NASA’s Webb mißt die Temperatur eines felsigen Exoplaneten

Originalveröffentlichung am 27.03.2023 zu finden unter: https://webbtelescope.org/news/news-releases

Zusammenfassung: Die Menge an Infrarotlicht, die von TRAPPIST-1 b ausgeht, deutet darauf hin, daß der Planet keine nennenswerte Atmosphäre besitzt

Als riesiges berührungsloses Thermometer fungierend, hat das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA erfolgreich die Wärmestrahlung des innersten der sieben Gesteinsplaneten gemessen, die TRAPPIST-1 umkreisen, einen kühlen Roten Zwerg 40 Lichtjahre von der Erde entfernt. Mit einer Tagestemperatur von 450 Grad Celsius ist der Planet geradezu perfekt zum Pizzabacken geeignet. Da er aber keine nennenswerte Atmosphäre hat, ist er vielleicht nicht der beste Ort, um zu speisen. Das Ergebnis ist das erste aus einer umfassenden Reihe von Webb-Studien des TRAPPIST-1-Systems und stellt einen wichtigen Schritt bei der Bestimmung der Frage dar, ob Planeten, die winzige, aber stürmische Rote Zwerge umkreisen, die häufigste Sternenart in der Galaxis, Atmosphären aufrecht erhalten können, die für die Existenz von Leben erforderlich sind.

Ein internationales Forscherteam hat mit dem James-Webb-Weltraumteleskop der NASA die Temperatur des felsigen Exoplaneten TRAPPIST-1 b gemessen. Die Messung basiert auf der thermischen Emission des Planeten: Wärmeenergie, die in Form von Infrarotlicht abgegeben wird, das von Webb’s Mid-Infrared Instrument (MIRI) erfaßt wird. Das Ergebnis zeigt, daß die Tagseite des Planeten eine Temperatur von etwa 500 Kelvin (etwa 230 Grad Celsius) hat, was darauf schließen läßt, daß er keine nennenswerte Atmosphäre besitzt.

Dies ist der erste Nachweis jeglicher Form von Licht, das von einem Exoplaneten abgestrahlt wird, der so klein und so kühl ist wie die Gesteinsplaneten in unserem eigenen Sonnensystem. Das Ergebnis ist ein wichtiger Schritt, um herauszu-finden, ob Planeten, die kleine aktive Sterne wie TRAPPIST-1 umkreisen, Atmosphären aufrecht erhalten können, die Leben ermöglichen. Es ist zudem ein gutes Vorzeichen für die Fähigkeit von Webb, gemäßigte, erdgroße Exoplaneten mit MIRI zu charakterisieren.

„Diese Beobachtungen nutzen die Fähigkeiten von Webb im mittleren Infrarot wirklich aus“, sagte Thomas Greene, Astro-physiker am Ames Research Center der NASA und Hauptautor der Studie, die heute in der Zeitschrift Nature veröffentlicht wurde. „Kein früheres Teleskop hatte die Empfindlichkeit, um solch schwaches Licht im mittleren Infrarot zu messen.“

Gesteinsplaneten umkreisen ultrakalte Rote Zwerge

Anfang 2017 meldeten Astronomen die Entdeckung von sieben Gesteinsplaneten, die einen ultrakalten roten Zwergstern (oder M-Zwerg) 40 Lichtjahre von der Erde entfernt umkreisen. Das Bemerkenswerte an den Planeten ist ihre Ähnlichkeit in Größe und Masse mit den inneren Gesteinsplaneten unseres eigenen Sonnensystems. Obwohl sie alle viel näher an ihrem Stern kreisen als unsere Planeten um die Sonne – alle könnten bequem in die Umlaufbahn von Merkur passen – erhalten sie vergleichbare Energiemengen von ihrem winzigen Stern.

TRAPPIST-1 b, der innerste Planet, umkreist seinen Stern in einem Abstand, der etwa ein Hundertstel so groß ist wie der unserer Erde und erhält etwa viermal so viel Energie wie die Erde von der Sonne. Obwohl er sich nicht in der bewohn-baren Zone des Systems befindet, können Beobachtungen des Planeten wichtige Informationen über seine Geschwister-planeten sowie über die Planeten anderer M-Zwergsysteme liefern.

