten, die in Größe und Temperatur mit denen in unserem eigenen Sonnensystem vergleichbar sind.

Das Ergebnis ist ein weiterer Schritt zur Klärung der Frage, ob Planeten, die Rote Zwerge wie TRAPPIST-1 – den häufig-sten Sterntyp in der Galaxie – umkreisen, eine Atmosphäre aufrechterhalten können, die für das Leben, wie wir es kennen, erforderlich ist.

„Wir wollen wissen, ob Gesteinsplaneten Atmosphären haben oder nicht“, sagt Sebastian Zieba, Doktorand am Max-Planck-Institut für Astronomie in Deutschland und Erstautor der heute in Nature veröffentlichten Ergebnisse. „In der Vergangenheit konnten wir nur Planeten mit dicken, wasserstoffreichen Atmosphären wirklich untersuchen. Mit Webb können wir nun endlich auch nach Atmosphären suchen, in denen Sauerstoff, Stickstoff und Kohlendioxid vorherrschen.“

„TRAPPIST-1 c ist interessant, weil er im Grunde ein Venus-Zwilling ist: Er ist etwa so groß wie die Venus und empfängt von seinem Heimatstern eine ähnliche Menge an Strahlung wie die Venus von der Sonne“, erklärt Ko-Autorin Laura Kreidberg, ebenfalls von Max Planck. „Wir dachten, er könnte eine dicke Kohlendioxid-Atmosphäre wie die Venus haben.“

TRAPPIST-1 c ist einer von sieben Gesteinsplaneten, die einen ultrakalten roten Zwergstern (oder M-Zwerg) in 40 Licht-jahren Entfernung von der Erde umkreisen. Obwohl die Planeten in Größe und Masse den inneren Gesteinsplaneten in unserem eigenen Sonnensystem ähneln, ist nicht klar, ob sie tatsächlich ähnliche Atmosphären haben. In den ersten Milliarden Jahren ihres Lebens strahlen M-Zwerge grelle Röntgen- und Ultraviolettstrahlung ab, die eine junge Planeten-atmosphäre leicht abtragen kann. Außerdem kann es sein, daß bei der Entstehung der Planeten noch nicht ausreichend Wasser, Kohlendioxid und andere flüchtige Stoffe vorhanden waren, damit sich eine nennenswerte Atmosphäre bilden konnte.

Um diese Fragen zu klären, beobachtete das Team mit MIRI (Mid-Infrared Instrument an Bord von Webb) das TRAPPIST-1-System bei vier verschiedenen Gelegenheiten, während sich der Planet hinter den Stern bewegte – ein Phänomen, das als sekundäre Finsternis bekannt ist. Durch den Vergleich der Helligkeit, wenn sich der Planet hinter dem Stern befindet (nur Sternenlicht), mit der Helligkeit, wenn sich der Planet neben dem Stern befindet (Licht von Stern und Planet zusammen), konnte das Team die Menge an Licht im mittleren Infrarotbereich bei einer Wellenlänge von 15 Mikrometern berechnen, die von der Tagseite des Planeten abgegeben wird.

Diese Methode ist die gleiche, mit der ein anderes Forscherteam festgestellt hat, daß TRAPPIST-1 b, der innerste Planet des Systems, vermutlich keine Atmosphäre besitzt.

Die Menge des von einem Planeten abgestrahlten Lichts im mittleren Infrarotbereich hängt direkt mit seiner Temperatur zusammen, die wiederum von der Atmosphäre beeinflußt wird. Kohlendioxidgas absorbiert bevorzugt 15-Mikrometer-Licht, wodurch der Planet bei dieser Wellenlänge schwächer erscheint. Wolken können jedoch Licht reflektieren, wodurch der Planet heller erscheint und das Vorhandensein von Kohlendioxid verdeckt wird.

Darüber hinaus führt eine dichte Atmosphäre jeglicher Zusammensetzung zu einer Umverteilung der Wärme von der Tages- zur Nachtseite, so daß die Temperatur auf der Tagseite niedriger ist als ohne eine Atmosphäre.  (Da TRAPPIST-1 c so nahe an seinem Stern kreist – etwa 1/50 der Entfernung von Venus zur Sonne – geht man davon aus, daß er gebunden rotiert, d. h., auf der einen Seite herrscht immerwährendes Tageslicht, auf der anderen endlose Dunkelheit.)

