Verschmelzende Sterne

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Die Überreste der Nova Vul 1670, der „neue Stern“, der im Jahr 1670 wahrgenommen wurde. Beobachtungen des molekularen Gases und seiner Zusammensetzung in dem Nebelfleck finden überzeugende Beweise dafür, daß die Nova das Ergebnis der Verschmelzung zweier Sterne war. Das Bild zeigt sichtbares Licht (blau), Staub bei Submillimeter-Wellenlängen (grün), Strahlung von Molekülen ebenfalls bei Submillimeter-Wellenlängen (rot). APEX, SMA, Kaminski


 
Astronomen wissen seit Jahrzehnten, daß die Verschmelzung von zwei gewöhnlichen Sternen ein häufiger und astronomisch wichtiger Vorgang ist. Zum Beispiel treten in Kugelsternhaufen mit bis zu mehreren Millionen gravitativ aneinander gebundenen Sternen Zusammenstöße zwischen den Sternen oft auf und haben Sterne zur Folge, die massereicher, heißer und blauer als üblich sind. In sternbildenden Clustern hat man Verschmelzungen als einen Weg für die Bildung von massereichen jungen Sternen vorgeschlagen und Computersimulationen geben dieser Idee eine gewisse Glaubwürdigkeit. Nicht zuletzt sind einige Arten von Novae – Sterne, die plötzlich heller werden und von denen man früher einmal dachte, es wären „neue Sterne“ – das Ergebnis der Verschmelzung oder Beinahe-Verschmelzung von Sternen.
Der veränderliche Stern CK Vulpeculae (Nova Vul 1670) hatte von 1670 bis 1672 einen hellen Ausbruch und verblasste danach. Kein vergleichbares Ereignis wurde bis 1982 beobachtet, als an dieser Stelle ein Nebel gefunden wurde, vermutlich ein Überrest des Ausbruchs von 1670. Der Stern selbst bleibt unentdeckt, wohl hinter einer dicken Staubschicht verborgen, die bei diesem Ausbruch ausgestoßen wurde. Der Nebel ist seit Jahrzehnten für die Astronomen von Interesse, da er reich an molekularem Gas ist. Nimesh Patel vom CfA untersuchte mit seinen Kollegen Nova Vul 1670 und deren chemische Zusammensetzung mit zwei Millimeter-Teleskopen, die in der Lage sind, die molekularen Bestandteile des Nebels en détail zu messen: dem Submillimeter Array und dem Atacama Pathfinder Experiment (APEX).
Die Wissenschaftler berichten in der Zeitschrift Nature #322, daß Nova Vul 1670 nicht nur reich an verschiedenen Molekülarten ist, sondern deren Gas weist auch spektakuläre, ungewöhnliche Isotopenhäufigkeiten auf (daß heißt, die vorhandenen Atome, insbesondere die von Kohlenstoff, Sauerstoff und Stickstoff haben zusätzliche Neutronen in ihren Kernen). Die Elementsynthese in Sternen ist gut verstanden und erzeugt bestimmte Isotopenverhältnisse; zum Beispiel beträgt das Verhältnis von Kohlenstoff-12 zu Kohlenstoff-13 im Sonnensystem 89, aber das Verhältnis ist in Nova Vul 1670 um das zehnfache niedriger. Ähnlich niedrige Mischungsverhältnisse wurden für die Stickstoff- und Sauerstoffisotope gefunden.
Die Astronomen folgerten, daß die Atome in Nova Vul 1670 nicht in einem normalen stellaren Glutofen erzeugt wurden oder in diesem Fall sogar in einem Sterninneren, das unter gänzlich anderen Bedingungen arbeitet. Auch konnten sie kein irgendwie geartetes, explosives Ereignis bestimmen, das diese Verhältnisse erzeugen würde. Die Gruppe kommt zu dem Schluß, daß das wahrscheinlichste Szenario im Jahr 1670 die heftige Verschmelzung zweier Sterne war; Teile aus dem Inneren der Sterne wurden in den Nebel katapultiert und dieser so mit Asche aus früheren Phasen des nuklearen Brennens angereichert. Menschen, die die Nova 1670 beobachteten, waren ohne Zweifel von dem Erscheinen eines „neuen Sterns“ verblüfft. Man stelle sich vor, was ihre Reaktion bei der Feststellung gewesen wäre, daß es sich in Wirklichkeit um die Verschmelzung zweier Sterne handelte.
Literatur:
„Nuclear ashes and outflow in the eruptive star Nova Vul 1670“
Tomasz Kaminski, Karl M. Menten, Romuald Tylenda, Marcin Hajduk, Nimesh A. Patel, and Alexander Kraus
Nature 520, 322–324 (16 April 2015)