„Es gibt zehnmal so viele dieser Sterne in der Milchstraße als Sterne wie die Sonne, und die Wahrscheinlichkeit, daß sie Gesteinsplaneten besitzen, ist doppelt so hoch als bei Sternen wie der Sonne“, erklärt Greene. „Aber sie sind auch sehr aktiv – sie sind sehr hell, wenn sie jung sind, und sie geben Flares und Röntgenstrahlung ab, die eine Atmosphäre vernichten kann.“

Mitautorin Elsa Ducrot von der französischen Kommission für alternative Energien und Atomenergie (CEA), die dem Team angehörte, das frühere Studien zum TRAPPIST-1-System durchführte, fügte hinzu: „Es ist einfacher, terrestrische Planeten um kleinere, kühlere Sterne zu beschreiben. Wenn wir die Bewohnbarkeit von M-Sternen verstehen wollen, ist das TRAPPIST-1-System ein großartiges Labor. Dies sind die besten Ziele, die wir haben, um die Atmosphären von Gesteins-planeten zu untersuchen.“

Aufspüren einer Atmosphäre (oder nicht)

Zuvor durchgeführte Beobachtungen von TRAPPIST-1 b mit den Weltraumteleskopen Hubble und Spitzer ergaben keine Hinweise auf eine aufgeblähte Atmosphäre, konnten aber eine dichte Atmosphäre nicht ausschließen.

Eine Möglichkeit, die Unsicherheit zu verringern, besteht darin, die Temperatur des Planeten zu messen. „Dieser Planet rotiert gebunden, d.h. eine Seite ist immer dem Stern zugewandt und die andere befindet sich in ständiger Dunkelheit“, sagt Pierre-Olivier Lagage vom CEA, ein Mitautor der Studie. „Wenn er eine Atmosphäre hat, die die Wärme zirkulieren und umverteilen läßt, wird die Tagseite kühler sein als ohne Atmosphäre.“

Das Team setzte eine Technik namens Sekundärfinsternis-Photometrie ein, bei der MIRI die Helligkeitsveränderung des Systems mißt, wenn sich der Planet hinter den Stern bewegt. Obwohl TRAPPIST-1 b nicht heiß genug ist, um eigenes sichtbares Licht abzustrahlen, leuchtet er im Infraroten. Durch Subtraktion der Helligkeit des Sterns allein (während der Sekundärfinsternis) von der gemeinsamen Helligkeit des Sterns und des Planeten konnten sie erfolgreich berechnen, wie viel Infrarotlicht der Planet abgibt.

Messung winziger Helligkeitsänderungen

Die Entdeckung einer sekundären Finsternis durch Webb ist an sich schon ein wichtiger Meilenstein. Da der Stern mehr als 1.000 Mal heller ist als der Planet, beträgt die Helligkeitsänderung weniger als 0,1 %.

„Es gab auch die Befürchtung, daß wir die Finsternis verpassen könnten. Die Planeten ziehen alle aneinander, so daß die Bahnen nicht perfekt sind“, sagte Taylor Bell, der als Post-Doktorand am Bay Area Environmental Research Institute die Daten analysierte. „Aber es war einfach erstaunlich: Der Zeitpunkt der Sternfinsternis, den wir in den Daten sahen, stimmte mit dem vorhergesagten Zeitpunkt innerhalb von ein paar Minuten überein.“

Das Team analysierte Daten aus fünf separaten Beobachtungen von Sekundärfinsternissen. „Wir haben die Ergebnisse mit Computermodellen verglichen, die zeigen, wie die Temperatur in verschiedenen Szenarien sein sollte“, erklärt Ducrot. „Die Ergebnisse stimmen fast perfekt mit einem Schwarzen Körper aus nacktem Gestein und ohne Atmosphäre, die die Wärme zirkulieren läßt, überein. Wir konnten auch keine Anzeichen für eine Absorption des Lichts durch Kohlendioxid feststellen, was bei diesen Messungen offensichtlich wäre.“

Diese Forschung wurde im Rahmen des Webb Guaranteed Time Observation (GTO)-Program 1177 durchgeführt. Es ist eines von acht Programmen aus Webb’s erstem Jahr der Wissenschaft, die beitragen sollen, das TRAPPIST-1-System vollständig zu beschreiben. Weitere Beobachtungen der Sekundärfinsternis von TRAPPIST-1 b sind derzeit im Gange, und jetzt, da sie wissen, wie gut die Daten sein können, hofft das Team, schließlich eine vollständige Phasenkurve aufzuneh-men, die die Helligkeitsveränderung über die gesamte Umlaufbahn zeigt. So können sie sehen, wie sich die Temperatur von der Tages- zur Nachtseite verändert und feststellen, ob der Planet eine Atmosphäre hat oder nicht.