Obwohl diese ersten Messungen keine endgültigen Informationen über die Beschaffenheit von TRAPPIST-1 c liefern, helfen sie, die wahrscheinlichen Möglichkeiten einzugrenzen. „Unsere Ergebnisse stimmen damit überein, daß der Planet ein nackter Felsen ohne Atmosphäre ist oder daß er eine sehr dünne CO2-Atmosphäre (dünner als auf der Erde oder sogar dem Mars) ohne Wolken hat“, sagt Zieba. „Wenn der Planet eine dicke CO2-Atmosphäre hätte, würden wir eine sehr schwache oder gar keine Sekundärfinsternis beobachten. Der Grund dafür ist, daß das CO2 das gesamte 15-Mikrometer-Licht absorbieren würde, so daß wir irgendeine vom Planeten kommende Strahlung nicht entdecken würden.”

Die Daten zeigen auch, daß es unwahrscheinlich ist, daß der Planet ein echtes Venus-Analogon mit einer dicken CO2-Atmosphäre und Schwefelsäurewolken ist.

Das Fehlen einer dichten Atmosphäre deutet darauf hin, daß der Planet mit relativ wenig Wasser entstanden sein könnte. Wenn die kühleren, gemäßigteren TRAPPIST-1-Planeten unter ähnlichen Bedingungen entstanden sind, könnten auch sie mit wenig Wasser und anderen Komponenten gestartet sein, die notwendig sind, um einen Planeten bewohnbar zu machen.

Die Empfindlichkeit, die erforderlich ist, um zwischen verschiedenen atmosphärischen Szenarien auf einem so kleinen und weit entfernten Planeten zu unterscheiden, ist wirklich bemerkenswert. Die Helligkeitsabnahme, die Webb während der Sekundärfinsternis feststellte, betrug nur 0,04 Prozent: Das ist so, als würde man auf ein Display mit 10.000 winzigen Glühbirnen schauen und feststellen, daß nur vier davon ausgegangen sind.

„Es ist außergewöhnlich, daß wir dies messen können“, sagte Kreidberg. „Seit Jahrzehnten stellt sich die Frage, ob Gesteinsplaneten Atmosphären haben können. Die Fähigkeit von Webb bringt uns wirklich in eine Situation, in der wir anfangen können, Exoplanetensysteme mit unserem Sonnensystem auf eine Art und Weise zu vergleichen, wie wir es noch nie zuvor konnten.“

Diese Forschung wurde als Teil von Webb’s General Observers (GO) Program 2304 durchgeführt, eines von acht Programmen aus dem ersten Jahr der Webb-Wissenschaft, die dazu beitragen sollen, das TRAPPIST-1-System voll-ständig zu charakterisieren. Im kommenden Jahr werden die Forscher eine Folgeuntersuchung durchführen, um die vollständigen Umlaufbahnen von TRAPPIST-1 b und TRAPPIST-1 c zu beobachten. Dadurch wird es möglich sein, zu sehen, wie sich die Temperaturen von der Tag- zur Nachtseite der beiden Planeten ändern, und es wird weitere Hinweise darauf geben, ob sie eine Atmosphäre haben oder nicht.

Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit führende Observatorium für Weltraumforschung. Webb wird Rätsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick auf ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin erforschen. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner ESA (Europäische Weltraumorganisation) und CSA (Kanadische Weltraum-organisation).

