Kosmologie verkomplizierender Staub

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Vom Satelliten Planck gewonnenes, neues Bild kleiner Störungen im kosmischen Hintergrund bei Submillimeter-Wellenlängen, mit Daten der Südpol BICEPS2/Keck Array Einrichtung fortentwickelt. Wissenschaftler beider Gruppen führten ihre Daten zusammen und kommen zu dem Ergebnis, daß bislang berichtete Messungen, die auf Nachwirkungen der kosmischen Inflation zurückgeführt werden, vielmehr nahezu sicher Auswirkungen des galaktischen Staubs sind. ESA, NASA, Planck / BICEP


 
Das Universum entstand vor 13.7 Milliarden Jahren in einem Lichterglanz: dem Urknall. Etwa 380.000 Jahre später, als Materie (großteils Wasserstoff) genügend abgekühlt war, um neutrale Atome zu bilden, konnte das Licht den Raum unbehindert durchqueren. Dieses Licht, kosmische Mikrowellen-Hintergrundstrahlung oder Cosmic Microwave Background Radiation = CMBR genannt, kommt aus allen Himmelsrichtungen gleichmäßig auf uns zu… zumindest schien es am Anfang so. Im letzten Jahrzehnt entdeckten Astronomen, daß die Hintergrundstrahlung genau genommen winzige Abweichungen von ihrer mittleren Helligkeit in der Größenordnung von eins zu einhunderttausend aufweist – die Saat für zukünftige Strukturen, wie etwa Galaxien.
Astronomen haben spekuliert, daß diese Änderungen auch Spuren von einer ersten Expansion enthalten – die sogenannte Inflation – die das neue Universum um eine Größenordnung von 1033 in nur 10-33 Sekunden aufblähte. Anhaltspunkte über die Inflation sollten sich kaum sichtbar in der Form, wie die kosmischen Abweichungen gekräuselt sind, finden, ein Effekt, der vielleicht um das 100-fache schwächer ist als die winzigen Abweichungen selbst. Vor einem Jahr haben Astronomen vom CfA, die am Südpol arbeiteten, die Welt mit der Mitteilung über Hinweise auf solche Kräuselungen, die „B-Mode-Polarisation“, überrascht und mit Vorsicht berechnet, daß die gemessene Stärke dieser Kräuselungen die einfachsten Modelle der Inflation stützen.
Im Universum laufen auch andere exotische Vorgänge ab, die diese entmutigende Messung noch anspruchsvoller machen. Der wichtigste Prozeß ist die Streuung von Licht in der Galaxis durch Staubpartikel, die durch Magnetfelder ausgerichtet wurden; das gestreute Licht ist polarisiert und auf eine Art gedreht, die die Kräuselungseffekte der Inflation nachahmt. 2009 startete die Europäische Weltraumagentur mit der NASA als Partner den Satelliten Planck, um die CMBR zu untersuchen. Die ersten Arbeiten, die sich aus der Planck-Mission ergaben, verbesserten die Werte von wichtigen kosmologischen Größen grundlegend. Im Rahmen der Untersuchung der kosmischen Hintergrundstrahlung trifft man unvermeidlich auf Strahlung von Staubkörnchen. In den Physical Review Letters (Ausgabe 114) berichten mehr als hundert Wissenschaftler unter Nutzung von Daten der Südpol- und Planck-Experimente über ihre Untersuchungen zum Anteil des galaktischen Staubs an der Kräuselung der CMBR-Signatur. Zu dieser großen Gruppe an Wissenschaftlern gehörten auch die CfA-Astronomen K.D. Alexander, C.A. Bischoff, I. Buder, J. Connors, C. Dvorkin, K.S. Karkare, J. Kovac, S. Richter und C.L. Wong.
Die Wissenschaftler folgern, daß das vor einem Jahr über die Kräuselung berichtete Signal echt, aber nahezu sicher auf den galaktischen Staub zurückzuführen ist, dessen Einfluß sich erheblich stärker als ursprünglich erwartet herausgestellt hat und das kosmologische Signal überlagert. Die neue Arbeit liefert dennoch viel genauere Grenzen für kosmologische Effekte und merkt an, daß verschiedene Nachfolgeexperimente am Südpol und andernorts fortfahren, noch intensiver zu suchen. Für die nächsten Jahre sagen die Forscher voraus, werden grundlegende Fortschritte zum Auffinden der schwachen Spuren der Inflation gemacht und die verbesserten Ergebnisse genutzt, um die Details der kosmischen Inflation weiterzuentwickeln.
Literatur:
„Joint Analysis of BICEP2/Keck Array and Planck Data“
P.A.R. Ade et al. (BICEP2/Keck and Planck Collaborations)
Physical Review Letters 114, 101301, 2015