„Es gab ein Ziel, von dem ich geträumt habe“, sagte Lagage, der mehr als zwei Jahrzehnte lang an der Entwicklung des MIRI-Instruments gearbeitet hat. „Und das war dieses Ziel. Dies ist das erste Mal, daß wir die Strahlung eines Gesteins-planeten mit mäßigen Temperaturen nachweisen können. Das ist ein wirklich wichtiger Schritt in der Geschichte der Entdeckung von Exoplaneten.“

Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit führende Observatorium für Weltraumforschung. Webb wird Rätsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick auf ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin erforschen. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner ESA (Europäische Weltraumorganisation) und CSA (Kanadische Weltraum-organisation).

Felsiger Exoplanet TRAPPIST-1 b (Illustration)

ILUSTRATION: NASA, ESA, CSA, Joseph Olmsted (STScI)
  • Fast Facts
  • Objekt
  • Objektname(n): TRAPPIST-1 und TRAPPIST-1 b
  • Objektbeschreibung: M-Zwerg und felsiger Exoplanet  
  • Rektaszension: 23:06:30
  • Deklination: -05:02:30
  • Sternbild: Aquarius
  • Entfernung: 40 Lichtjahre
  • Abmessung: Stern: Radius = 0,11 × Sonne; Masse = 0,09 × Sonne
  • Abmessung: Planet: Radius = 1,1 × Erde; Masse = 1,4 × Erde

Über das Bild: Diese Illustration zeigt, wie der heiße felsige Exoplanet TRAPPIST-1 b auf der Grundlage dieser Arbeit aussehen könnte. TRAPPIST-1 b, der innerste der sieben bekannten Planeten im TRAPPIST-1-System, umkreist seinen Stern in einem Abstand von 0,011 AE und vollendet einen Umlauf in nur 1,51 Erdtagen. TRAPPIST-1 b ist etwas größer als die Erde, hat aber in etwa die gleiche Dichte, was darauf hindeutet, daß er eine felsige Zusammensetzung haben muß. Die von Webb durchgeführten Messungen des von TRAPPIST-1 b abgestrahlten Lichts im mittleren Infrarotbereich deuten darauf hin, daß der Planet keine nennenswerte Atmosphäre besitzt. Der Stern TRAPPIST-1 ist ein ultrakühler Roter Zwerg (M-Zwerg) mit einer Temperatur von nur 2.566 Kelvin und einer Masse, die nur 0,09 Mal so groß ist wie die der Sonne.

Diese Illustration beruht auf neuen Daten, die von Webb’s Mid-Infrared Instrument (MIRI) gesammelt wurden, sowie auf früheren Beobachtungen anderer boden- und weltraumgestützter Teleskope. Webb hat noch keine Bilder des Planeten aufgenommen.

Felsiger Exoplanet TRAPPIST-1 b (Secondary Eclipse Light Curve)

ILUSTRATION: NASA, ESA, CSA, Joseph Olmsted (STScI)
  • Fast Facts
  • Objekt
  • Objektname(n): TRAPPIST-1 b
  • Objektbeschreibung: felsiger Exoplanet  
  • Rektaszension: 23:06:30
  • Deklination: -05:02:30
  • Sternbild: Aquarius
  • Entfernung: 40 Lichtjahre
  • Abmessungen: Radius = 1,1 × Erde; Masse = 1,4 × Erde
  • Daten
  • Instrument: MIRI
  • Filter: F1500W

Über das Bild: Diese Lichtkurve zeigt die Änderung der Helligkeit des Trappist-1-Systems, wenn sich der innerste Planet, Trappist-1 b, hinter den Stern bewegt. Dieses Phänomen ist als Sekundärfinsternis bekannt.