Felsiger Exoplanet TRAPPIST-1 c (Künstlerischer Entwurf)

Abbildung: NASA, ESA, CSA, Joseph Olmsted (STScI)
Wissenschaft: Sebastian Zieba (MPIA), Laura Kreidberg (MPIA)
  • Fast Facts
  • Objekt
  • Objektname(n): Trappist-1c
  • Objektbeschreibung: Exoplanet
  • Sternbild: Aquarius
  • Entfernung: 40 Lichtjahre

Über das Bild: Diese künstlerische Ausgestaltung zeigt, wie der heiße Exoplanet aus Gestein TRAPPIST-1 c nach dieser Arbeit aussehen könnte. TRAPPIST-1 c, der zweite von sieben bekannten Planeten im TRAPPIST-1-System, bewegt sich in einem Abstand von 0,016 AE (etwa 2,4 Millionen Kilometern) um seinen Stern und vollendet eine Runde in nur 2,42 Erdtagen. TRAPPIST-1 c ist etwas größer als die Erde, hat aber in etwa die gleiche Dichte, was darauf hindeutet, daß er eine felsige Zusammensetzung haben muß. Die von Webb durchgeführten Messungen des von TRAPPIST-1 c ausge-strahlten Lichts bei 15 Mikrometern im mittleren Infrarotbereich lassen vermuten, daß der Planet entweder eine nackte felsige Oberfläche oder eine sehr dünne Kohlendioxidatmosphäre besitzt.

Im Hintergrund (rechts unten) ist TRAPPIST-1 b, der innerste Planet des TRAPPIST-1-Systems, dargestellt. Auch TRAPPIST-1 b ist felsig und scheint keine nennenswerte Atmosphäre zu besitzen.

Der Stern TRAPPIST-1 ist ein ultrakühler Roter Zwerg (M-Zwerg) mit einer Temperatur von nur 2.550 Kelvin (etwa 1.980 Grad Celsius) und einer Masse, die nur 0,09-mal so groß ist als die der Sonne.

Diese Illustration basiert auf neuen Daten, die vom Mid-Infrared Instrument (MIRI) von Webb gesammelt wurden, sowie auf früheren Beobachtungen anderer boden- und weltraumgestützter Teleskope. Webb hat noch keine Bilder des Planeten aufgenommen.

TRAPPIST-1 c Lichtkurve

Abbildung: NASA, ESA, CSA, Joseph Olmsted (STScI)      
Wissenschaft: Sebastian Zieba (MPIA), Laura Kreidberg (MPIA)

Über das Bild: Diese Lichtkurve zeigt die Änderung der Helligkeit des TRAPPIST-1-Systems, wenn sich der zweite Planet, TRAPPIST-1 c, hinter den Stern bewegt. Dieses Phänomen ist als sekundäre Finsternis bekannt.

Die Astronomen verwendeten Webb’s Mid-Infrared Instrument (MIRI), um die Helligkeit des Lichts im mittleren Infrarot zu messen. Wenn sich der Planet neben dem Stern befindet, erreicht das Licht sowohl des Sterns als auch der Tagseite des Planeten das Teleskop, und das System erscheint heller. Befindet sich der Planet hinter dem Stern, wird das vom Planeten abgestrahlte Licht blockiert und nur das Sternenlicht erreicht das Teleskop, wodurch die scheinbare Helligkeit abnimmt.

Astronomen können die Helligkeit des Sterns von der kombinierten Helligkeit von Stern und Planet abziehen, um zu berechnen, wie viel Infrarotlicht von der Tagseite des Planeten kommt. Daraus läßt sich dann die Temperatur der Tagseite berechnen und auf das Vorhandensein und die mögliche Zusammensetzung der Atmosphäre schließen.

Das Diagramm zeigt kombinierte Daten von vier separaten Beobachtungen, die mit dem F1500W-Filter von MIRI gemacht wurden, der nur Licht mit Wellenlängen von etwa 13,5 bis 16,7 Mikrometern zu den Detektoren durchläßt. Die blauen Quadrate sind einzelne Helligkeitsmessungen. Die roten Kreise zeigen Messungen, die gemittelt wurden, um die Veränderungen im Laufe der Zeit besser erkennen zu können. Die weiße Linie ist die beste Anpassung bzw. die Modell-lichtkurve, die am besten mit den Daten übereinstimmt. Die Helligkeitsabnahme während der Sekundärfinsternis beträgt weniger als 0,05 %.