Astronomen verwendeten das Mid-Infrared Instrument (MIRI) von Webb, um die Helligkeit des mittleren Infrarotlichts zu messen. Wenn der Planet sich neben dem Stern befindet, erreicht das Licht sowohl vom Stern als auch von der Tagseite des Planeten das Teleskop, und das System erscheint heller. Wenn sich der Planet hinter dem Stern befindet, ist das vom Planeten abgestrahlte Licht blockiert und nur das Sternlicht erreicht das Teleskop, mit der Folge, daß die scheinbare Helligkeit abnimmt.

Astronomen können die Helligkeit des Sterns von der gemeinsamen Helligkeit des Sterns und des Planeten abziehen, um zu berechnen, wie viel Infrarotlicht von der Tagseite des Planeten stammt. Dies wird dann verwendet, um die Temperatur der Tagseite zu berechnen.

Das Diagramm zeigt kombinierte Daten aus fünf separaten Beobachtungen, die mit dem F1500W-Filter von MIRI gewonnen wurden. Der Filter läßt nur Licht im Wellenlängenbereich von 13,5 bis 16,6 Mikrometern zu den Detektoren gelangen. Die blauen Quadrate sind separate Helligkeitsmessungen. Die roten Kreise zeigen Messungen, die „zusammen-gefaßt“, bzw. gemittelt sind, um es leichter zu machen, die Änderung im Laufe der Zeit zu sehen. Die Abnahme der Helligkeit während der Sekundärfinsternis beträgt weniger als 0,1%. Miri war in der Lage, Veränderungen von nur 0,027% (entsprechend 1 Teil in 3.700) zu messen.

Dies ist die erste Beobachtung der thermischen Emission von Trappist-1 b, oder jedem Planeten, der so klein wie die Erde und so kühl wie die Gesteinsplaneten in unserem Sonnensystem ist.

Die Beobachtungen werden mit einem Filter von 12,8 Mikrometern wiederholt, um die Ergebnisse zu bestätigen und die Auslegungen einzugrenzen.

Felsiger Exoplanet TRAPPIST-1 b (Dayside Temperature Comparison)

ILUSTRATION: NASA, ESA, CSA, Joseph Olmsted (STScI)
  • Fast Facts
  • Objekt
  • Objektname(n): TRAPPIST-1 b
  • Objektbeschreibung: felsiger Exoplanet  
  • Rektaszension: 23:06:30
  • Deklination: -05:02:30
  • Sternbild: Aquarius
  • Entfernung: 40 Lichtjahre
  • Abmessungen: Radius = 1,1 × Erde; Masse = 1,4 × Erde
  • Daten
  • Instrument: MIRI
  • Filter: F1500W

Über das Bild: Vergleich der Temperatur auf der Tagseite von Trappist-1 b, gemessen mit dem Mid-Infrared Instrument (MIRI) von Webb mit Computermodellen, die zeigen, welche Temperatur unter verschiedenen Bedingungen vorkommen würde. Die Modelle beziehen die bekannten Eigenschaften des Systems mit ein, darunter die Temperatur des Sterns und die Entfernung des Planeten auf seiner Umlaufbahn. Die Temperatur der Tagseite des Merkurs ist ebenfalls als Referenz gezeigt.

Die Helligkeit auf der Tagseite von Trappist-1 b bei 15 Mikrometern kommt einer Temperatur von etwa 500 Kelvin (ungefähr 230 Grad Celsius) gleich. Dies steht im Einklang mit der Temperatur unter der Annahme, daß der Planet gebunden rotiert (eine Seite ist zu jeder Zeit dem Stern zugewandt), eine dunkle Oberfläche besitzt, ohne Atmosphäre ist und keine Umverteilung der Wärme von der Tag- auf die Nachtseite erfolgt.

Wenn die Wärmeenergie vom Stern gleichmäßig um den Planeten verteilt wäre (z. B. durch eine zirkulierende Atmosphäre ohne Kohlendioxid), würde die Temperatur bei 15 Mikrometern 400 Kelvin (130 Grad Celsius) betragen. Wenn die Atmo-sphäre eine beträchtliche Menge Kohlendioxid hätte, würde sie sogar noch weniger Licht bei 15 Mikrometern abstrahlen und sogar noch kühler erscheinen.

Obwohl Trappist-1 b nach irdischen Maßstäben heiß ist, ist es kühler als auf der Tagseite des Merkur, der aus bloßen Felsen und keiner nennenswerten Atmosphäre besteht. Merkur erhält ungefähr 1,6-mal mehr Energie von der Sonne als Trappist-1 b von seinem Stern.