Die aus dieser Beobachtung errechnete Temperatur beträgt 380 ± 31 Kelvin (zwischen 76 und 138 Grad Celsius). TRAPPIST-1 c ist der kühlste Exoplanet aus Fels, der jemals mit der Photometrie der Sekundärfinsternis beobachtet wurde.

TRAPPIST-1 c Emissionsspektren

Abbildung: NASA, ESA, CSA, Joseph Olmsted (STScI)      
Wissenschaft: Sebastian Zieba (MPIA), Laura Kreidberg (MPIA)

Über das Bild: Diese Graphik vergleicht die gemessene Helligkeit von TRAPPIST-1 c mit simulierten Helligkeitsdaten für drei verschiedene Szenarien. Die Messung (rote Raute) ist konsistent mit einer nackten felsigen Oberfläche ohne Atmosphäre (grüne Linie) oder einer sehr dünnen Kohlendioxidatmosphäre ohne Wolken (blaue Linie). Eine dicke, an Kohlendioxid reiche Atmosphäre mit Schwefelsäurewolken, ähnlich wie auf der Venus (gelbe Linie), ist unwahrscheinlich.

Die y-Achse des Diagramms zeigt die Helligkeit (auch Intensität oder Fluß genannt) des Lichts in Bezug auf die Verfinsterungstiefe, d. h. den Unterschied zwischen der kombinierten Helligkeit von Stern und Planet (wenn der Planet neben dem Stern steht) und der Helligkeit des Sterns allein (wenn der Planet hinter dem Stern steht). Die Helligkeit nimmt von unten nach oben in der Graphik zu: Je größer die Verfinsterungstiefe, desto heller ist das Licht des Planeten. Die x-Achse zeigt die Wellenlänge (oder Farbe) des gemessenen Lichts an. Alle hier gezeigten Wellenlängen liegen im Infrarotbereich, der für das menschliche Auge unsichtbar ist.

Die Helligkeit des vom Planeten abgestrahlten Lichts variiert mit der Wellenlänge: Einige Farben sind heller als andere. Das Muster der Helligkeit (das Spektrum) hängt von Faktoren wie der Art des Gesteins ab, aus dem die Oberfläche besteht, wie die Atmosphäre beschaffen ist und ob es Wolken gibt oder nicht. Verschiedene Materialien absorbieren und emittieren unterschiedliche Mengen verschiedener Wellenlängen des Lichts.

Die rote Raute zeigt die Helligkeit von TRAPPIST-1 c, gemessen mit dem F1500W-Filter des MIRI (Webb’s Mid-Infrared Instrument). Die vertikalen Linien oberhalb und unterhalb der Raute sind Fehlerbalken. Die Breite des blauen Kastens deckt den Wellenlängenbereich ab, der mit dem F1500W-Filter von MIRI gemessen wurde, der Licht mit einer Wellenlänge von etwa 13,5 bis 16,7 Mikrometern zu den Detektoren durchläßt.

Die blaue Linie zeigt, wie das Emissionsspektrum der Tagseite des Planeten aussehen würde, wenn er eine Sauerstoff-atmosphäre mit 0,01 % Kohlendioxid, einen Oberflächendruck von 0,1 bar und keine Wolken hätte. (Zum Vergleich: Dies ist deutlich dünner als die Erdatmosphäre, die mit 0,04 % Kohlendioxid und einem Oberflächendruck von 1 bar reich an Stickstoff und Sauerstoff ist).

Die grüne Linie zeigt, wie das Emissionsspektrum der Tagseite des Planeten aussehen würde, wenn er keine Atmosphäre und eine felsige Oberfläche aus ultramafischem Gestein hätte. (Ultramafisches Gestein ist eine Art von Eruptivgestein, das etwas reicher an Eisen und Magnesium und ärmer an Siliziumdioxid ist als Basalt, aus dem die Kruste unter den Ozeanen der Erde besteht.)

Die orangefarbene Linie zeigt das Emissionsspektrum der Tagseite des Planeten, wenn er eine Atmosphäre hätte, die der der Venus ähnelt, mit 96,5 % Kohlendioxid, einem Druck an der Oberfläche von 10 bar und Schwefelsäurewolken.